Wie im alten Rom: Selbstversklavung, um in Chefetage zu kommen

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Die Reichen haben einst in Waffen und Sklaven investiert. Ist heute nicht viel anders, findet Finanzexperte Johannes Seuferle.

Finanzexperte Johannes Seuferle hat einen historischen Abriss über Vermögensanlage von der Antike bis heute geschrieben. Es geht nicht nur um Brieftauben und Bitcoins, sondern unter anderem auch ums Buckeln im Büro. Über dem zweibändigen Konvolut seines 1.100 Seiten dicken Werks schwebt die unausgesprochene These, dass sich über die Jahrhunderte gar nicht so viel verändert hat in der Vermögensanlage.

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KURIER: Die Reichen im antiken Rom haben ihr Vermögen in Sklaven investiert, schreiben Sie in Ihrem Buch. Manche hatten 3000 bis 4000 gut ausgebildete Sklaven, die sie dann weitervermietet haben. Tempi passati. Heute investieren Vermögende in börsenotierte Konzerne, die Menschen ausbeuten. Stimmt so, oder?

Johannes Seuferle: Kann man durchaus so sagen. Rein finanzwirtschaftlich betrachtet ähneln sich Aktien und Sklaven: Beide “Finanzinstrumente“ erlauben schon heute den Handel mit den Erträgen zukünftiger Arbeit. Im antiken Rom waren Lehrer, Buchhalter, Ärzte verbreitet Sklaven – selbst Top-Manager! Man hat sich sogar selbst versklavt, um in Führungspositionen zu kommen. Eigentlich hat sich nicht viel geändert im Laufe der Jahrhunderte.

Wie meinen Sie das?

Selbstversklavung ist heute noch ein Mittel, um ins Top-Management zu kommen. Denken Sie an die VW-Manager, die in vorauseilendem Gehorsam die Meßmethoden für Abgaswerte manipuliert haben. Das ist doch nichts anderes als eine Art Selbstversklavung für die Familien Porsche und Piech ...

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So hoch rauf in der Hierarchie muss man erst einmal kommen ...

Ein junger Investmentbanker buckelt, weil er einmal Managing Director in der Bank werden will. Der junge Wirtschaftsprüfer lässt sich ausbeuten in der Hoffnung, dass er mal Partner in der Kanzlei wird. Im Alten Rom haben Sklaven gebuckelt, weil sie die Aussicht hatten, für gute Arbeit mit Freiheit belohnt zu werden. Etwa zwei Prozent aller römischen Sklaven wurden pro Jahr freigelassen. Da hat sich nicht viel geändert, heute geht es um finanzielle Freiheit.

Wie im alten Rom: Selbstversklavung, um in Chefetage zu kommen

Der Volkswirt hatte unter anderem einen Beratervertrag im deutschen Bundeskanzleramt, war bei einem führenden deutschen Rückversicherer tätig. Als Investmentbanker mit Zuständigkeit für europäische Banken und Versicherer war er bei Großbanken in Frankfurt und London tätig. Später oblag ihm die Leitung einer Privatbank in Genf. Heute ist er Finanzberater und Publizist.

Sie selbst waren Investmentbanker. Wie haben Sie denn Ihr Geld investiert bzw. vermehrt?

Ich habe in Immobilien investiert, da konnte man in den vergangenen 20 Jahren nicht viel falsch machen. Seit dem Jahr 2000 sind die Immobilienpreise weltweit gestiegen. Städtische Böden waren eine der besten Anlagen. Kam aber auch immer wieder vor, dass Immobilienwerte ausradiert wurden.

Zum Beispiel?

In Indien wurde die Hafenstadt Dhanuschkodi 1964 durch einen Zyklon vollständig zerstört und nie wieder aufgebaut. Galveston, einst größte Hafenstadt von Texas, hat sich von einem Hurrikan im Jahr 1900 nie mehr erholt. Indianola, zweitwichtigster Hafen, wurde zur Geisterstadt. Teile von New Orleans wurden nach Katrina 2005 aufgegeben. Jakarta liegt heute zu 40 Prozent unter dem Meeresspiegel, weil sich der Boden der mit 9,5 Millionen Menschen besiedelten Stadt an manchen Stellen um 6 bis 20 Zentimeter pro Jahr absenkt.

Wie halten Sie es mit Aktien-Investments?

Ich versuche, mit Einzelaktien meinen eigenen ETF (Anmerkung:  börsengehandelter Fonds) zu basteln, außerdem mache ich Stillhaltergeschäfte in Aktienoptionen. Mich wundert manchmal, wie häufig man als kleiner Privatanleger mit Konkurs und Betrug konfrontiert wird. Da hatte ich auch schon Verluste. Nicht bei Wirecard, aber Wirecard ist leider kein Einzelfall.

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Zu was raten Sie?

Aus meiner Sicht werden Unternehmensanleihen unterschätzt. Seit einigen Jahren sind hier die Notenbanken engagiert. Das stützt den Markt.

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