Gründerinnen: Erfolgreich, aber alleingelassen
Man sollte meinen, dass das Geschlecht bei Investitionsentscheidungen keine Rolle spielt. Doch weit gefehlt. Eine Studie, die das Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG) gemeinsam mit dem Accelerator-Netzwerk MassChallenge durchgeführt hat, liefert ernüchternde Erkenntnisse.
Von Frauen gegründete Start-ups machen mehr Umsatz als jene von Männer, bekommen aber trotzdem weniger Förderung beziehungsweise haben geringere Chancen, überhaupt welche zu bekommen. Oft werden die Ideen gar nicht verstanden und den Frauen vor allem kein technisches Know-how zugestanden. Das 92 Prozent der Investoren Männer sind, ist nur eine von mehreren Erklärungen.
Die Studie hat sich Investments und Umsätze in beziehungsweise von Start-ups in den vergangenen fünf Jahren angesehen und ein großes „Gender-Investment-Gap“ entdeckt. Während von Frauen gegründete oder mitgegründete Start-ups im Durchschnitt 935.000 US-Dollar an Investments lukrierten, streiften nur von Männern gegründete Startups 2,1 Million Dollar ein.
Frauen voran
Trotz dieser Ungleichheit entwickelten sich Start-ups von Frauen besser: Über den Zeitraum von fünf Jahren erreichten sie im Schnitt einen kulminierten Umsatz von 730.000 Dollar gegenüber 662.000 Dollar bei Männern, rund zehn Prozent mehr. Sieht man sich an, was von einem investierten Dollar zurückkommt, schneiden Frauen sogar noch besser ab. Bei Start-ups von Frauen werden daraus nach fünf Jahren 75 Cent Umsatz, beim Männern sind es nur 31 Cent.
Woher die Ungleichheit? Die Studie von BCG und MassChallenge sieht mehrere Gründe. Frauen werden bei Präsentationen härter in die Mangel genommen. Viele Frauen hätten berichtet, dass sie während des Gesprächs ihr grundsätzlich technisches Know-how nachweisen mussten. Oft gingen Investoren auch davon aus, dass sie dieses Know-how gar nicht haben. Präsentierten eine Frau und ein Mann das Projekt, wurden automatisch dem Mann die technischen Fragen gestellt.
Frauen würden aber oft auch zögerlicher auf Kritik reagieren und negative Kommentare eher als Männer akzeptieren. „Männer sagen auf Kritik öfter ’Das ist falsch und ich sage ihnen, warum.’“, so ein in der Studie zitierter Investor. Männer würden auch kühnere Prognosen und Annahmen auftischen, dicker auftragen und sich oder das Projekt oft überverkaufen. Frauen seien oft konservativer und würden schlicht weniger verlangen als Männer.
Kinder und Schönheit
Und schließlich haben viele Investoren – wie erwähnt hauptsächlich Männer – wenig Verständnis für die Produkte und Dienstleistungen, die Frauen anbieten. „Frauen kommen oft mit Ideen aus ihrem Alltag, wo sie Erfahrung haben. Bei Männern ist das nicht so“, so ein Investor. Deshalb könnten sie mit Kinder- oder Schönheitsartikeln männliche Investoren oft schwerer überzeugen. Kein Wunder, dass auf Frauen-Start-ups seit 2016 nur 4,4 Prozent des seit 2016 investierten Risikokapitals und nur zwei Prozent des insgesamt investierten Kapitals entfallen, wie das Marktforschungsunternehmen PitchBook Data bemerkt.
Auswege aus dem Dilemma können in erster Linie Investoren liefern. Sie sollten, so die Studienautoren, vermeiden, sich auf ihnen vertraute Produkte oder Materien zu fokussieren und mehr Frauen in die Investmententscheidung einbinden. Außerdem sollte Investoren klar sein, dass die Marktchancen für von Frauen gegründete Start-ups auch deshalb besser sind, weil es oft weniger Wettbewerb gibt, da diese ja kaum gefördert und daher wesentlich seltener am Markt sind.
Mehr Expertinnen
Acceleratoren sollten darauf achten, dass sie eine ausgeglichene Kandidatenliste haben und Frauen als Expertinnen und Mentoren beschäftigen. Nicht zuletzt können auch die Frauen selbst etwas tun. Sie können sich mit Hilfe von Coaches auf das Pitching besser vorbereiten. Warum das nötig ist, zeigt das traurige Resümee der Studie: Vor 20 Jahren hatten Frauen einen höheren Anteil am Risikokapital für Start-ups als heute.
„Frauen investieren vorsichtiger“, sagt Elisabeth Zehetner-Piewald, Geschäftsführerin des WKO-Gründerservices. Oft liege das an der familiären Verantwortung, was sich im Geschäftsleben widerspiegle. Auch bei Banken bekämen Frauen oft weniger Geld, aber auch, weil sie sich mit weniger zufrieden geben würden. „Wenn die Idee und das Team passt, bekommen sie Geld. Sie werden nicht generell benachteiligt“, rückt sie zurecht. Verhandeln wolle eben gelernt sein. Der Anteil weiblicher Start-ups liegt in Österreich bei zwölf Prozent. Frauen bekämen oft weniger Geld, oft bräuchten sie auch nicht mehr, da nicht jede Idee gleich viel Kapital brauche.
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