Trendwende am Wohnmarkt: Es wird wieder mehr gemietet
2022 war noch einmal ein sehr gutes Jahr für die österreichische Immobilienwirtschaft: Die Nachfrage nach Wohnraum war groß, die Kaufpreise haben ein weiteres Mal preislich deutlich zugelegt, im Schnitt um 8,2 Prozent. Doch dann kam die Trendwende, denn die Zinsen sind gestiegen – weitere Zinsschritte werden erwartet – und Banken schauen bei der Kreditvergabe stärker auf die Bonität der Kunden: Daraufhin ist die Nachfrage nach Wohnkrediten eingebrochen, viele konnten sich die Finanzierung nicht mehr leisten und haben den Immobilienkauf aufgeschoben.
Es wird wieder mehr gemietet
„Die Folge ist nun, dass Mietwohnungen stärker nachgefragt werden“, sagt Karina Schunker, Geschäftsführerin der EHL Wohnen. Sie rechnet damit, dass die Preise für Eigentum in guten Lagen im ersten Halbjahr 2023 auf hohem Niveau stagnieren werden, „wir erwarten keine Zuwächse.“ Anders könnte das im zweiten Halbjahr aussehen. Aufgrund des knappen Angebots am Markt könnten die Kaufpreise wieder leicht anziehen. Da sich die Nachfrage Richtung Miete verschiebt, sollen die Wohnungsmieten heuer um 6 bis 8,5 Prozent steigen. „Jene Bezirke, wo infrastrukturell viel passiert, entwickeln sich besser“, so Schunker und verweist etwa auf Favoriten und Penzing.
Weniger neue Wohnungen in Bau
Während 2021 noch viele neue Wohnungen errichtet wurden, agieren die Entwickler und Bauträger aktuell verhaltener, der Start neuer Projekte wird verschoben. „Seit dem Jahr 2019 sind die Baubewilligungen stark rückläufig“, betont Schunker. Das Angebot an neu errichteten Wohnungen sinkt daher ab Mitte des Jahres stark. „Nimmt die Neubaulei-stung ab, gewinnt der Gebrauchtmarkt“, erklärt Andreas Wollein, Vorstand des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI). Bestandswohnungen werden daher stärker nachgefragt. Wollein: „Sowohl Nachfrage als auch Preise könnten steigen.“ Während Investoren in den vergangenen Jahren in Bau befindliche Wohnbauten aufgekauft haben, agieren sie aufgrund der geänderten Marktsituation zurückhaltender. Daher verkaufen Entwickler und Bauträger neu errichtete Eigentumswohnungen wieder verstärkt einzeln an Käufer ab. Für Kaufinteressenten, die Eigentumswohnungen zur Eigennutzung suchen, bietet dies Chancen.
Energiekosten sind ein großes Thema
Mit dem Wandel am Markt haben sich auch die Entscheidungskriterien von Wohnungssuchenden geändert. „Früher spielten technische Fragen rund um das Thema Energie nur eine untergeordnete Rolle. Heute sind Energiekosten, welches Heizungssystem verwendet wird und wie ausfallsicher dieses ist, zentrale Themen bei den meisten Vermietungs- und Verkaufsgesprächen“, schilder Karina Schunker. Da in den vergangenen Jahren vor allem kleine Wohnungen errichtet wurden, sind größere Objekte mit drei oder mehr Zimmern Mangelware am Wohnungsmarkt. ÖVI-Bauträgersprecher Klaus Wolfinger rechnet außerdem mit einem Umdenken der Bauträger: „Wurde bis vor Kurzem in Wien in nahezu jeder Lage entwickelt, werden mäßige Lagen mit starkem Verkehr kaum mehr gefragt sein.“
Mieten im Einzelhandel rückläufig
Der Markt für Einzelhandelsflächen wurde 2022 stark durch die veränderte Ausgangslage im Handel geprägt. Doch die Städteurlauber sind zurück, davon profitieren vor allem innerstädtische Lagen. Dennoch ist der Markt unter Druck, die Mieten im Einzelhandel sind rückläufig. „Im Trend sind Flächenoptimierungen“, sagt Alexandra Bauer, Bereichsleiterin Büroimmobilien bei EHL. So wird versucht, die Verkaufsfläche zu reduzieren, auch, indem an einen kleineren Standort übersiedelt wird. Viele Flächen werden umgenutzt, auf der anderen Seite werden nur wenige Retailflächen neu gewidmet. Nach wie vor expandieren Diskonter wie Kik, NKD, TEDI, Action, Takko und Pepco. Aber auch neue Marken eröffnen Standorte in Wien, wie zum Beispiel GiFi (spezialisiert auf Haushalt, Familie) aus Frankreich oder Thomas Philipps (Garten, Haushalt, Haustier) aus Deutschland.
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