Arbeitgeber vor Herbstlohnrunde: "Vielleicht muss es einmal krachen"
Arbeitgeber-Verhandler Stefan Ehrlich-Adám schildert zum Start der Herbstlohnrunde den "giftigen Cocktail" aus Industrie-Rezession und Rekordinflation.
Die Gewerkschaft ist mit einer Forderung von 11,6 Prozent in die Herbstlohnrunde gestartet. Die Logik dahinter: Aus Gewerkschaftssicht muss der Abschluss heuer auf jeden Fall zweistellig ausfallen und über die Inflationsrate hinaus auch einen Anteil am Produktivitätsgewinn enthalten. Außerdem fordert sie aus der Verhandlungslogik heraus immer zu Beginn ein wenig mehr, um sich nach mehreren Runden mit der Arbeitgebern in der Mitte zu treffen.
Am Montagwurde die Forderung der Arbeitnehmer publik. Einen Abschluss unter der Inflationsrate von 9,6 Prozent (für die zurückliegenden zwölf Monate) hatte Arbeitnehmer-Chefverhandler Reinhold Binder von der Gewerkschaft Pro-Ge am Samstag im KURIER erneut ausgeschlossen.
Das musste er, weil die Zurufe nach einem maßvollen Abschluss angesichts der schwierigen Lage in der Industrie zuletzt lauter wurden. Die Arbeitgeber um Johannes Collini und Stefan Ehrlich-Adám (siehe foIgendes Interview) würden wohl am liebsten eine Null-Lohnrunde durchsetzen und die Anti-Teuerungsmaßnahmen der Regierung miteinrechnen.
Der Chef des Wiener Schlüsselspezialisten EVVA und Arbeitger-Verhandler, Stefan Ehrlich-Adám, kennt die Streikdrohungen und weiß um die ideologische Positionierung der Gewerkschaft. Er erwartet einen "heißen Herbst", dennoch müsse es gelingen mit der Gewerkschaft zu einem guten Abschluss zu kommen, der den Standort nicht gefährde.
KURIER: Zur Klimapolitik haben Sie einmal gesagt, es fehle der Mut zu unpopulären Maßnahmen. Was wäre bei der Metaller-Lohnrunde eine unpopuläre Maßnahme?
Ehrlich-Adám: Es geht jetzt nicht darum, populär oder unpopulär zu sein. Die Situation ist heuer eine ganz spezielle, weil wir mit Rahmenbedingungen konfrontiert sind, die wir so noch nie gehabt haben. All das, was in der Vergangenheit herangezogen wurde, um sozialpartnerschaftlich zu einem guten Abschluss zu kommen, kann man wahrscheinlich heuer nicht verwenden. Wir müssen gemeinsam eine kreative Lösung finden, die für beide Seiten tragbar und für den Standort Österreich nicht gefährdend ist.
Umgekehrt gefragt: Warum nicht einmal so richtig populär agieren, also zehn Prozent auf Löhne und Gehälter drauf plus eine Arbeitszeitverkürzung vereinbaren ...
Das sind die beiden Elemente, die den Wirtschaftsstandort Österreich deutlich, vielleicht in drastischer Weise gefährden würden. Es ist kein Geheimnis, dass die Lohnstückkosten in Österreich im Vergleich zu unseren Wettbewerbern bereits sehr hoch sind. Wir als metalltechnische Industrie exportieren 80 Prozent unserer Produkte. Das Preisniveau dieser Produkte muss für einen Abnehmer im Ausland akzeptabel bleiben. Ein weiterer hoher Lohnabschluss, wie er derzeit vielleicht populär erscheinen mag, wäre für den Wirtschaftsstandort einfach Gift. Wir müssen wettbewerbsfähig bleiben. Das ist es, was auf dem Verhandlungstisch liegen wird.
Zwingt der Fachkräftemangel nicht zu hohen Löhnen, bei denen man heuer auch kräftig drauf legen muss?
Da muss ich Ihnen die Gegenfrage stellen: Was haben wir von einer hohen Erhöhung schon hoher Löhne, wenn danach unsere Produkte nicht mehr verkauft werden und Arbeitsplätze verschwinden? Davon hat niemand etwas. Und die Arbeitszeitverkürzung, die Sie angeschnitten haben: Von 40 auf 32 Stunden zu gehen, hieße eine 20-prozentige Verteuerung der Arbeitskraft und der Produkte. Das kann sich nicht ausgehen.
Was würde ein Abschluss von zehn Prozent, wie er als Untergrenze im Raum steht, bei Ihnen im Betrieb kosten?
Alles zusammen, man darf ja die sehr hohen Lohnnebenkosten in Österreich nicht vergessen, bedeuten zehn Prozent Lohnerhöhung bei uns Zusatzkosten in der Größenordnung vier bis viereinhalb Millionen Euro. Zuzüglich zu sehr hohen Energiekosten, zuzüglich zu sehr teuren Vorprodukten und Rohstoffen. In Summe ist das ein giftiger Cocktail.
