Ästhetik statt Kitsch: Imposante Gästehäuser in den Alpen

Ästhetik statt Kitsch: Imposante Gästehäuser in den Alpen
Moderne Unterkünfte in Tirol und Vorarlberg sehen überraschend anders aus: Die regionale Baukultur mischt sich mit innovativen Konzepten – das Ergebnis sind architektonische Meisterwerke.

Ob Weiterentwicklung, Renovierung, Ergänzung oder Neubau – zahlreiche Beispiele aus jüngster Zeit beweisen, dass Tirol und Vorarlberg nicht an traditionellen Klischees kleben, wenn es darum geht, innovative Konzepte für Gästeunterkünfte zu gestalten. Ebenso wenig aber möchte man regionale Baukünste, lokale Materialien und die Reduktion auf das Wesentliche – Natur und Berge – vernachlässigen. Dieser spannende Mix aus Alt und Neu gepaart mit ganz viel Herzblut lohnt nicht nur für architekturbegeisterte Designliebhaber eine Stippvisite.

VA House

Sebastian David Büscher vermietet gemeinsam mit seiner Frau Claudia das unlängst eröffnete VA House (Foto oben) in Weiler in Vorarlberg: „Gute Architektur ist ein Teil der DNA der Region – hier wird sie als natürlich und selbstverständlich angenommen und umgesetzt.“ Das Gespür für Material und Form an jeder Ecke hat den norddeutschen Architekten und Designer so sehr begeistert, dass er vor Ort sein eigenes Refugium von der Architektur bis hin zur Ausstattung entworfen und umgesetzt hat. 

Das Konzept setzt auf eine Verbindung alpiner Bauformen mit einer zeitgemäßen Designsprache. Zwei Materialien bestimmen dabei den Innenraum – Weißtanne, naturbelassen und schwarz gebeizt, sowie Beton als moderne Interpretation von Fels und Stein: „Die Form des A-Frame-House spiegelt ebenso wie die geknickten und gefalteten Flächen die Felsformationen der Berge wider.“ Der archaisch anmutende Neubau soll bei Büschers Gästen ein Gefühl der Entspannung und Geborgenheit hervorrufen, aber auch die Verschmelzung von Architektur und Landschaft symbolisieren.

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Das VA House soll bei den Gästen ein Gefühl der Wärme und 
Geborgenheit wecken

Der Hirschen

„Die wertvolle Substanz des Hirschen haben wir mit Fingerspitzengefühl erhalten“, sagt Peter Fetz. Gemeinsam mit seiner Schwester Pia Fetz und der Direktorin Elisabeth Seppeler führt der Hotelier das renommierte Haus in Schwarzenberg. Dabei geht es dem Team auch darum, das Traditionsgasthaus aus dem Jahr 1755 mit viel Gespür für die Region bis ins Heute und Morgen zu tragen: „Wo wir erneuert haben, haben wir nie so getan, als wäre etwas alt. Der Bregenzerwald ist gesegnet mit unglaublich guten Handwerkern, Architekten und Planern. Dem geben wir gerne eine Bühne.“ Kein Kitsch. Keine Imitate. Langlebige Ästhetik und die Summe aller Teile, lautet das Credo von Fetz und seinem Team.

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Mit dem neuen Badehaus wurde der historische Gasthof „Der Hirschen“ in Schwarzenberg gelungen ergänzt

Jüngstes Zeugnis dieser Philosophie sind die stilvollen Hirschen Homes im Wälderhaus und das ikonische Badehaus, beide 2024 eröffnet. Der Entwurf von Nona Architektinnen will Wasser, Natur, Handwerk, Kunst und Genuss vereinen. Viel Holz, hochwertige Textilien und der Blick in die vom holländischen Star-Gärtner Piet Oudolf inspirierte Gartenanlage tragen dafür Sorge, dass die Gäste abschalten können.

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Viel Holz sorgt für Behaglichkeit

Der LERMOOSER

Wie sich alte Substanzen noch neu beleben lassen, zeigt auch das Beispiel des LERMOOSERS. 2019 von Johann Ehmann und Cleo Weber von München ersteigert, ist die ehemalige Bahnhofsstation des Tiroler Ortes Lermoos seit Mai dieses Jahres ein liebevoll gestaltetes Bed & Breakfast mit smarten Raumkonzepten und einer Gemeinschaftsküche als Treffpunkt für alle. 

