Grönland verkauft sein Wasser: Der Gletscher aus der Flasche
Der Kopenhagener Klimaforscher Steffen M. Olsen sorgte im Sommer 2019 mit einem besonderen Foto für Aufsehen. Sein Schnappschuss von acht Schlittenhunden, die an einem heißen Tag durch knöcheltiefes Schmelzwasser waten, ging um die Welt und wurde von Klimaschützern in den sozialen Medien vielfach geteilt. Internationale Medien wie der Guardian, CNN, aber auch der KURIER berichteten.
Es sieht so aus, als ob die Schlittenhunde auf dem Wasser laufen, in Wahrheit sorgen jedoch die plötzliche Temperaturveränderung und die geringe Durchlässigkeit des Meereseises dafür, dass das seichte Schmelzwasser über einer dicken Eisschicht bestehen bleibt.
Grönland ist sozusagen das Epizentrum der Klimakrise, im Südwesten des Landes stiegen die Durchschnittstemperaturen in den letzten sieben Jahren um ganze drei Grad. Was wenig klingt, kann enorme Auswirkungen haben. Seichte Schmelzwasserseen, die sich über der dicken Eisschicht bilden, sind nur eine von vielen Folgen.
Jetzt, mehr als ein halbes Jahr später, soll das Schmelzwasser auf der größten Insel der Welt erneut eine große Rolle spielen. Grönlands Industrie- und Energieminister Jess Svane bekannt gab, vergibt die Regierung vor Ort Lizenzen zur Förderung und zum Export des Wassers. Demnach seien 16 Lizenzen ausgeschrieben, neun Projekte haben bereits den Zuschlag erhalten.
Wasser als Produkt
Doch die Regierung will damit nicht etwa NGOs oder Regionen, die unter Wassermangel leiden, unterstützen, Svane sieht das Schmelzwasser als „marktfähiges Produkt“: „Unsere Zielgruppe sind kommerzielle Unternehmen. Welche Märkte sie mit dem Wasser dann anstreben, ist ihre Sache“, erklärte er etwa dem Tagesspiegel.
Diese Haltung mag an das Buch „Die Geschichte des Wassers“ der norwegischen Schriftstellerin Maja Lunde erinnern, ist aber in Wahrheit aus der wirtschaftlichen Not heraus geboren: Grönland hat nur knapp 56.000 Einwohner, etwa so viele wie St. Pölten. Fische sind aktuell die einzigen Waren, die im großen Stil ausgeführt werden, sie machen fast 90 Prozent aller Exporte aus.
Die Regierung versucht also alles, um das Land, das offiziell immer noch zu den dänischen Kronländern zählt, wirtschaftlich breiter aufzustellen. Erst vor wenigen Wochen reiste eine Delegation der grönländischen Regierung nach Kopenhagen, Berlin und Paris. Sie bewarben Tourismusprojekte ebenso wie den Verkauf und Vertrieb des heimischen Schmelzwassers.
Klimaexpertin: "Die gießen Öl ins Feuer"
Klimaschützer sind von den Plänen natürlich alles andere als begeistert. Grönland könne durch die entstandenen Einnahmen vielleicht kurzfristig von der Klimakrise profitieren, „aber die langfristigen Folgen wären dramatisch“, sagt Jasmin Duregger, Klimaexpertin von Greenpeace Österreich.
Das Wasser müsse tausende Kilometer weit in Flaschen aus Plastik oder Einwegglas transportiert werden, der ökologische Fußabdruck wäre laut Duregger enorm. "Die gießen da wirklich Öl ins Feuer."
Energieminister Svane verteidigt den eigenen Plan hingegen mit kühlem Pragmatismus: "Die Menschen in Grönland möchten wirtschaftlich unabhängig werden, und diesen Kurs verfolgen wir im Moment."
Grönland ist das Epizentrum des Klimawandels
Dabei ist Grönland von der Klimakrise besonders betroffen, der riesige Eisschild schmilzt heute beispielsweise 13 Mal schneller als noch in den Neunziger Jahren. Das haben Forscher der University of Leeds in Großbritannien herausgefunden. Demnach flossen von 1992 bis 1997 jährlich etwa 18 Milliarden Tonnen Eis ins Mehr, zwischen 2012 und 2017 lag der Wert bei durchschnittlich 239 Milliarden Tonnen jährlich.
Wenn das so weitergeht, dürfte alleine das Schmelzwasser aus Grönland den weltweiten Meeresspiegel um 20 Zentimeter steigen lassen. Die Antarktis mit ihren etwa zehnmal so großen Eismassen, ist da noch gar nicht miteinberechnet (sie schmilzt auch nicht ganz so schnell).
Was vielleicht nach wenig klingt, könnte verheerende Auswirkungen haben: Alleine durch diese 20 Zentimeter aus Grönland wären laut der britischen Studie jährlich etwa 100 Millionen Menschen weltweit von Überschwemmungen betroffen.
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