Italiens Wirtschaft hat mehr als nur ein Problem
Italien hat in den vergangenen Wochen nicht nur mit der Parlamentswahl Schlagzeilen gemacht, sondern auch mit den Wetten, die Hedgefonds gegen italienische Staatsanleihen gemacht haben. Konkret sind es rund 39 Milliarden Dollar, die sich Investoren geliehen haben, um gegen Italien zu wetten. Dabei werden gegen eine Gebühr Anleihen geliehen. Die Hoffnung dahinter: Diese später zu günstigeren Kursen am Markt kaufen und dann zurückgegeben zu können.
Risiko-Aufschlag
Entscheidend ist hier der Risiko-Aufschlag, der sogenannte Spread, auf Anleihen gemessen an risikominderen Anleihen. „Der Spread zwischen den deutschen und italienischen Staatsanleihen ist schon länger kontinuierlich gewachsen. Der Spread misst, wie gut die Entwicklung der italienischen Papiere gemessen an den deutschen Papieren ist, die als sicher gelten“, erklärt Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria. Montagvormittag, also nach der Wahl in Italien, lag dieser Spread bei 2,38 Prozentpunkten bzw. 238 Basispunkten.
Gemacht wird das hauptsächlich mit zehnjährigen Staatsanleihen, weil „das die liquidesten sind“, so Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International RBI. Die Rendite der zehnjährigen italienischen Staatsanleihe selbst übrigens erreichte gestern rund 4,5 Prozent (siehe Grafik). Die Investoren, die italienische Staatsanleihen leerverkaufen, hätten die Erwartung, dass es „zu instabileren Finanzen in Italien“ kommt, sagt Köppl-Turyna.
Ob das auch passiert, ist die große Frage. Tritt das alles ein, „ist es ein logischer Schritt“, gegen Italien zu wetten“, sagt Köppl-Turyna. Ein weiterer Anstieg der Zinsen durch die EZB, der als so gut wie sicher gilt, würde die Situation weiter verschärfen.
Reformen notwendig
Wie es in Italien weitergeht, hängt natürlich stark davon ab, wie die neue Regierung in den kommenden Wochen und Monaten agiert. Sicher ist: Werden gewisse Wahlversprechen eingelöst – etwa, dass es niedrige Steuern kombiniert mit höheren Pensionen geben wird – dann würde das die „Verschuldung zusätzlich in die Höhe treiben“, so Köppl-Turyna. Es müsse eine „fiskalisch-konservative Finanzpolitik in Italien verstärkt werden“, so die Ökonomin – niedrigere Steuern bei gleichzeitig höheren Pensionen wären das Gegenteil davon. „Langfristig sind strukturelle Reformen die einzige Lösung“, fasst sie zusammen.
Das sieht auch RBI-Chefanalyst Brezinschek so. Die schwierige Situation in Italien sei nicht in erster Linie auf den hohen Schuldenberg zurückzuführen, sondern vor allem auf ein Produktivitäts- und Wachstumsproblem, das seit 30 Jahren besteht. Das BIP pro Kopf ist in den vergangenen Jahren nicht gestiegen, sondern seit 2007 um rund neun Prozent gesunken. Daneben gibt es eine ganze Reihe weiterer Baustellen, die das Land dringend angehen müsste: Arbeitsmarkt. Pensionen. Schuldeneintreibung. Digitalisierung. Infrastruktur. In all diesen Punkten seien dringend Reformen notwendig.
„Sehr kritisch“
Die Italiener selbst würden seit 2015 keine Staatsanleihen mehr kaufen, sagt Brezinschek – seit es die Ankaufsprogramme der EU gibt. „Seit 2015 war, außer 2019, die EZB der größte Financier der italienischen Staatsanleihen.“ Was auf wenig Gegenliebe stößt: Der EZB wird oft vorgeworfen, sie würde Staatsfinanzierung betreiben. „Bei niedrigen Zinsen gibt es kein Marktinteresse und keinen Druck zur Staatssanierung“, so Brezinschek. Das Rettungsprogramm TPI der EU, das bei steigenden Zinsen greifen soll, sieht Köppl-Turyna „sehr kritisch“. Denn: „Es könnte die Eurozone unter Umständen noch weiter destabilisieren.“
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