Staud's: Immer weniger Obst und Gemüse rund um Österreich
Staud's setzt auf Süßes und Saures aus der Region – doch davon gibt es immer weniger. Die Preissensibilität bei Kunden steigt, der Druck von ausländischer Billigware auch
Es wird kein Jahr mehr geben, in dem wir über x-beliebig viel Obst und Gemüse verfügen werden“, steht für Stefan Schauer schon jetzt fest. Der Wachauer Marillen-Anbauer und Geschäftsführer des Wiener Marmeladenmachers Staud’s sieht die Veränderungen im eigenen Garten sowie im Zeitraffer. Ein knapp 100 Jahre alter Artikel aus der Wiener Zeitung belegt, dass es damals eine mittlere Sensation war, dass die Wachauer Marille schon am 22. April in voller Blüte stand. Mittlerweile blühen die Bäume Ende März. Schauer: „Und dann kommt regelmäßig der Spätfrost und ruiniert die Ernte.“
Ein Ärgernis, mit dem sich immer weniger Obstbauern herumschlagen wollen. Im benachbarten Ungarn roden viele ihre Marillenbäume und pflanzen stattdessen Weichsel oder Zwetschgen an. „Gerade hat wieder ein Partner 30 Prozent seiner Marillenbäume umgeschnitten“, weiß Schauer, der jährlich zwischen 300 und 400 Tonnen Marillen verarbeitet.
Dass in Österreich und den umliegenden Ländern immer weniger angebaut wird, zeigt sich nicht nur im Marillengarten. „Länder wie Ungarn können sich nicht mehr selbst mit Paprika versorgen“, sagt Jürgen Hagenauer, der bei Staud’s für die Saure Sparte – also das eingelegte Gemüse – zuständig ist. Mit den Autobauern und der Industrie kamen neue Verdienstmöglichkeiten in Länder wie Ungarn oder die Slowakei. Mit der Landflucht werden die agrarisch genutzten Flächen weniger, der Eigenversorgungsgrad sinkt.
„Die berühmte ungarische Paprika kommt mittlerweile oft aus der Türkei in den europäischen Markt“, weiß Hagenauer. Essiggurkerl werden teils aus Indien angekarrt. Zu Kampfpreisen, die nicht zwingend bedeuten, dass die Qualität so niedrig wie der Preis ist. Hagenauer: „In anderen Ländern gibt es halt weniger Umweltauflagen und ein anderes Lohnniveau. In unseren Breiten wird auch niemand für ein paar Euro am Tag am Feld stehen und bei 35 Grad ernten.“ Buchstäblich angeheizt wird die Entwicklung vom Klimawandel, der den Anbau immer riskanter und die Anbaumethoden professioneller macht.
Professionellerer Anbau
„Kamen Früchte und Gemüse in und außerhalb von Europa früher von Freilandflächen, so wachsen sie heute im vor Frost und vor Umwelt schützenden Folientunnel“, sagt Schauer. Wer noch anbaut, macht das mit immer mehr Aufwand, um den Wetterkapriolen und dem Klimawandel zu trotzen. Nebeneffekt: Die Produktionskosten steigen, mit ihnen die Preise für Verarbeiter und Konsumenten.
Und der Preis entscheidet immer öfter darüber, was gekauft wird, beobachten die Staud’s-Geschäftsführer. In der Pandemie hätten viele darauf geachtet, heimische Ware zu kaufen. Das sei jetzt größtenteils vorbei. „In erster Linie zählt der Preis. Auch wenn ein großer Teil der Ware letztlich im Müll landet“, ärgert sich Schauer. Die Billigware kommt oft aus dem Ausland. „Wenn Honig aus der Ukraine zum Kilopreis von 1,70 Euro in den Markt geschleudert wird, bleibt heimische Ware letztlich im Regal stehen, weil um den Preis bei uns nicht produziert werden kann.“
„Marmeladinger“
2021 feierte Hans Staud (75) 50-jähriges Firmenjubiläum, das operative Geschäft hat er an seine langjährigen Mitarbeiter Jürgen Hagenauer (zuständig fürs Saure und damit unter anderem die Marke Gurkenprinz) und Stefan Schauer (zuständig fürs Süße) übergeben. Samstags hält der Marmeladinger (so nennt sich Hans Staud selbst) stets in seinem Pavillon am Ottakringer Yppenplatz Hof. Ein Fixpunkt für Stammkunden.
Staud hätte auch das Zeug zum Entertainer gehabt, wäre gern Musiker geworden, hat dann aber den Betrieb übernommen und zum Produktionsbetrieb umgebaut. Musikliebhaber ist er geblieben und stiftet mittlerweile einen Musikpreis.
Mit 50 Mitarbeitern setzte der Wiener Traditionsbetrieb zuletzt 12 Millionen Euro um.
Generell würde das Pendel beim Preis immer mehr ausschlagen. Darauf reagiert auch Staud’s mit der preisgünstigeren Linie Oma Staud, die mit einem Fruchtanteil von 50 Prozent (statt bis zu 80 Prozent bei der zuckerreduzierten Linie) im runden Standardglas abgefüllt wird.
Ganz neu ist die Idee mit den Marmeladen von der Oma übrigens nicht. Bereits 1971 hat Hans Staud Marmelade „nach Großmutters Rezept“ verkauft – auch mit 50 Prozent Fruchtanteil. Und mit vom Chef selbstgemalten Früchten am Etikett. „Nicht weil ich malen kann, sondern weil ich kein Geld für professionelle Etiketten hatte“, sagt Hans Staud und amüsiert sich, dass seine Marillen mitunter als Äpfel verkannt werden.
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