Dieses Urteil könnte weitreichende Folgen für den weltweiten Ölsektor haben: Ein Bezirksgericht in Den Haag hat am Mittwoch den Erdölkonzern Shell dazu verurteilt, seinen Treibhausgasausstoß bis 2030 um fast die Hälfte zu verringern. Der Konzern müsse zur Reduzierung der globalen Erwärmung beitragen, sagte der Richter.
Geklagt haben Europas größten Ölkonzern die Umweltschutz-Organisation „Milieudefensie“ sowie andere niederländische NGOs, an die 17.000 Privatpersonen haben sich angeschlossen. Ihr Ziel war es, Shell zu einer radikalen Änderung der Firmenpolitik zu zwingen.
Das Besondere an diesem Urteil: Nicht Kompensation für erlittene Schäden sollte erstritten, sondern künftige Schäden verhindert werden.
Ihre Forderung: Der Konzern müsse alle Emissionen, die Kunden mit dem Verbrennen von Gas und Öl ausstoßen, bis 2030 um 45 Prozent reduzieren. „Shell muss jetzt sofort etwas tun“, hatte der in prominente Anwalt der Klimaschützer, Roger Cox, vor Gericht verlangt, „Es kommt kein besserer Moment mehr.“
Für den Ölkonzern ist das Urteil ein extremer Schritt. Das britisch-niederländische Unternehmen mit weitweit rund 83.000 Mitarbeitern erwirtschaftet fast seinen gesamten Umsatz (345 Milliarden Dollar 2019; Vorjahr: 189,5 Mrd. Dollar) noch mit fossilen Brennstoffen. Zwar verspricht der Konzern, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden.
Abermillionen Bäume
Um das auch dann noch ausgestoßene zu binden, will der Konzern Bäume pflanzen. Dafür aber wäre eine Fläche von 12 Millionen Hektar Land nötig, hat die niederländische NGO ActionAid errechnet – das entspräche der Fläche von drei Mal der Größe der Niederlande.
Dass dieses historische Urteil in den Niederlanden fiel, überrascht nicht: Hier hat Ende 2019 der Oberste Gerichtshof in einem anderen Fall schon einmal Klimaschützern Recht gegeben. Diese hatten die niederländische Regierung wegen – gemessen an den Paris-Vorgaben – zu schwacher -Zielen verklagt. Das Gericht verpflichtete die Regierung, deutlich mehr zur Senkung der Emissionen zu tun.
Welle an Klimaklagen
Weltweit gewinnt das Vorhaben, den Kampf gegen den Klimawandel auch vor Gericht zu führen, immer mehr an Schwung. Weit über 1.600 Klagen sind derzeit anhängig, 40 allein davon gegen Energiekonzerne.
Unter Druck aber kommen die internationalen Ölgiganten aber auch immer mehr durch Investoren. Erst in der Vorwoche hatte die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris für Aufregung gesorgt. Dort forderten Experten einen Investitionsstopp für neue Gas- und Ölprojekte. Anders könne das Ziel des Pariser Klimaabkommens, den Anstieg der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, nicht erreicht werden.
In der Praxis bekam diesen neuen Wind am Mittwoch gleich der US-Ölgigant Exxon Mobile bei seiner Aktionärsversammlung zu spüren. Dort verlangten einflussreiche Geldgeber die Wende hin zu erneuerbaren Energien. Ihr Interesse gilt weniger dem Klimaschutz als dem Geldverdienen. Nur so, meinen die Investoren, bleibe der Energiekonzern langfristig profitabel.
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