Die Branchenvertreter frohlocken bereits. "Unglaublich eigentlich, darauf haben wir jahrelang gewartet und jetzt haben wir gleich zwei Einhörner in Österreich binnen weniger Wochen", freut sich Lisa-Marie Fassl, Start-up-Beauftragte der Regierung. Jetzt sei das Fundament für weitere Investments gelegt. Kambis Kohansal Vajargah, Head of Start-up-Services bei der Wirtschaftskammer (WKO), spricht gar von einem entscheidenden „Schaltjahr“ für die Gründerbranche.
Durch die mediale Berichterstattung über die Einhörner werde die heimische Szene sichtbarer für ausländische Financiers, was zu einer Welle von Neugründungen führen könnte. Das Potenzial für weitere „Global Champions“ sei vorhanden.
„Wir haben hier in Österreich reichlich Talente, die nur darauf warten mit ausreichend finanzieller Ausstattung etwas zu bewegen“, meint Kohansal. Potenzial für weitere Austro-Einhörner sieht er unter anderen bei den heimischen Start-ups Adverity, Bitmovin, Refurbed, PlanRadar oder USound.
„Österreich hat definitiv noch viel Potenzial für weitere Einhörner“, ist auch Start-up-Investor Berthold Baurek-Karlic (Venionaire Capital) überzeugt. Gute Chancen sieht er vor allem in den Bereichen Gesundheit (Digital Health) und Finanzwelt (RegTechs , FinTechs). Als Beispiele nennt er etwa Biome Diagnostics oder den Finanzplan-Spezialisten Monkee. „Gerade für die internationale Wahrnehmung des Start-up-Ökosystems in Österreich ist es ein sehr starkes Signal, dass wir innerhalb kurzer Zeit mit GoStudent und Bitpanda gleich zwei Unternehmen mit Unicorn-(Einhorn)Stempel haben“, pflichtet Start-up-Experte Florian Haas vom Beratungsunternehmen EY bei.
Heimische Start-ups hätten heuer schon mehr als eine halben Milliarde Euro an Investorengeld eingesammelt, mehr als doppelt so viel als im Corona-Jahr 2020. Hauptgrund für das verstärkte Engagement ausländischer Geldgeber sei das Niedrigzinsumfeld, das viel Geld in den Markt spüle. Gleichzeitig steige die Attraktivität von alternativen Investments. Große Venture-Capital-Fonds kämen nach Europa, weil hier die Bewertungen der Firmen noch moderater seien als im Silicon Valley.
Dass das kleine Nachhilfe-Start-up GoStudent mehr Wert sein soll als der börsenotierte Weltkonzern AT&S, sorgt dennoch für Staunen. Der Wert spiegelt die Wachstumsfantasien der Investoren wider. „Heute ist AT&S sicher nicht weniger Wert als GoStudent, aber wie es in zehn Jahren aussieht, werden wir sehen“, meint Baurek-Karlic, „vielleicht wächst hier ein Edutech-Gigant a la Google heran, die haben auch klein angefangen“. Kapitalgeber würden ihr Risiko aber mit Absicherungsklauseln in Verträgen massiv reduzieren. „Wie viel ein Start-up dann wirklich Wert ist, sieht man erst beim Verkauf oder Börsengang.“ Generell seien Bewertung von Start-ups von außen schwer zu verstehen. Letztlich werde ein abgesicherter „Vertrauensvorschuss“ gegeben.
Mehr Risikokapital im Inland nötig
Der Experte wünscht sich auch mehr Risikokapital im eigenen Land: „Wir brauchen ein, zwei Milliarden mehr Risikokapital, wenn wir die Wertschöpfung auch langfristig im Land halten wollen.“ Ähnlich sieht das auch Bernhard Lehner, Vorstand von Startup300. "Wir verlieren trotz des leidenschaftlichen Einsatzes der kleinen, aber feinen Startup-Szene in Österreich zunehmend den Anschluss. Eigentlich müsste man jedem ehrgeizigen Startup-Gründer, der sich mit Venture Capital finanzieren und international skalieren möchte, mittlerweile empfehlen, nicht in Österreich zu gründen.
Die potenziellen Austro-Einhörner könnten sich also durchaus bessere Ställe im Ausland suchen.
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