Interview: Vom Spaßfaktor zur Funktion
KURIER: Sie versuchen, an all Ihre Entwürfe heranzugehen, als wären Sie noch Kinder – warum?
Shay Alkalay: Kinder haben ein natürliches Bedürfnis zu experimentieren. Alles ist neu und sie möchten alles selbst lernen. Diesen Ansatz verfolgen wir auch bei unseren Entwürfen. Wir designen jedes Sofa, jeden Tisch und jedes Kissen so, als würden wir es zum ersten Mal machen. Das ist teilweise frustrierend und schwierig, aber auch aufregend und überraschend.
Waren Sie sich im Arbeitsprozess von Anfang an einig oder mussten Sie erst herausfinden, wie Sie am besten kooperieren?
Shay Alkalay: Ich mag den experimentellen Teil und Yael ist auch sehr entdeckungsfreudig. Wir beginnen immer mit unseren Ideen und Yael bringt viel Input und Inspiration in diesen Prozess. Wir arbeiten dann so lange, bis wir zufrieden sind – oder die Deadline erreicht ist.
Fällt es Ihnen schwer, Entwürfe loszulassen?
Shay Alkalay: Diese Frage sollte Yeal beantworten (lacht).
Yael Mer: Jede Kreation hat unendlich viele Optionen zu entstehen und Teil dieses Entstehungsprozesses ist, Entscheidungen zu treffen. Sie machen das Objekt zu dem, was es ist. Die finale Entscheidung ist die härteste. Denn solange das Produkt im Entstehungsprozess ist, stehen alle Möglichkeiten, an Formen und Farben offen.
Kann ein Entwurf perfekt sein?
Yael Mer: Ob ein Objekt perfekt sein kann, weiß ich nicht, aber ich denke, dass es einen Punkt gibt, an dem das Produkt so gut ist, wie es nur sein kann. Da wollen wir immer hin.
Was bedeutet mehr: positives Feedback oder der Entstehungsprozess?
Yael Mer: Feedback ist wichtig, es treibt uns an. Aber der Prozess, in dem eine Idee geboren wird und wir beginnen Skizzen und Prototypen zu entwerfen, fasziniert uns. Unsere Hoffnung und der Wunsch etwas Neues zu kreieren ist der Grund, dass wir immer wieder von vorne anfangen.
Sie arbeiten gerne mit kräftigen, hellen Farben. Wie verändert sich dadurch das Design?
Yael Mer: Dieser Appetit für Farben hat auch mit unserem kindlichen Zugang zu tun. Es gibt Farbkombinationen, die einem das Gefühl geben, wieder Kind zu sein.
Shay Alkalay: Wenn ich Farbkombinationen sehe, die mir gefallen, spüre ich, wie sich meine Stimmung verändert. Daher ist es oft schwierig für mich, mit Farben zu arbeiten. Vor allem bei großen Objekten muss man sehr behutsam vorgehen. Dafür braucht es viel Erfahrung, Gespür und Sensibilität im Umgang mit Farbe.
Wie kann Design den Menschen helfen gut durch diese Pandemie zu kommen?
Shay Alkalay: Was man in diesen Tagen will, ist glücklich sein. Die Menschen machen sich Sorgen. Design hat die Aufgabe Entwürfe zu kreieren, die helfen zu relaxen und glücklich zu sein.
Und umgekehrt – wird die Pandemie die Designindustrie verändern?
Shay Alkalay: Am Anfang war es angenehm, ohne Stress zu arbeiten, weniger zu reisen und einfach alles über Onlinekonferenzen besprechen. Aber jetzt ist uns langweilig. Wir vermissen die Aufregung, die Menschen zu treffen, die Inspiration und auch die Deadlines. Wir vermissen die Überraschungen des Alltags.
Yael Mer: Der Spaßfaktor ist ein bisschen verloren gegangen. Und den brauchen wir auch in Produkten. Sie sollen funktionieren, aber auch Spaß machen.
Raw Edges wurde von Yael Mer und Shay Alkalay in London gegründet, nachdem sie das Studium am Royal College of Art 2007 abgeschlossen haben. Seither haben die beiden für Hersteller wie Vitra, Louis Vuitton, Stella McCartney, Established & Sons, Moroso, Cappellini, Kvadrat, Mutina und viele mehr gearbeitet. Sie wurden mit Auszeichnungen wie dem Future by Design Miami/ Basel, Elle Deco international Edida Award, Wallpaper Design Award, iF Design Award und mit dem Designers of the Year Award ausgezeichnet.
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