Rekord-Pleitenjahr in Österreich: Warum das Geschäft mit den Insolvenzen boomt
Andrea Hodoschek
17.08.24, 05:00„Das ist besonders ärgerlich. Die Pleitenwelle steuert auf einen Rekord zu und ausgerechnet heuer hat der größte Gläubigerschutzverband, der KSV 1870, still und heimlich die Preise kräftig angezogen“, schreibt ein Wiener Unternehmer empört an den KURIER.
Wer als Gläubiger von einer Insolvenz betroffen ist, „hat nicht nur ein Problem, wieder an sein Geld zu kommen. Mittlerweile gibt es bei den Kreditschutzverbänden erhebliche Preisunterschiede“.
Der KSV ist mit laut eigenen Angaben 33.000 Mitgliedern (fixen Kunden) unter den drei „bevorrechteten Gläubigerschutzverbänden“ die Nummer eins in Österreich. „Wir haben die Preise nicht erhöht, sondern ein völlig neues Preismodell eingeführt, das auf einem Erfolgstarif basiert“, kontert KSV-Geschäftsführer Ricardo-José Vybiral. Nur wenn bei einer Insolvenz eine Quote ausgeschüttet werde, wird auch der KSV bezahlt. Man gehe dabei in Vorleistung und trage das Risiko. Daher seien die Preise nicht mit jenen anderer Anbieter vergleichbar.
Creditreform und AKV bleiben bei fixen Gebühren und haben heuer, beteuern beide, nicht erhöht bzw. nur an die Inflation angepasst.
Das Geschäft ist hart umkämpft, der Wettbewerb unter den drei Anbietern scharf. 2024 dürfte sich für Österreichs Wirtschaft zum Rekord-Pleitenjahr auswachsen. Tragisch für die betroffenen Unternehmen, aber profitieren die Gläubigerschützer von der schwierigen Wirtschaftslage?
„Nein“, sagt Vybiral, die Insolvenzvertretung „ist mittlerweile nur ein Service von vielen, die wir anbieten. Unser Portfolio ist nun so diversifiziert, dass wir Jahr für Jahr sehr stabil wirtschaften können“.
„Das Geschäft rennt gut, aber vergessen Sie nicht, dass wir in den Corona-Jahren 2020/21 die wenigsten Insolvenzen seit den 70er-Jahren hatten“, betont Creditreform-Geschäftsführer Gerhard M. Weinberger. „Nein, das Geschäft blüht nicht. Wir wissen ja nicht, ob wir bei einer Insolvenz etwas verdienen“, meint dagegen AKV-Chef Hans Musser.
Blackbox
Wie viel die Unternehmen mit der Vertretung ihrer Kunden im Insolvenzfall tatsächlich verdienen, wird gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Während Pleite-Firmen häufig Intransparenz vorgeworfen wird, sind die Vereine selbst nach außen eine Blackbox. Das habe der Gesetzgeber, der die Vereinsform vorschreibt, offenbar so gewollt, heißt es dazu bei allen Dreien. „Warum sollen wir veröffentlichen, wenn wir nicht müssen?“, argumentiert Musser. Laut Statut dürfe man keinen Gewinn machen, „es bleibt gerade so viel übrig, dass wir technologisch auf dem letzten Stand sein können“. Es gebe Jahre, wo der Verein gut verdiene, aber auch Jahre, „in denen wir nachschießen müssen“.
Am Hungertuch nagt freilich keiner der Vereine. Die Insolvenzvertretung ist nur ein Geschäftsbreich. Zusätzlich werden weitere Dienstleistungen angeboten, etwa Bonitätsüberprüfungen und Inkasso. Der KSV hat diese Geschäfte in eine Holding mit GmbHs ausgelagert. 2022 machte die Holding knapp 20 Millionen Umsatz, vor Dotierung der Gewinnrücklage steht in der Bilanz ein Überschuss von 4,5 Millionen Euro. Aktuellere Daten liegen noch nicht vor. Der KSV kauft seit 2023 auch Forderungen auf eigenes Risiko auf, eigentlich ein Bankgeschäft. Und Immobilien halte man „zur Absicherung für schwierige Zeiten“.
Die international aufgestellte Creditreform hat Inkasso, Auskunftei und Adressverlag an den deutschen Unternehmer Rainer Kubicki ausgegliedert. Dessen Beteiligungsfirma weist für 2022 einen Gewinn von 3,6 Millionen Euro aus.
Der AKV betreibt auch die diese Bereiche direkt im Verein. Ebenso wie bei Creditreform wird nicht einmal die Zahl der Mitglieder genannt.
Promi-Beiräte
Der AKV hat seinen beratenden Beirat inzwischen aufgelöst, die Herren hatten permanent Terminprobleme. Vorsitzender war Ex-SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, der dieses Mandat ("fast ehrenamtlich") ohnehin mit der Signa-Pleite hätte abgeben müssen. Auch im Gremium waren Michael Ikrath, Ex-ÖVP-Abgeordneter und Peter Hagen, ehemaliger CEO der Vienna Insurance Group (VIG).
Im Beirat der Creditreform sitzen u. a. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer, Versicherer Christian Oppl (Vorsitz), die Industrielle Karin Exner-Wöhrer (Salzburger Aluminium) und ihr Ehemann Leo Exner.
Ebenfalls gut besetzt mit Wirtschaftsprominenz ist der Vereinsvorstand des KSV. Vizepräsident ist Reinhold Süßenbacher (Umdasch), Mitglieder sind Dietmar Geigl (Vorstand Heinzel AG), Top-Hotelierin Elisabeth Gürtler-Mauthner (Sacher), Valerie Hackl (ehemals Austro-Control-Chefin, Strabag-Aufsichtsrätin), Christian Harder (Strabag-Vorstand), Manfred List, Rudolf Payer (Simacek), Peter Umundum (Vorstand Post) und A1-Vorständin Sonja Wallner.
KSV von 1870
Nummer eins in Österreich, 33.000 Mitglieder, 361 Mitarbeiter, Gruppenumsatz 56,7 Millionen Euro 2023.
Creditreform
International aufgestellt, 160.000 Kunden in Europa, 130 Mitarbeiter in Österreich, 4.500 weltweit.
AKV
Alpenländischer Kreditorenverband, heuer 100-jähriges Bestehen, 130 Mitarbeiter.
Vereinsform
Laut Gesetz dürfen nur gemeinnützige, „bevorrechtete Verbände“ Insolvenzvertretung für Gläubiger übernehmen. Die Geschäftsergebnisse sind nicht veröffentlichungspflichtig und werden auch nicht publiziert.
Insolvenzwelle
Im ersten Halbjahr 2024 stieg die Zahl der Firmenpleiten um mehr als ein Viertel auf 3363 Fälle, die Passiva summierten sich auf 11,2 Milliarden Euro, größter Fall ist Signa. Die Creditreform prognostiziert für das Gesamtjahr mehr als 7200 Insolvenzen, der KSV rechnet mit 6500. Grund ist die flaue Wirtschaftslage.
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