Wie EU und USA den ersten Gang raus aus dem Handelskrieg einlegen
Der erste Schritt, einen Krieg zu beenden, führt meist über einen Waffenstillstand. Das ist auch bei Handelskriegen nicht anders – und so legte am Montag die EU-Kommission in Brüssel ihr Angebot des guten Willens im Handelskonflikt mit den USA vor:
Statt wie angedroht ihre Vergeltungszölle für bestimmte Importe aus den USA per 1. Juni zu verdoppeln, wird Brüssel darauf verzichten.
Washington offeriert im Gegenzug: gemeinsame Verhandlungen mit der EU, wie die globalen Überkapazitäten bei Stahl und Aluminium reduziert werden können.
Von diesen Gesprächen, die noch heuer ein gutes Ende finden sollen, erhofft sich Brüssel den lang erwarteten Befreiungsschlag: Das Aus für die von Ex-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle auf europäische Stahl- und Aluminiumimporte. Vor drei Jahren hatte er die EU-Stahleinfuhren mit einem Strafzoll von 25 Prozent, jene von Aluminium mit 10 Prozent belegt.
Erleichterung
Ein Stoßseufzer der Erleichterung kam gestern sogleich von Amerikas Whisky-Produzenten. Deren Exporte nach Europa waren nämlich um 40 Prozent gesunken, seit Trump zugeschlagen und Europa daraufhin mit Gegenmaßnahmen geantwortet hatte:
Die EU belegte Bourbon, Jeans, Orangensaft, aber auch die Motorräder von Harley Davidson mit Strafzöllen. Im Juni wären diese Zölle dann nochmals auf über 50 Prozent hinaufgeschnalzt.
Schon der zweite Schritt
Dieser Verzicht auf eine weitere Eskalation im amerikanisch-europäischen Handelskrieg stimmt Markus Beyrer optimistisch. Der Generaldirektor des EU-Industrieverbandes BussinessEurope sieht darin auch gar nicht den ersten, sondern bereits den „zweiten Schritt“ hinaus aus dem Konflikt.
„Der erste Schritt war bereits das Moratorium für die Strafzölle beim Streit um Flugzeugsubventionen für Airbus und Boeing“, schildert Beyrer dem KURIER. Im März haben sich EU und USA darauf verständigt, binnen vier Monaten eine Lösung auszuhandeln. Dann sollen diese gegenseitigen Zölle endgültig fallen.
Stimmungswechsel
Gleichzeitig aber blieben die Stahl- und Aluminiumzölle in Kraft. Die Hoffnung, dass Präsident Joe Biden die von Trump verhängten Strafsanktionen sofort kippen würde, erfüllte sich für die Europäer noch nicht. Doch Markus Beyrer nimmt einen deutlichen Stimmungswechsel in Washington wahr: „Man kann sich wieder hinsetzen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Das hat eine neue Qualität, dass man wieder ganz offen Probleme ansprechen kann.“
Wobei der Chef des Industrie-Lobbyverbandes fordert: „Die Zölle müssen fallen. Es war ja immer ein schlechter Scherz, dass man Europa mit Spezialzöllen belegt, weil wir angeblich damit die nationale Sicherheit der USA bedrohen.“ Das wahre Problem liege ja, so Beyrer, in der Überkapazität, die aus Drittstaaten komme – im Speziellen aus China.
Handel trotz Corona
Mit Waren im Wert von 2.132 Milliarden Euro war die EU im Vorjahr trotz Corona-Einschränkungen nach China (2.233 Mrd. Euro) der zweitgrößte Exporteur der Welt. Die USA an dritter Stelle: 1.468 Mrd. Euro
150Milliarden Euro
betrug im Vorjahr das Handelsdefizit der USA gegenüber der EU. Die von Ex-US-Präsident Trump verhängten Zölle haben also das Minus gegenüber Europa praktisch nicht verringert
Das Reich der Mitte produziert 53 Prozent des weltweiten Stahls, die EU kommt auf 16, die USA auf 4,7 Prozent. Dank staatlicher Subventionen konnte China konkurrenzlos billig produzieren und flutete den amerikanischen Stahlmarkt. Bis Trump die Bremse zog, aber damit auch gleich die meisten anderen Stahlproduzenten mit Strafzöllen belegte. Den jährlichen Schaden, den die EU-Stahl- und Aluminiumexporteure dadurch erlitten, beziffert Brüssel mit rund 6,4 Milliarden Euro.
„Wirksame Zölle“
In Washington sieht man das auch in der Biden-Administration noch immer mit anderen Augen. „Die Zahlen zeigen uns, dass die Zölle wirksam waren“, sagte US-Handelsministerin Gina Raimondo: Die US-Stahlindustrie habe wieder investiert, Tausende Jobs konnten gerettet werden und die Verbraucherpreise seien auch nicht gestiegen.
Allmählich aber machen sich nun wegen der Corona-Krise Kapazitätsengpässe sichtbar: Für eine Tonne Stahl war in den USA mit 1.500 Dollar vor Kurzem der fast dreifache Preis wie 2018 zu berappen.
Vor dem ersten Europa-Besuch von US-Präsident Joe Biden in knapp einem Monat machen nun alle Seiten guten Wind. Wobei sich die gemeinsame Windkraft klar gegen Peking richtet. Man wolle „Länder wie China, die eine handelsverzerrende Politik unterstützen, zur Rechenschaft ziehen“, hieß es gestern einem gemeinsamen Statement von EU und USA.
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