Güterverkehr: Schiene startet nächsten Anlauf gegen Straße
Der Abwärtstrend im Schienengüterverkehr setzt sich europaweit fort. Für die Branche ist das ein Grund, einen neuen Vorstoß zu wagen, um mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu bekommen. Die Hürden bestehen auf nationaler, technischer und administrativer Ebene, sagt Andreas Mandl, Sprecher des Ausschusses Schienengüterverkehr im Fachverband Schienenbahnen in der WKO.
Bei Europas Bahnen gebe es vier verschiedene Stromsysteme und 16 verschiedene Sicherheitssysteme. Anders als Lkw, die mit einer Zulassung durch ganz Europa fahren könnten, müsste jeder Lokomotiventyp in jedem einzelnen Land angemeldet werden. In manchen Ländern muss sogar jede einzelne Lokomotive des gleichen Typs angemeldet werden.
„Jeder Lokführer braucht in jedem Land einen eigenen Führerschein“, sagt Mandl. Darüber hinaus müsste er die Landessprache beherrschen, wenn er dort fahren will. „Wir hätten gerne Englisch, wie im Flugverkehr, zumindest auf den Hauptachsen“, so Mandl.
Viele Skurrilitäten
Er kann auch von einigen Skurrilitäten berichten. Wenn ein Zug von Österreich über die italienische Grenze fährt, müssen nach einer Stehzeit von 30 Minuten Keile – sogenannte Hemmschuhe – vor und hinter den Rädern angebracht werden, allein die Druckluftbremsen reichen nicht. Das sei eine italienische Vorschrift, die es in Österreich nicht gebe. Deshalb benötigten Güterzügen in Italien zwei Lokführer.
Wenn ein Güterzug nach Hamburg kommt und länger als vier Stunden auf „sein Schiff“ warten muss, muss er den Hafen verlassen und sich außerhalb einen kostenpflichtigen „Parkplatz“ suchen. Bei den aktuellen Problemen in der Seeschifffracht stehen Verspätungen an der Tagesordnung.
Der Wettbewerbsnachteil der Schiene ist eklatant. Ein Lkw und ein Zug würden laut Mandel derzeit auf der gleichen Strecke – z. B. von Sofia nach Hamburg – etwa gleich lange brauchen, doch könnte der Zug viel schneller und effizienter unterwegs sein.
Ausbau zu langsam
Generell sei der Straßengüterverkehr in vielen Bereichen begünstigt, sagt Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen mit Sitz in Berlin. Das betreffe niedrigere Energiesteuern, aber auch Mauten. „In Deutschland gibt es Lkw-Maut nur auf Fernstraßen, auf 85 Prozent des Straßennetzes nicht“, so Westenberger. Er kritisiert, dass der Ausbau der europäischen Korridore viel zu langsam voranschreiten, um das Wachstum im Güterverkehr auf die Schiene zu lenken.
„Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, dann ist die Schiene die einzige verfügbare Technologie, um genug CO2 einzusparen“, sagt Westenberger. Die Bahnstromversorgung bestehe zu einem großen Teil aus erneuerbarer Energie. Er fordert daher von der EU-Verkehrspolitik eine klare Priorität in Richtung Schiene, und das bedeute Innovationsförderung, eine Vereinfachung der Betriebssysteme und Infrastrukturausbau.
Infrastruktur ausbauen
Eine Kerbe, in die auch Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich, schlägt: „Für eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene müssten die Güterterminals ausgebaut werden. Im Gegensatz zum Straßengüterverkehr sind die Grenzen innerhalb der EU für den Schienengüterverkehr noch nicht aufgegangen.“ Es bestehe lediglich eine Hoffnung, dass auf der Strecke Deutschland-Brenner-Italien einfachere Regeln kommen, doch auch das sei noch nicht sicher.
Im grünen Verkehrsministerium will man sich beim Thema Schienengüterverkehr nicht Untätigkeit vorwerfen lassen: „Wir haben im vergangenen Jahr die Fördersätze für den Schienengüterverkehr deutlich erhöht“, heißt es. Das sei ein wichtiger Schritt zu mehr Gerechtigkeit im Güterverkehr.
Langfristig brauche es mehr Kostenwahrheit zwischen Straße und Schiene. Dafür setze man sich auch auf europäischer Ebene ein – zum Beispiel im Rahmen der Reform der Eurovignetten-Richtlinie für Nutzfahrzeuge.
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