Wer dem Zeitgeist entsprechend mit der Bahn anreist, fällt hier aus dem Zugsessel wortwörtlich in die bequemen Betten des acht Zimmer umfassenden Hauses. Da sich das umfunktionierte Bahnhofshäuschen glücklicherweise an keiner hochfrequentierten Schnelltrasse befindet, bezaubern die seltenen Zugkontakte sogar mit einem gewissen romantischen Charme.

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Für den LERMOOSER wurde ein altes Bahnhofshaus  in eine zeitgemäße Unterkunft transformiert 
 

„Schlicht, hell und warm“ sollten die von Studio Diaz und Studio Weitz gestalteten Räumlichkeiten laut Ehmann wirken. Das Konzept scheint rundum gelungen: Das natürliche Holz, die gedeckten Töne der Textilien und vom skandinavischen Stil inspiriertes Mobiliar wecken Anklänge an den hohen Norden. Verspielte Akzente wie bunte Webteppiche, Felle oder regional inspirierte Kunstdrucke schlagen den Bogen zur alpinen Bergwelt.

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Frühstücken im Wartesaal

Haus Aerli

Seit der Eröffnung im Sommer 2023 steht das kleine Tiroler Örtchen Ehrwald plötzlich auf der Bucket List so mancher architekturvernarrter Bergfexe. Kein Altholz, kein Kuhfell, kein Hirschgeweih. Stattdessen erwarten die Gäste in dem von Sarah und Emily Schwarz geführten Haus Aerli mit nur zehn Betten ein harmonischer Mix aus Lärche, Weißtanne und Naturstein, viel Raum, Luft und dezente Akzente. „Die Natur ist überall präsent – vom Schwimmteich über die Tapete bis zu den großen Fensterflächen“, erzählen die Schwestern. 

Angelehnt an die Zen-Philosophie steht das Haus Aerli für zeitlose Architektur, klare Linien und heimisches Handwerk. „Die Menschen sind heute einer konstanten Reizüberflutung ausgesetzt“, erklärt Emily Schwarz den bewussten Verzicht auf üppige Deko und TV-Geräte in den Zimmern. „Unser Ziel war es, einen Ruhepol zu schaffen, an dem wir selbst gerne Urlaub machen würden.“ 

Das Entwurfskonzept basiert in typologischer Hinsicht auf der Neuinterpretation eines Heustadels als Wohn- und Apartmenthaus, das zum Zusammenkommen einlädt und gleichzeitig individuelle Rückzugsorte ermöglicht und die Natur ins Haus holt. „Wir haben das Haus nicht einfach nur gebaut, wir haben uns viel angeschaut, getestet und lange getüftelt“, erklären die Schwestern den Entstehungsprozess.

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Ein möglichst natürlicher Einsatz des Materials Holz lag den Gastgeberinnen des Haus Aerli am Herzen

AuraKarwendel

„A good place to be“ nennt Thomas Prantl sein 2023 eröffnetes AuraKarwendel. Der Tiroler ist mittlerweile in der Welt zuhause. Als er aber vom Großonkel ein Haus in Scharnitz erbte, das mit vielen Kindheitserinnerungen verknüpft war, stand für den designaffinen Unternehmer schnell fest: „Ich möchte einen Rückzugsort schaffen, der zugleich ein Platz des guten Geschmacks und ein Ort der Begegnung ist.“ Das Konzept: den glamourösen Stil der 1960er-Jahre mit einem schlichten Neubau in Holzbauweise kombinieren.

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Von der Fassade bis zu den Möbeln: Das Thema Alt und Neu zieht sich durch im AuraKarwendel 

Was Architektur und Interieur anbelangt, ist das Chalet21 laut Prantl als Zitat und Neuinterpretation des Bestehenden zu verstehen: „Ich habe in der Gestaltung mit vielen Kreativen zusammengearbeitet, um eine einzigartige Aura zu kreieren.“ Den speziellen eklektischen Stil des Hauses prägen dementsprechend die original erhaltenen und restaurierten Möbelstücke aus den 1960er-Jahren in Kombination mit ausgesuchten Vintage-Möbeln und Designerstücken, die um in Zusammenarbeit mit Designern wie Mark Braun eigens kreierte Kollektionen ergänzt werden.

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