Wiener Tafel warnt: "Lebensmittelrettung gleitet ins Kommerzielle ab“
Ab Oktober müssen Österreichs Supermärkte alle drei Monate beim Umweltministerium melden, wie viele Lebensmittel sie weggeworfen oder gespendet haben. Dahinter steckt eine Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG), die darauf abzielt, die Lebensmittelverschwendung im Land einzudämmen. Klingt gut, könnte aber das Gegenteil davon sein, fürchtet Alexandra Gruber, Geschäftsführerin der Wiener Tafel (einer Organisation, die mit gespendeten Lebensmitteln Menschen in Not versorgt).
Denn wenn Händler mit möglichst viel Spenden und möglichst wenig Müll in der Bilanz dastehen wollen, könnten karikative Einrichtungen wie die Tafel bald mehr oder weniger leer auszugehen. „Weil wir nur Ware, die noch brauchbar und verteilbar ist, nehmen“, sagt Gruber: „Parallel dazu gibt es immer mehr kommerzielle Organisationen, die alles in Bausch und Bogen abnehmen und dann zu günstigen Preisen verkaufen.“
Gruber spricht von „einem Wildwuchs von mindestens 100 Firmen“, die sich mit karikativen Organisationen wie der Wiener Tafel um Ware raufen: „Die Lebensmittelrettung gleitet mehr und mehr ins Kommerzielle ab, was gerade in Zeiten der Teuerung und steigender Armut zum Problem wird.“
Rewe-Sprecher Paul Pöttschacher betont währenddessen, dass der Konzern weiter an großen Kooperationspartnern wie der Caritas oder Tafel festhalte. Bei kleineren Filialen mit wenig Überschussware würde sich das Abholen einzelner Kisten aber oft nicht auszahlen – hier kämen oft kleinere Vereine zum Zug. Zur Größenordnung: 2022 hat Rewe Waren im Wert von über 40 Millionen Euro gespendet und damit deutlich mehr als noch im Jahr zuvor, was allerdings auch an den gestiegenen Preisen liegt.
Geht es nach den Vorstellungen der Wiener-Tafel-Geschäftsführerin, sollen künftig mehr Lebensmittel direkt vom Feld weg gerettet werden. Also auf der Ebene der Landwirtschaft bzw. Erzeugergemeinschaften. Das Problem dabei: „Oft handelt es sich um große Mengen – wir reden hier von 20 oder 30 Tonnen – die auf einmal abgeholt werden müssen“, erläutert Gruber. „Die Ware muss dann gleich verarbeitet oder zumindest tiefgefroren werden. Hier brauchen wir dann Partner aus der Wirtschaft, die uns unterstützen.“ Von der Ernte, die wohl kaum ein Bauer gratis einfahren wird, über die Logistik bis zur Verarbeitung.
Positiv-Beispiele gibt es bereits. So hat die Tafel mit Unterstützung einer Bank tonnenweise Tomaten zu Sugo verarbeitet, das dann zu 50 Prozent als Weltspartagsgeschenk und zu 50 Prozent an Bedürftige verteilt wurde.
Müll vor die Tür gestellt
Neue Gesetze würden selten eine nachhaltige Verbesserung der Situation bringen, meint Gruber mit Blick auf Frankreich: „Dort wurden Unternehmen zum Spenden übrig gebliebener Lebensmittel verpflichtet, was dazu geführt hat, dass sie den Hilfsorganisationen Berge von Müll vor die Tür gestellt haben.“ Also Lebensmittel, die nicht mehr genießbar waren – wie steinhartes Brot.
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