Es gab diverse Zurufe, wie das zu lösen sei: Für zwei Jahre abschließen, mehr auf Einmalzahlungen setzen, mehr an anderen Ländern oder den Wirtschaftsprognosen orientieren. Was gefällt Ihnen da am besten?
Wir haben schon im Vorjahr auf Einmalzahlungen gesetzt, die Gewerkschaft hat das abgelehnt, das sei nicht nachhaltig. Die Bundesregierung hat mit dem Aus der kalten Progression und anderen Maßnahmen mitgeholfen, einen guten Teil der Reallohnverluste durch die Inflation auszugleichen. Die Gewerkschaft will das nicht einrechnen, sie hat die Hand des Staates bisher ausgeschlagen. Da ist viel Ideologie im Spiel. Man darf auch nicht vergessen: Mit Reinhold Binder haben wir einen neuen Chefverhandler auf Gewerkschaftsseite, der sich beweisen muss. Und an der Spitze der SPÖ haben wir einen neuen Parteichef, der im kommenden Jahr eine Wahl zu schlagen hat.
Aber was befürchten Sie konkret? Abwanderung von Betrieben, mehr Pleiten, eine geringere Wettbewerbsfähigkeit? Heißt es das nicht jedes Jahr?
Ich wiederhole mich: Wir müssen als Gesellschaft zusammenhalten, um den Standort hoch zu halten. Niemand hat etwas davon, wenn Arbeitsplätze abgebaut werden, weil der Standort einfach zu teuer ist. Wir als Unternehmen nicht, und auch die Gewerkschaft nicht - manchmal hat man den Eindruck, dass eine Arbeitsplatzgefährdung die Gewerkschaft nicht tangiert.
Was erwarten Sie, wie heiß wird der Verhandlungsherbst tatsächlich?
Es wird ein heißer Herbst, keine Frage. Die Gewerkschaft hat sich eindeutig positioniert und tut sich schwer zurück zu rudern. Warnstreikdrohungen gab es jedes Jahr, aber vielleicht muss es auch einmal krachen. Gleichzeitig ist es absurd, dass wir immer als Vorreiter für ganz Österreich hingestellt werden. Im Vorjahr gab es Sektoren, die überproportional gut abgeschnitten haben, denken sie an die Energiewirtschaft, die Landwirtschaft oder die Banken. Und es gab Sektoren wie die Industrie, die einigermaßen schlecht abgeschnitten haben. Wir haben nur das zu verteilen, was wir auch erwirtschaftet haben.
Das klingt nach sehr wenig ...
Frühere Produktivitätsgewinne muss man heute mit der Lupe suchen. Denken Sie an die Ölkrise Anfang der 70er-Jahre, als es zur großen Arbeitszeitverkürzung kam. Da haben wir enorme Produktivitätsfortschritte gemacht und konnten uns die höheren Abschlüsse leisten. Das gibt es heute nicht mehr. Ein Drittel der Betriebe wird heuer ein negatives Betriebsergebnis schreiben, einzelne Betriebe sprechen von einem Auftragsrückgang um 50 Prozent. De facto kommen wir in eine Rezession hinein – und das bei einer Rekordinflation.
Wenn tatsächlich gestreikt wird, zahlt die Gewerkschaft den Lohn für ihre Mitglieder aus ihrer Streikkassa. Ein Zyniker könnte nun sagen, da ersparen sich die Betriebe ja etwas.
Ein Zyniker könnte das sagen, auch wenn sich der ÖGB einen langen Streik gar nicht leisten könnte. Aber ich als Nicht-Zyniker hab nichts von einem Streik. Unsere Produktion muss weiter laufen, unsere Produkte müssen an unsere Partner und Kunden gebracht werden.
Wenn wir davon ausgehen, dass die Inflation gekommen ist, um zu bleiben: Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie mit der Regierung, die eine höhere Inflation in Österreich als in anderen Ländern mit zu verantworten hat? Schließlich müssen die Sozialpartner jetzt die Suppe auslöffeln …
Die Bundesregierung hätte vielleicht im Nachhinein betrachtet, da und dort mehr machen müssen. Ich zitiere aber unseren Sprecher Christian Knill: Wir sind als Unternehmer nicht dazu da, die Kaufkraft zu erhalten. Das ist Sache der Politik und der EZB. Das will man nicht hören, aber betriebswirtschaftlich gesprochen ist es so. Weil wir wollen auch morgen noch in Österreich produzieren. Viele Betriebe wollen gar nicht ins Ausland abwandern. Wenn es hier nicht mehr geht, sperren sie lieber zu.
(kurier.at, miba)
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Aktualisiert am 26.09.2023, 17:13
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