Georg Feith: "Das ist ein verlogenes System"

„Eingriff in die Freiheitsrechte des Bürgers“: Feith kritisiert Pläne zur Erweiterung des Diskriminierungsschutzes (Levelling up).
Glanzstoff- und CV-Chef Georg Feith über Uni-Betrieb, Pensionslücke, Homo-Ehe und Luxus-Autoreifen.

KURIER: Bei Ihrer Firma ist passiert, was anderswo nur angedroht wird: Sie produziert nicht mehr in Österreich.

Georg Feith: Wir sind aber nicht freiwillig gegangen. In St. Pölten wurde 1993 – nach der Übernahme – eine 20 Millionen Euro teure Filteranlage aufgebaut. Davor hat die Glanzstoff fast 100 Jahre lang St. Pölten verstunken. Im Gewerberechtsbescheid haben wir uns verpflichtet, die Schadstoffe um mehr als 90 Prozent herauszufiltern. Das ist nicht ganz gelungen. 2008 ist diese Filteranlage abgebrannt. Weil klar war, dass wir das gesetzte Ziel technisch nicht erreichen konnten, die Gemeinde aber darauf beharrte, wurde der Standort geschlossen.

Was blieb in Österreich?

Die Holding der Glanzstoff Industries ist hier geblieben. Produziert wird in Tschechien, Luxemburg und Italien. In China wird ein neuer Standort aufgebaut. Wir wollen Kunden folgen.

In Italien waren Mitarbeiter bisher so gut wie kündigungsgeschützt.

Wir haben 20 Mitarbeiter neu aufgenommen, weil man seit 2015 auch wieder Leute kündigen kann.

Ist der US-Markt interessant?

Eher nicht, weil wir ein Spezialist für Premium-Reifen geworden sind. Natürlich gibt es auch dort Porsches, die solche Reifen brauchen, aber die werden nicht in den USA produziert. 70 Prozent solcher Premium-Reifen werden in Europa verkauft.

Und in China?

Dort auch. Ein Audi A6, der über 200 km/h fahren kann, braucht solche Reifen. Das ist übrigens das Reifensegment, das am schnellsten wächst – sechseinhalb Prozent im Jahr. Alles, was mit Luxus zu tun hat, wächst schneller – auch in Europa. BMW hat mehr Zuwächse als Renault, Audi mehr als Opel.

Was ist das Besondere an Reifen aus Ihrem Gewebe?

Bei starker Belastung wird der Reifen heiß, und dann ist er kaputt. Polyester schmilzt. Rayon ist kein Thermoplast und wird daher nicht weich. Aber wenn Sie an einen Randstein anfahren, ist der Reifen trotzdem kaputt.

Stehen Revolutionen im Reifenbereich an? Zum Beispiel ein Einheitsreifen satt Sommer- und Winterreifen?

Ein Reifen ist immer ein Kompromiss. Ein Winterreifen hat mehr Roll-Widerstand als ein Sommerreifen. Ein Winterreifen bremst schlechter auf trockener Straße. Michelin hat einen Crossover für jede Saison herausgebracht. Es gibt gewaltige Qualitätsunterschiede bei Reifen. Ein Billigreifen aus China hat einen um 30 Prozent längeren Bremsweg.

Alle reden von Digitalisierung. Spielt das in Ihrem Geschäft eine Rolle?

Wir sammeln mehr Daten. Aber der Reifen ist der einzige Teil am Auto, den man nicht simulieren kann. Testfahrer entscheiden, ob das Material im Reifen gut genug ist.

Was ist das Gute am Wirtschaftsstandort Österreich?

Man kann normalerweise vernünftig mit Arbeitnehmervertretern reden. Und es ist zwar schwierig, aber Sie kriegen hier noch immer qualifizierte Leute. Die Firmen müssen aber ihre Facharbeiter stützen und weiterbilden, etwa in Mathematik. Und betrachten Sie die Universitäten: Alle Studien haben Abbruchraten von rund 50 Prozent.

Weil viel mehr Leute als früher studieren.

Ja, aber das ist ein verlogenes System. Man lässt die Studenten in einen völlig überfüllten Betrieb hinein. Es gibt – trotz Zugangsbeschränkung – 500 Psychologie-Erstanfänger an der Uni Wien. Das ist die größte psychologische Studienrichtung im deutschsprachigen Raum! Das ist doch absurd! Wer in Amerika studieren will, muss sich bewerben. In Berkeley nimmt man 10 Prozent der Bewerber, davon bricht dann keiner ab.

Was ist schlecht am Standort Österreich?

