Teuerungsschub am Bau: Was dahinter steckt und wie es weiter geht
Die Pandemie hat viele Branchen hart getroffen, mit Rekordarbeitslosigkeit und Kurzarbeit. Davon blieb die österreichische Bauwirtschaft jedoch weitgehend verschont. Die Geschäfte laufen gut: Es hat rasch ein regelrechter Bauboom eingesetzt, der den Firmen volle Auftragsbücher beschert hat. Auch Private trugen dazu bei, indem sie ihr Geld in unsicheren Zeiten lieber in das Wochenendhaus oder einen neuen Pool investiert haben, als es auf die hohe Kante zu legen. Wer derzeit jedoch seine Immobilie sanieren oder ausbauen will, stößt auf Widerstände. Denn die Kehrseite des Baubooms ist, dass Baumaterialien knapp geworden sind, viele sind nur noch schwer zu bekommen.
Warum das so ist? Die Nachfrage nach Materialien übersteigt das Angebot aktuell bei weitem. Denn Hersteller haben die Produktionskapazitäten pandemiebedingt an die gesunkene Nachfrage angepasst – also heruntergefahren. Nach dem Einbruch durch die Corona Krise wurden die Lager geleert. „Und die Industrie hat ihre Lager nicht mehr aufgefüllt“, sagt Sebastian Beiglböck, Geschäftsführer der Vereinigung österreichischer Projektentwickler (VÖPE), die sich als Lebensraum-Entwickler sieht.
Die Folge sind globale Lieferengpässe. Rohstoffe wie Holz, Stahl und Granulate für die Kunststoffproduktion sind knapp. Einigen Baufirmen geht mittlerweile das Material aus. Aktuell fehle es vorrangig an Stahl, Holz, synthetischen Dämmmaterialien und anderen Kunststoffprodukten. „Dämmmaterialien bereiten uns am meisten Sorgen“, so Beiglböck. Manchmal könne man sich nach alternativen Baustoffen umsehen, bei Holz und Stahl sei das aber schwierig. Oft mangelt es an kleinen Dingen. „Die Lieferung eines Parkettbodens dauert ein halbes Jahr“, nennt Hans Jörg Ulrich, geschäftsführender Gesellschafter der Ulreich Bauträger GmbH und Bauträgersprecher der Wirtschaftskammer, ein Beispiel. Dem Tischler wiederum würden Scharniere fehlen. Wer gute, langjährige Geschäftsbeziehungen hat, ist im Vorteil, ist Ulreich überzeugt. Ebenso jene, die vorsichtig geplant und einen Zeitpuffer einkalkuliert haben.
Aufgrund der Lieferengpässe sind die Rohstoffpreise in den vergangenen Monaten stark gestiegen, es kommt zu höheren Beschaffungskosten entlang der gesamten Lieferkette. Brancheninsider sprechen von Mehrkosten je nach Baustoff zwischen 25 und 45 Prozent. Die Statistik Austria bezifferte den Anstieg der Baukosten alleine für den Monat Juli dieses Jahres mit mehr als 13,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Das spüren sowohl die ausführenden Baufirmen aber auch die Bauträger, die Pauschalpreise zugesichert haben. Sie können ihre Verträge weder termin- noch budgetgerecht einhalten. „Die Preise können nicht mehr garantiert werden“, fasst es Sebastian Beiglböck zusammen. Die Bauunternehmen wollen jedoch nicht auf den Mehrkosten sitzen bleiben und versuchen, diese an die Kunden weiterzugeben, etwa über Nachverrechnungsklauseln in den Verträgen.
Aufgrund der Lieferengpässe können die Lieferzeiten bei bestehenden Projekten nicht eingehalten werden, diese sind von wenigen Tagen auf mehrere Wochen gestiegen. Das verlangsamt die Produktionszeiten. Auch die Arbeit auf der Baustelle muss häufig bis zur nächsten Materiallieferung stillstehen. Viele Projektentwicklungen im Wohnungsbau werden so nicht umgesetzt werden können, da die hohen Baukosten nicht mehr über den Verkaufspreis hereingeholt werden können. Somit besteht die Gefahr, dass die Projekte nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll umgesetzt werden können. Entwickler verschieben die Ausschreibungen für mehrjährige Projekte zunehmend, weil manche Unternehmen der Meinung sind, dass es besser sei, heuer nichts mehr auszuschreiben – wenn man es sich leisten kann.
Doch auch private Häuslbauer sind von den Lieferengpässen betroffen. Denn die Baustoffhändler informieren ihre Kunden aktuell über Preisanpassungen, die laufenden Offerte verlieren damit ihre Gültigkeit. Häuslbauer müssen sich künftig auf höhere Preise einstellen, Handwerker und Heimwerker müssen teils wochenlang auf das gewünschte Material warten – oder eben ein alternatives Modell auswählen. Wie lange diese Baustoffkrise anhalten wird? „Momentan erschwert die Panik darüber, dass Lieferungen ‚just in time’ nicht funktionieren, die Situation“, ist Hans Jörg Ulreich überzeugt. „Es wird ein halbes Jahr dauern, bis alle Lager wieder gefüllt sind“, schätzt er die Lage ein. Dann sollte sich der Lieferengpass weitgehend aufgelöst haben und die Preise wieder entspannen. „Die Nachfrage nach Baumaterial wird sich wieder einbremsen“, ist auch Sebastian Beiglböck überzeugt.
Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt
Die Produktion von Wohnraum verteuert sich, das wirkt sich auf die Kaufpreise aus: Bisher waren es vor allem die Grundstückspreise, die den Wohnungsneubau verteuert haben. Nun kommt die Preisrallye bei den Baustoffen hinzu, welche die Produktion von Wohnraum zusätzlich verteuert. Die logische Konsequenz ist, dass neuer Wohnraum teurer wird. Derzeit werden 80 Prozent der Eigentumswohnungen von Investoren gekauft, beziffert der Hans Jörg Ulreich, geschäftsführender Gesellschafter der Ulreich Bauträger GmbH. „Anleger kaufen Wohnungen, um ihr Geld nicht parken zu müssen.“ Das bedeutet aber, dass Eigentumswohnungen für Eigennutzer teurer werden. „Hinzu kommt, dass die Löhne diese Entwicklung nicht mitmachen“, so Sebastian Beiglböck. In Wien werden neue Mietwohnungen hingegen günstiger, sagt Ulreich, da es ein Überangebot am Markt gebe.
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