Handelskrieg: „Trump ist kein Spinner, bricht aber alle Tabus“

Handelskrieg: „Trump ist kein Spinner, bricht aber alle Tabus“
Ökonom Gabriel Felbermayr sieht Chance auf WTO-Reform. Die US-Strafzölle seien allerdings "schon ein gefährliches Spiel".

US-Präsident Donald Trump ist nicht der „irrationale Zerstörer des internationalen Handelssystems“, als der er häufig hingestellt wird. „Da würde ich widersprechen“, sagte Handelsexperte Gabriel Felbermayr am Dienstagabend bei einem Vortrag bei Agenda Austria. Der Oberösterreicher ist Abteilungsleiter am Ifo in München und wurde kürzlich als Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) bestellt.

Trump ist mir zwar nicht gerade sympathisch. Meine Töchter würde ich nicht zu ihm schicken“, so Felbermayr. Allerdings mache er strategisch vieles richtig: Trump bricht zwar alle Tabus, aber nur so könne er das Drohpotenzial aufbauen, um eine WTO-Reform zu erzwingen oder China zu fairem Handel zu bewegen. Und dass bei der Welthandelsorganisation vieles im Argen liege sei unbestritten: Die  Organisation mit 164 Mitgliedsstaaten, von denen jedes Vetorechte hat, sei „groß, komplex und müde“ geworden.

„USA wird ausgeraubt“

Wo Trump jedoch falsch liegt, ist mit seiner Behauptung, die Ausländer würden durch ihre Handelspolitik die USA ausbluten –  oder wie Trump formulierte: „Wir sind wie das Sparschwein, das jeder ausraubt.“ Das stimmt gleich mehrfach nicht.

Erstens sei ein Handelsdefizit (weniger US-Exporte als Importe) etwas ganz anderes als der Verlust in einem Unternehmen. Zum zweiten sind die Güterhandelsdefizite der USA mit aktuell 4 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) im historischen Vergleich gar „nicht so dramatisch“: Es waren auch schon 6 Prozent. Drittens erwirtschaften die USA gegenüber der EU sogar einen Überschuss von 14 Mrd. Dollar, wenn man zum Minus bei den Gütern den Überschuss aus den Dienstleistungen und den aus Steuergründen durch Irland, Niederlande und Luxemburg geschleusten Gewinnen dazurechnet.

Und viertens ist das „Ausrauben der USA“ ganz einfach widerlegt – die Amerikaner sind mit einer Wirtschaftsleistung von 59.500 Dollar pro Kopf (in Kaufkraftparitäten) nämlich die mit Abstand reichste Nation, weit vor Deutschland (50.700) oder China (16.800).

Das eigentliche Problem der USA sei, dass die Einkommen sehr ungleich unter der Bevölkerung verteilt sind, sagte Felbermayr: „Aber dazu hat Trump noch keinen Tweet geschrieben.“ So hätte das Hundertstel (1%) der reichsten US-Amerikaner ihren Anteil an den Vorsteuereinkommen seit 1962 auf 20 Prozent verdoppelt. Jener der ärmeren Bevölkerungshälfte (50%) hat sich auf 10 Prozent halbiert.

Auch Trumps Handelspolitik und die ständig neuen Strafzölle treffen tendenziell die ärmeren US-Amerikaner stärker, die billige Importwaren bei Walmart und Macy’s kaufen. Felbermayr: „Die Jobeffekte etwa in der Stahlindustrie sind so gering, dass nur ganz wenige davon profitieren werden.“

Das China-Dilemma

Tatsächlich gewaltig ist das Handelsdefizit der USA gegenüber China: Die Importe aus dem Reich der Mitte haben sich seit 1992 verzwanzigfacht. Die Eskalation mit immer neuen Strafzöllen  sei aber „ein gefährliches Spiel“ – mittlerweile seien 250 Milliarden Dollar betroffen. „Das ist schon erheblich, entspricht  ungefähr der ungarischen Volkswirtschaft“, sagt Felbermayr. Für China seien die direkten Folgen allerdings selbst im schlimmsten Fall verkraftbar – das Wachstum sinke von 6,5 auf 6,0 Prozent ab (was immerhin noch rund 70 Mrd. Dollar entgangenen Wohlstand entspricht). Und das könne noch so weitergehen. 

Dass Trumps Kalkül aufgeht und die USA ihr Defizit zu China abbauen können, glaubt Felbermayr indes nicht. Solange die US-Bevölkerung und die Regierung nicht mehr sparen, würden weiterhin mehr Importe ins Land kommen. Die Warenströme würden sich lediglich auf andere Länder verlagern.

EU ist nicht unschuldig

Eine völlig weiße Weste haben freilich auch die Europäer nicht. „Es stimmt leider nicht, dass die EU ein Hort des Freihandels wäre“, sagt der Ökonom. Die durchschnittlichen Einfuhrzölle liegen mit 5,2 Prozent sogar eine Spur höher als jene der USA. In einzelnen Sparten, vor allem bei Agrargütern wie Rind- oder Schweinefleisch „sperren wir die USA tatsächlich aus.“  Daran seien letztlich auch die TTIP-Verhandlungen  gescheitert: Die Europäer wollten ihren Agrarmarkt nicht öffnen, die USA nicht die öffentliche Beschaffung.

Zufrieden ist der Experte hingegen mit der Art und Weise, wie die EU auf Trumps Agieren geantwortet hat. Die häufig belächelten Gegenzölle – etwa auf Harley Davidson-Motorräder, Ketchup, Bourbon  Whiskey – seien so austariert, dass es für die europäischen Kunden Alternativen gibt und den Schaden primär die US-Firmen haben.

Und unbeantwortet könne man die US-Strafzölle nicht lassen, denn sonst würde sich die US-Regierung mit den Zöllen ein Körberlgeld sichern, das ungefähr zur Hälfte von der eigenen Bevölkerung, zur Hälfte aber von den ausländischen Firmen getragen würde. Allein die jüngsten China-Strafzölle könnten so dem US-Fiskus 50 Mrd. Dollar zubringen.

„Gegenwehr ist schon richtig, vor allem, wenn es die ganze Welt tut“, sagt Felbermayr: „Dann wird aus dem potenziellen Gewinn für die USA rasch ein ziemlich großer Verlust.“ Und nicht zuletzt sei der politische Gegenwind für Trump in den USA dadurch stärker geworden.

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