Die Lohnnebenkosten sind eine Katastrophe. Und wir haben eine Metternichsche Kultur. Man muss jeden Schmarrn genehmigen lassen. Oder das Patentwesen! Ein einziger Skandal! In München schreiben Sie dir am Montag den 14., dass sie sich das überlegen müssen, weil es ein schwieriger Präzedenzfall sei. Und am Montag den 21. hast du eine Entscheidung. Das Wiener Patentamt hat in einem bereits zwei Jahre laufenden Rechtsstreit mit einem Mitbewerber allein vier Monate gebraucht, um sich zuständig zu erklären. Und das in einem High-Tech-Land! Wir haben zehn Millionen in Anlagen investiert und noch jetzt keine Rechtssicherheit. Da wird von der Politik nichts gemacht.

Sie sind ja auch Chef des Österreichischen Cartellverbands und haben das Pensionsthema zu Ihrem Thema erhoben. Warum eigentlich?

Es gibt in Österreich niemanden, der sich darum kümmert.

Das würde der Sozialminister aber heftig bestreiten.

Ich habe Minister Rudolf Hundstorfer mit einer Studie von Eco Austria konfrontiert, wonach die Deckungslücke bei den Pensionen nicht zehn, sondern 20,5 Milliarden Euro beträgt. Hundstorfer hat darauf nur geantwortet, dass das alles nicht stimmt. 50 Prozent der Lücke seien nur die Witwenpensionen, was eine Sozialleistung sei. Aber das ist eine interessante Sozialleistung, die vom Gehalt des verstorbenen Ehegatten abhängt! Die Regierung schwindelt sich durch, beschönigt Daten, verschleppt Reformen. Es gibt kein Monitoring und keine Prognosen für Beamtenpensionen. Unvorstellbar!

Der CV ist in der Regierung gut vertreten – vom Vizekanzler abwärts sind relativ viele ÖVP-Minister CVler. Ihre Anliegen könnten Sie dort ja einbringen.

Wir arbeiten dran. Aber der CV ist ja keine Kommandozentrale. Es gibt mehr Aktive als je zuvor, der CV wächst.

Ist ein Männerbund denn noch zeitgemäß?

Gute Frage – für die Aufnahme von Frauen gibt’s jedoch keine Mehrheit. Wir arbeiten aber mit Damen-Verbindungen zusammen.

Wozu braucht’s den CV?

Der ÖCV kämpft für christliche Werte in der Gesellschaft. Das Levelling up (Gesetz zur Erweiterung des Diskriminierungsschutzes, Anm.) und den Sexualerziehungserlass ...

... bekämpfen Sie beides.

Ja. Levelling up bedeutet natürlich auch, dass die Hofburg nicht mehr entscheiden kann, ob sie den WKR-Ball zulässt. Es gibt immer zwei Seiten der Medaille. Warum darf ich nicht als Heimträger nur Sozialisten fördern, wenn ich Mitgliedsbeiträge einsammle und ein sozialistisches Studentenheim aufbaue? Die Reform wäre ein Eingriff in die Freiheitsrechte des Bürgers.

Es ging unter anderem um Rechte für Homosexuelle.

Ich habe kein Problem damit, wenn Homosexuelle am Standesamt heiraten. Den Begriff Ehe würde ich aber für Mann und Frau reservieren. Auf 36.000 Eheschließungen kommen 360 Verpartnerungen im Jahr. Wegen dem einem Prozent machen wir ein Riesen-Trara. Dass wir aber in Wien angeblich schon weniger katholische Geburten haben als muslimische, ist – glaube ich – langfristig schon ein Problem. Da findet eine dramatische Gesellschaftsveränderung statt, damit muss man sich beschäftigen. Integration ist ein absolutes Muss. Deshalb braucht’s den CV.

Glanzstoff Industries Die Firma zählt zur Weltspitze bei Stützgeweben (aus Cellulose) für High-End-Reifen. Gegründet als chemisches Unternehmen in St. Pölten 1904, gab es später etliche Eigentümerwechsel. Über die Geschichte wurde heuer ein Theaterstück von Felix Mitterer am aufgelassenen Standort in St. Pölten aufgeführt. An diesem Ort war später die New Design University eingemietet.

Georg Feith Geschäftsführer von Glanzstoff Industries, seit einem Jahr Chef des Österreichischen Cartellverbands. Feith (53) ist Absolvent der Montanuni Leoben, hat einen MBA der University of Berkeley (Kalifornien). Vor Glanzstoff war er u. a. bei Stölzle, der US-Firma Bain and Company sowie Neumann Aluminium.

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