Wie Covid-19 Designprozesse verändert

Wie Covid-19 Designprozesse verändert
Neue Entwürfe sind immer eine Antwort auf gesellschaftliche Bedürfnisse. Wie Covid-19 die Designindustrie beeinflusst und welche neuen Denkansätze daraus entstehen

Dieses Jahr ist komplett anders verlaufen als erwartet. Pläne mussten genauso wie Flugtickets storniert werden, stattdessen haben die Menschen in Desinfektionsmittel und Masken investiert. Auch der Alltag hat sich verändert: Wer dieser Tage in der U-Bahn steht, überlegt sich zweimal nach der haltgebenden Stange zu greifen, bevor das Gleichgewicht weg ist. Auch die Türklinke im Büro, früher keines Blickes gewürdigt, wird heute kritisch beäugt.

Neue Bedürfnisse, neue Lösungen

Das gibt Erfindern und Entwicklern neuen Raum. Produktdesigner und Möbelhersteller arbeiten bereits an Lösungen für diese neuen Bedürfnisse: Leuchtenhersteller Artemide präsentiert eine neue Bürolampe, deren Licht Bakterien tötet, FSB einen Türgriff, der mit dem Ellbogen geöffnet wird und das Designbüro Layer hat Kinosessel konzipiert, die ein unbeschwertes Filmerlebnis möglich machen.

Wie Covid-19 Designprozesse verändert

Auch altbewährte und vor allem antibakterielle Materialien wie Messing, Kupfer und Kork sind derzeit wieder hoch im Kurs. „Dieser Effekt wird aber nur eine Zwischenstufe sein“, ist Thomas Feichtner, Designer und Institutsleiter für Industriedesign am Joanneum in Graz überzeugt.

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Antibakterielle Materialien wie Kork werden laut Designer Thomas Feichtner kurzfristig verstärkt nachgefragt sein  

Der Grund: Produkte werden in Zukunft generell so gestaltet sein, dass nicht jeder alles angreifen muss. Thomas Feichtner: „Gebäude werden daran gemessen werden, wie oft Körperkontakt durch Türklinken entsteht oder wie schnell der Luftaustausch in Räumen funktioniert.“ Ein völlig neuer Ansatz.

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Regionale und nachhaltige Materialien

Eine prinzipielle Aufwertung der Materialwahl im Sinne nachhaltiger, regionaler Rohstoffe sieht Feichtner aber definitiv. Während hochwertige und teure Stücke meist umweltbewusst gestaltet sind, erleben auch Mainstream-Produkte eine qualitative Aufwertung. Dies bringt regionaler Verarbeitung einen Aufschwung.

Feichtner nennt ein Beispiel: „Zu Beginn der Krise wurden keine Masken in Österreich produziert. Nachdem der Import schwierig war, haben hiesige Hersteller zu nähen begonnen. Das lässt sich auch auf Möbel übersetzen.“

Neue Wertigkeit der Dinge

„Der bisher gekannte Status-Begriff ist obsolet. Dadurch wird das Verhältnis zu den Produkten viel ehrlicher“, sagt Feichtner. Aspekte wie Nutzerfreundlichkeit, innere Intelligenz und eine geringe Anzahl der Dinge sind wichtiger. Auch die nachkommenden Generationen bringen ein anderes Werteverständnis mit. Sie wollen weniger besitzen und mehr erleben. Feichtner: „Reisen und Sport haben einen höheren Stellenwert, als luxuriöse Möbel.“

Auch Hans Stefan Moritsch, Studiengangsleiter für Design, Handwerk und materielle Kultur an der New Design University in St. Pölten sieht die Corona-Zäsur als Motor gesellschaftlicher Veränderungen, die sich im Design widerspiegeln werden. Diese Zeit sei eine Chance, bewusster zu konsumieren und zu hinterfragen, was man wirklich braucht. „Das Umfeld spielt eine größere Rolle und die Menschen denken darüber nach, wie sie es verbessern können.“

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