IV-Präsident Kapsch: "Es bewegt sich nichts"

"Wir leisten uns die teuerste Form des Staatswesens", so Kapsch.
Georg Kapsch wünscht sich mehr Leistungsdruck und kritisiert "hoch finanzierte" Umweltlobbys.

Georg Kapsch über seine Motive, noch einmal für die Industriellenvereinigung zu kandidieren.

KURIER: Sie haben als Unternehmer genug zu tun. Warum tun Sie sich noch eine zweite Periode als Präsident der Industriellenvereinigung an?

Georg Kapsch: Weil ich in der ersten Periode Grundsteine gelegt habe, die ich vollenden möchte. Etwa bei Steuerpolitik, Energiepolitik, Bildungs- und Forschungspolitik.

Bei der Bildungspolitik haben Sie eine Revolution gefordert. Doch herausgekommen sind nur kleine Korrekturen. Was fehlt jetzt noch?

In der Elementarpädagogik ist einiges gelungen. Aber über die Kernthemen hat man sich noch nicht einmal unterhalten. Wir müssen endlich zu Bildungszielen kommen und zu einer Bildungs- statt einer Unterrichtspflicht. Damit wir vor allem in der Pflichtschule wieder das Niveau herstellen, das wir brauchen.

Der Obmann der gewerblichen Sozialversicherung Alexander Herzog hat im KURIER ein Recht auf Selbstständigkeit gefordert und die von den Krankenkassen geforderten Zwangsanstellungen verurteilt. Ihre Meinung dazu?

Eine richtige Forderung, weil wir viel mehr unternehmerisches Engagement und viel, viel mehr Selbstständigkeit und Verantwortung für sich selbst brauchen.

Herrscht ein wirtschaftsfeindliches Klima? Wird man als Industrieller angefeindet?

Ich glaube, es war schon einmal ärger, aber wir sind nicht die Sympathieträger der Nation, weil man nicht erkennt, was wir tun. Ohne uns gäbe es viele Arbeitsplätze nicht. Die Industrie hat auch im Umweltbereich mehr getan als jeder andere Sektor in Europa. Wir haben Energieeinsatz und Emissionen weit weniger gesteigert als die Produktionsleistung. Für die Haushalte und den Verkehr gilt das nicht.

Einige ÖVP-nahe Unternehmer hielten Sie für zu "links".

Vor meinem Antritt ja, aber innerhalb der Periode sicher nicht.

Bei der Steuerreform wurde die Industrie geschont. Trotzdem sind Sie nicht begeistert.

Wir sind nicht weiter belastet worden und haben eine Senkung der Lohnnebenkosten von über eine Milliarde erreicht. Aber wir sind nicht in dem Ausmaß entlastet worden, das notwendig wäre, um wieder Unternehmen hier anzusiedeln und zu Investitionen zu motivieren.

Ist die Stimmung in der Industrie schlecht?

Sie ist sicher nicht gut, weil es die Rahmenbedingungen nicht sind. Die Lohnnebenkostensenkung ist ein erster Schritt. Davor gab es eine Erhöhung der Forschungsprämie. Das sind zumindest Anzeichen, dass man uns hilft, international mitspielen zu können.

Fehlt der Leistungsgedanke in Österreich?

Ich glaube schon, dass es etwas mehr Leistungsdruck braucht. Dieser Druck verteilt sich auf immer weniger Menschen. Das sind dann auch die, die hohen Steuer zahlen.

Die Schicht jener, die Steuern zahlt und Arbeit hat, wird dünner, was auch daran liegt, dass Unternehmen Leute abbauen.

Was sollen wir tun? Es geht ja nicht darum: Machen wir höhere oder niedrigere Gewinne, sondern um die Frage: Sind wir wettbewerbsfähig, ja oder nein. Wir können uns mit unseren Gewinnspannen ohnehin nicht mit amerikanischen oder chinesischen Unternehmen vergleichen. Da haben wir das Nachsehen. Wenn man uns dann noch vorwirft, dass es uns ausschließlich um Dividenden geht, dann ist das einfach nur hanebüchen.

Was müsste von der Politik kommen, damit mehr Jobs geschaffen werden?

Wir brauchen eine Entbürokratisierung, eine Entlastung – nicht nur bei Steuern, auch bei Abgaben wie der Sozialversicherung, die schleichend erhöht werden. Außerdem wird nie über das Sparen geredet. Wir leisten uns die teuerste Form des Staatswesens. Wir haben weder einen Zentral- noch einen Föderalstaat, sondern eine Mischung.

Sie haben kürzlich gesagt, dass sich das System der Sozialpartner überlebt hat.

Es bewegt sich nichts. Es gibt aber auch nichts mehr zu verteilen. Wir müssten daher alle gemeinsam auf einer Seite stehen, um uns gegen andere Regionen durchzusetzen.

Kann man trotz der hohen Arbeitslosenzahlen Tausende Flüchtlinge am Arbeitsmarkt integrieren?

Wir haben nicht wirklich die Wahl. Wer politisch verfolgt ist, den wollen und müssen wir aufnehmen. Und dann muss man schauen, wer Wirtschaftsflüchtling ist. Es geht aber nicht, dass nur ganz wenige europäische Länder das Thema alleine tragen. Da brauchen wir mehr Solidarität in der EU. Ein Kontinent mit 500 Millionen Einwohnern wird wohl in der Lage sein, ein paar Millionen Flüchtlinge zu integrieren. Wenn allerdings jedes Jahr Millionen kommen, dann geht es natürlich nicht.

Die Firma Kapsch hat zwei schwierige Jahre hinter sich. Wo verdient Kapsch Geld und wo ist es schwer?

Wir machen zwei Drittel unseres Geschäfts in Europa und ein Drittel außerhalb. In Wahrheit sind alle Märkte im Moment herausfordernd. Schwierig ist besonders der Telekommunikationsbereich, weil in Europa viel zu wenig investiert wird. Da haben wir im Gegensatz zu den USA auch keinen Genierer, uns völlig für den chinesischen Wettbewerb zu öffnen. Die IT-Industrie hat Europa zum Beispiel bereits verloren.

Trügt das Gefühl, oder sind NGO-Lobbys im Marketing deutlich erfolgreicher als Wirtschafts- und Industrie-Lobbys?

Die NGOs haben viel mehr Geld, sie werden mit Hunderten Millionen finanziert – nicht nur von Privaten. Es gibt zahllose hochaktive und hoch finanzierte Vereine.

Die NGOs können sich wahrscheinlich aufgrund ihres Sympathie-Vorteils mehr Gehör verschaffen.

Die werden sich so lange Gehör verschaffen, bis alle Arbeitsplätze weg sind.

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