Frühpensionierungen: "Kranke" Jobs bei den ÖBB

Die Arbeit bei den ÖBB dürfte trotz aller internen arbeitsmedizinischen Vorsorgen nach wie vor nicht sonderlich gesund sein. Vor allem für die beamteten Mitarbeiter. 836 von ihnen gingen im Vorjahr in den altersbedingten, quasi "normalen" Ruhestand. Weitere 418 Ruhestandsversetzungen erfolgten krankheitsbedingt, bei einem Durchschnittsalter von 55,8 Jahren. Das entspricht knapp einem Drittel aller Beamten-Pensionierungen bei der Eisenbahn.
Zum Vergleich: Bei den ÖBBlern im neuen Dienstrecht gingen nur 13 Prozent aus Krankheitsgründen in die Rente. Wesentlich später übrigens als die beamteten Kollegen, nämlich mit 61,3 Jahren.
"Zeiten sind vorbei"
Diese Daten gehen aus der Beantwortung der grünen Klimaministerin Leonore Gewessler auf eine Anfrage der Neos über die Pensionierungen bei der Staatsbahn 2020 hervor. "Die Zeiten, als bei den ÖBB überwiegend in körperlich belastenden Berufen gearbeitet wurde, sind vorbei", meint Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker. Es sei in einem modernen Unternehmen unvertretbar, wenn ein Drittel der Pensionsantritte aus gesundheitlichen Gründen passiert, da müssten über Jahre Fehler passiert sein.
Der Eindruck sei falsch, dass bei den ÖBB besonders viele solcher Pensionierungen erfolgen würden, kontert ÖBB-Sprecher Robert Lechner. Nach wie vor seien zahlreiche Jobs mit hohen körperlichen Belastungen verbunden, "denken Sie zum Beispiel an schwere Verschubarbeiten, die oft auch im Schichtdienst erfolgen".
Vielleicht könnte die Ursache aber einfach auch im System liegen. Eine Pensionierung ist für beamtete Mitarbeiter wesentlich attraktiver als für die jüngeren Kollegen.
Rund 17.000 (40 Prozent) der ÖBB-Mitarbeiter sind noch im privilegierten Beamtendienstrecht und genießen das alte ÖBB-Pensionsrecht. Wer nach 1995 eingetreten ist, für den gilt das wesentlich unattraktivere ASVG.
3.300 Euro Durchschnittspension
Die durchschnittliche ÖBB-Beamtenpension liegt bei einem altersbedingten Rentenantritt mit knapp 3.300 Euro brutto weit über der ASVG-Durchschnittspension (1.019 Euro für Frauen und 2.007 Euro für Männer 2019). Wer bei der Bahn krankheitsbedingt in die Frühpension verabschiedet wurde, kommt auf 2.331 Euro Durchschnittsrente.
Die Mitarbeiter hätten sich bei ihrem Eintritt darauf verlassen, dass sie mit einem relativ geringen Verdienst starten und "im Gegenzug auf ein gesichertes Auskommen im Alter vertrauen können", argumentiert die Bahn.
Staatszuschuss
"Pensionsprivilegien" sieht das Ministerium in der Anfragebeantwortung nicht, eine öffentliche Diskussion entbehre "schon seit einiger Zeit jeder Grundlage". Doch der Pensionsaufwand des Staates für die ÖBBler steigt weiter an, obwohl die Zahl der Beamten-Pensionisten demografisch bedingt sinkt. 2020 belief sich der Pensionsaufwand auf 2,06 Milliarden Euro. Die Bundesbahn-Pensionisten leisten inzwischen einen Pensionssicherungsbeitrag von 88,1 Millionen Euro.
Die fünf vom Rechnungshof zuletzt vorgeschlagenen Maßnahmen, die bis 2050 für die Republik 1,1 Milliarden an Einsparungen gebracht hätten, wurden bis dato nicht umgesetzt. Die von den Prüfern geforderten Änderungen im Pensionssystem können die ÖBB freilich nicht selbst lösen, dafür braucht es den Gesetzgeber.

Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker: "Einsparungspotenzial bereits halbiert"
Jetzt habe sich das Einsparungspotenzial bereits halbiert, warnt Loacker. Er urgiert "für alle Berufsgruppen gleiche Pensionsbedingungen. Da muss Finanzminister Gernot Blümel anpacken statt wegzuschauen".
Erstmals seit zehn Jahren gibt es bei der Bahn wieder "organisatorisch bedingte Ruhestandsversetzungen", 72 (fünf Prozent) waren es genau. Diese Jobs seien durch die massiven Auswirkungen der Covid-Krise weggefallen, aber sobald sich die wirtschaftlichen Bedingungen wieder ändern, "ist auch eine Reaktivierung dieser Mitarbeiter möglich", beteuert Lechner.

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