Handel: Alles zu, aber noch viele Streitpunkte offen
„Die Abwärtsspirale im stationären Handel dreht sich immer schneller“, sagt Christoph Teller vom Institut für Handel, Absatz und Marketing an der Johannes Kepler Universität Linz. Seine Berechnungen zufolge wird der Einzelhandel im zweiten Lockdown 130 Millionen Euro Umsatz (brutto) verlieren – pro Tag. Hochgerechnet auf die 17 Schließtage also 2,2 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im Frühjahr blieben die Geschäfte 24 Tage zu, der Umsatzentfall wurde mit 2,6 Milliarden Euro beziffert.
„Das ist das zweite Mal heuer, dass uns das Geschäft genommen wird“, sagt Martin Wäg, Geschäftsführer des Grazer Modehauses Kastner&Öhler, zu dem auch Gigasport gehört. Er fürchtet schon jetzt, dass der Lockdown – so wie im Frühjahr – noch einmal verlängert wird. „Wenn er am 7. Dezember nicht vorbei ist, ist alles vorbei. Was wir bis 24. Dezember nicht verkaufen, geht in den Abverkauf und fehlt damit im Ergebnis.“
Finanzminister Gernot Blümel hat bereits am Wochenende angekündigt, dass Händler ab Montag um Umsatzersatz ansuchen können. Allerdings war vielen gestern noch nicht klar, ob sie Anspruch auf 20, 40 oder 60 Prozent haben. „Die Unternehmer befinden sich im luftleeren Raum“, sagt Rainer Will vom Handelsverband.
Klar sei bisher nur, dass die Covid-19-Notmaßnahmenverordnung die Abholung von bestellten Waren untersagt. Aus Sicht der Händler ein Witz, dürfen doch Gastronomen auch Essen zur Abholung bereit stellen. Begründet wird die unterschiedliche Behandlung damit, dass praktisch nicht zu kontrollieren sei, ob Handelskunden, die Waren abholen, diese vorbestellt haben oder nicht. Zudem würden Wirte nur lebensnotwendige Güter – also Essen – verkaufen und nicht einen ganzen Bauchladen an mehr oder weniger lebensnotwendigen Dingen.
Streit ums Spielzeug
Zudem sieht die Verordnung vor, dass Supermärkte und Diskonter nur ihr „typisches Warensortiment“ anbieten. Eine Formulierung, die Raum für Interpretationen lässt. Schon im 1. Lockdown wurde heftig gestritten, weil die Lebensmittelhändler Spielzeug, Blumen oder Textilien verkauft haben, während die Fachhändler nicht aufsperren durften. Viele erleben also gerade ein Déjà-vu.
„Eine Beschränkung der bei Interspar, Hofer und Lidl Österreich seit Jahrzehnten üblichen Sortimente wäre gesetz- und verfassungswidrig“, ließen die genannten Handelshäuser gestern auch prompt in einer gemeinsamen Aussendung ausrichten. Sie wollen diverse Nicht-Lebensmittel wie gehabt auch weiterhin verkaufen, „zur Grundversorgung der Bevölkerung“. Diese Vorgehensweise sei eingehend rechtlich geprüft worden.
Vielen Unternehmern bleibt vorübergehend nur noch der Online-Verkauf und der Appell an Konsumenten, gerade jetzt bei heimischen Anbietern zu bestellen. Die Statistik zeigt allerdings, dass jeder zweite Euro, der online ausgegeben wird, auf Konten ausländischer Anbieter fließt.
Ungünstiges Datum
Wieder aufsperren werden die Geschäfte übrigens am Fenstertag vor dem traditionell umsatzstarken 8. Dezember. Kein glücklich gewähltes Datum, findet der Linzer Handelsprofessor Christoph Teller: „Nach zwei Wochen Kasernierung werden so gut wie alle raus und Geschenke kaufen wollen.“ Es sei schon jetzt klar, dass die Geschäfte wieder gestürmt werden. „Und damit hängt auch schon die dunkle Wolke einer dritten Welle über uns.“
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