„Hypo hatte bei neuer BayernLB-Führung keine Zukunft“

Tilo Berlin
Ex-Hypo-Chef Tilo Berlin musste am Dienstag als Zeuge am Handelgericht aussagen.

Der Zivilprozess der Bayerischen Landesbank (BayernLB) gegen die Hypo-Mitarbeiter Privatstiftung (MAPS) am Dienstag im Wiener Handelsgericht wurde mit Spannung erwartet. Denn: Als Zeuge war der frühere Hypo-Vorstand Tilo Berlin, der Einfädler des Verkaufs der Kärntner Hypo Alpe Adria Bank an Bayerische Landesbank (2007), geladen. Doch bevor Berlin im Gerichtssaal 708 im Wiener Justizzentrum Marxergasse überhaupt auftrat, kam das Gericht seinem Sonderwunsch nach: Tilo Berlin durfte weder fotografiert noch gefilmt werden.

Vor Richterin Charlotte Schillhammer trat dann ein Sonnyboy des Jahrgangs 1958 auf. Er plauderte über seinen Job, die Verwaltung großer Familienvermögen und die Beteiligung an Unternehmen samt gewinnträchtiger Exit-Strategie. Berlin erklärte auch, dass seine betuchten Kunden damals Investments suchten, die höhere Renditen als „normal“ abwarfen.

Kärnten statt China

Für diese Investoren, die eigentlich nach China schielten, war die Beteiligung an der Hypo aufgrund der Wachstumschancen in Südosteuropa attraktiv, sagte Vermögensverwalter. Die Hypo Alpe Adria Bank hatte eigentlich einen Börsengang geplant, was nach Bekanntwerden der Swap-Verluste aber nicht mehr möglich war. Im Herbst 2006 wurde ein Bieterverfahren ausgeschrieben, um die Kapitalerhöhung bei der Hypo sicherzustellen. Da kam Berlin ins Spiel. „Da kam uns der Gedanke, dass eine Beteiligung, die mit einem Börsengang zu Ende gebracht wird, interessant ist“, sagte der Wahlkärntner. „Denn die Kunden wollen wissen, wie lange ihr Geld gebunden ist.“ Die ursprünglichen Projektunterlagen zum IPO der Hypo waren offenbar Basis für den Einstieg von Berlin & Co bei den Kärntnern.

Bayern drängen

Berlin sammelte bei seinen Kunden Kapital ein. Etwa 650 Millionen Euro in drei Tranchen – für schlussendlich 25 Prozent der Anteile an der Hypo Alpe Adria Bank.

Im Dezember 2006 kam die BayernLB ins Spiel. Sie war bei der Übernahme der Bawag gegen Cerberus unterlegen und interessierte sie sich nun für die Hypo. „Die Bayern wollten eine Südosteuropa-Strategie umsetzen, sie wollten ins direkte Kundengeschäft einsteigen, aber eine andere Bank als die Hypo Alpe Adria war in dieser Preisklasse damals nicht verfügbar“, sagte Berlin. „Die BayernLB wollte die Mehrheit an der Hypo und hat unsere eigentlichen Pläne konterkariert.“ Und: BayernLB-Chef Werner Schmidt soll ganz ordentlich zu dem Deal gedrängt haben. Die BayernLB wollte aber keine Minderheitsbeteiligung, sondern die bestimmende Mehrheit.

Als sich die Absicht einer Beteiligung der BayernLB an der Hypo verdichtete, behauptete Berlin, war eine der Voraussetzungen, dass er, Berlin, Vorstandchef der Hypo werde – als Vertrauensbeweis für die Bank. Denn: „Für die BayernLB war ich eine in Deutschland bekannte Größe mit Verbindungen nach Österreich“, so die Selbstdarstellung vor Gericht. Schmidt und Berlin kannten sich aus der gemeinsamen Zeit bei einer anderen deutschen Landesbank.

Detail am Rande: Der Verkauf des 25-Prozent-Anteils der Berlin-Investoren an der Hypo warf 182 Millionen Euro „Übererlös“ ab.

