Handel 9 Monate ohne Wachstum: Shoppinglaune war gestern
Das dritte Quartal in Folge sind die realen Umsätze gesunken. Die Zahl der Pleiten steigt und wie sich das alles bei der nächsten KV-Runde ausgehen soll, ist offen.
Die Corona-Nachwehen, die hohe Inflation und steigende Kreditzinsen drücken auf die Kaufkraft und damit die Umsatzentwicklung in den Einkaufsstraßen. Der Handel hat in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres abgeschmiert. Unter dem Strich steht ein Minus von vier Prozent und damit das dritte Quartal in Folge ein reales Minus. Im Vergleich zum Vorkrisenniveau 2019 fällt das Absatzvolumen um 4,7 Prozent geringer aus – lediglich der Kfz-Handel weist hier kein Minus aus.
Gestiegen ist im Wesentlichen nur die Zahl der Insolvenzen, unter den 6.400 Pleiten waren besonders viele Einzelkämpfer, dazu kommen Filialschließungen großer Ketten – Stichwort Kika/Leiner, Salamander, Reno oder Gerry Weber.
Mit einem milden Lächeln nach dem Motto „Das Jammern ist des Kaufmanns Gruß“ könne man das alles nicht mehr abtun, betont Handelsobmann Rainer Trefelik: „Die Zahlen jammern nicht, sie geben ein Abbild der Realität wieder.“
Spielhändler im Plus
Und es zahlt sich aus, genauer in die Branchenentwicklung zu schauen. Lediglich der Bekleidungs- und Spielwarenhandel haben im ersten Halbjahr ein reales Umsatzplus geschafft. Allerdings von einem niedrigen Vorjahresniveau aus. Und man muss die Kirche im Dorf lassen, meint auch Peter Voithofer vom Institut für Österreichs Wirtschaft mit Blick auf den Größenvergleich: Der Lebensmitteleinzelhandel setzt 27 Milliarden Euro im Jahr um, die Spielwarenbranche lediglich 300 Millionen. Von einem vergleichsweise geringen Niveau aus schafft man relativ schnell relativ hohe Wachstumssprünge.
So weit, so schlecht. Die Kaufzurückhaltung spiegelt sich auch bei den Jobaussichten wider. Die Branche stellt weniger Mitarbeiter ein als noch vor einem Jahr. „Gleichzeitig kommen auf eine offene Stelle nicht einmal zwei arbeitssuchende Personen“, sagt Sonja Marchhart, stellvertretende Bundesspartengeschäftsführerin in der WKO. Aktuell sind 20.000 Stellen im Handel offen. Spannend werden auch die KV-Verhandlungen, die im Herbst starten. „Das wird zach“, steht für Trefelik, der Chefverhandler auf der Arbeitgeberseite ist, schon jetzt fest. „Mir fehlt Stand heute jegliche Fantasie, wie wir ohne neue kreative Wege zu einer Lösung kommen.“
Für Ökonomen der Oesterreichischen Nationalbank sind die Produzentenpreise (BIP-Deflator) bei Importpreisschocks „das geeignete Inflationsmaß“ für die Lohnverhandlungen und nicht „die traditionelle Benya-Formel“. Ausgangspunkt für die Kollektivvertragsverhandlungen war bisher die Inflation des Vorjahres gemessen durch den Verbraucherpreisindex (VPI) plus das durchschnittliche Produktivitätswachstum.
Bei einem Importpreisschock – ausgelöst durch den starken Anstieg der Preise für Energieimporte – steige der VPI deutlich stärker als die Preise, die heimische Produzenten für ihre Güter erhalten, schreiben die OeNB-Ökonomen. Der ÖGB lehnte den BIP-Deflator als Basis für Lohnverhandlungen am Dienstag ab.
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