Starke Unterkapitalisierung

„Wir wussten, dass die Hypo ganz generell ein Problem mit der Unterkapitalisierung hatte und man das Kapital mit Kunstformen des Eigenkapitals aufgebessert hat“, schilderte Berlin, der von Juni 2007 bis April 2009 Vorstand der Hypo war. Mit der Wirtschaftskrise 2008 starteten dann die Problem mit den Bayern. „Die BayernLB genehmigte die Refinanzierungsmittel nicht mehr. Sie hatte selbst größte Probleme und konnte die Hypo nicht mehr mit der nötigen Liquidität ausstatten“, erinnert sich der Ex-Banker. Dann wurde PwC als zusätzlicher Hypo-Prüfer an Bord geholt und die BayernLB bekam eine neue Führung.

Atmosphärische Störung

„Bei der neuen Führung hatte die Hypo keine Zukunft, das war atmosphärisch zu spüren. Es gab keine Liebe mehr für die Bank und die Mitarbeiter“, schildert Berlin die damalige Situation. „Den großen Stimmungswechsel gab es zum Jahreswechsel 2008/09.“

Das Projekt „HypoFit 2013“ wurde aufgesetzt. Ziel war die Redimensionierung der Hypo. „Bei näherem Hinsehen bedeutete das einen dramatischer Abbau des Geschäftsvolumens, eine kaum zu bewältigende Kostensenkung und den Abbau von 2500 Mitarbeitern“, sagte Berlin aus. „Ich war gezwungen an dem Projekt mitzuarbeiten.“ Aber über dieses Projekt habe er sich mit dem neuen BayernLB-Vorstand Michael Kemmer entzweit. Berlin will Kemmer einen Gegenvorschlag mit dem Titel „Strategie des angepassten Wachstums“ unterbreitet haben. „Ich hatte mit Kemmer in München darüber gesprochen, das war der Anfang vom Ende“, erzählte der Ex-Hypo-Vorstand vor Gericht.

Kern des Prozesses

Indes fühlen sich die Bayern von den damaligen Verkäufern über den Tisch gezogen. Der Prozess gegen die Hypo-Mitarbeiter Privatstiftung MAPS ist aber nur ein Probelauf für einen etwaigen großen Schadenersatzprozess gegen die frühen Eigentümer, darunter das Land Kärnten. Im Fall MAPS geht es „nur“ um rund 10 Millionen Euro, insgesamt beziffern die Bayern ihren Hypo-Schaden mit 3,7 Milliarden Euro.

Die Bayern wollen im aktuellen Prozess gegen die Hypo-Mitarbeiter Privatstsiftung MAPS nachweisen, dass sie u.a. beim Kauf der fast 15.000 Hypo-Aktien der MAPS getäuscht wurden, weil man ihnen Rückkaufsverpflichtungen (Nebenabreden), die mit ausgesuchten Vorzugsaktionären heimlich abgeschlossen worden waren, unterschlagen hatte. Die Vorzugsaktien wurden – entgegen den Bilanzierungsvorschriften - als normales Eigenkapital verbucht.

„Zu den prozessrelevanten Themen Vorzugsaktien und damit verbundenen Nebenabsprachen entschlug sich Berlin bisher einer Aussage und verwies auf seine Aussagen vor der Staatsanwaltschaft Klagenfurt“, notierte der Prozessbeobachter der Austria Presseagentur.

Zwischendurch wurde doch die eine oder andere Teilfrage freundlich und unter Anleitung der Richterin beantwortet. „Als das Thema Nebenabreden hochkam, habe ich alle Beteiligten gebeten, diesen Vorgang vollständig zu recherchieren“, sagte Ex-Hypo-Chef Berlin vor Gericht. Der Rechtsabteilung habe er aufgetragen, auch die strafrechtliche Seite prüfen. Über das Ergebnis wollte Berlin aber keine Auskunft geben.

Zu internen Aktenvermerken, in denen bereits die mögliche Bilanzfälschung thematisiert wurde, wollte er unter Bezug auf sein Entschlagungsrecht auch nichts sagen. Nur zu einer verfänglichen Tagebuchnotiz von Ex-Hypo-Vorstand Josef Kircher sagte er, diese sei falsch. Kircher hatte nach einem Gespräch mit Berlin notiert, dass dieser „mit der Vorzugsaktien-Sache nichts zu tun haben wolle“ und man die Sache den Bayern eigentlich mitteilen hätte sollen.

Nächste Woche kann Berlin mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Dann sitzt er in der Sache Vorzugsaktien mit seinen früheren Kollegen Wolfgang Kulterer, Josef Kircher und Siegfried Grigg auf der Anklagebank des Landesgerichts Klagenfurt. Die Vorwürfe werden bestritten.

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