Starke Frauen sollen Österreich aus der Wirtschafts-Misere retten

Johanna Mikl-Leitner mit Gunter Mayr (Finanzministerium) und Michael Höllerer (Raiffeisen, li.) bei der Veranstaltung Starke Frauen, Starke Männer im Palais Niederösterreich
Zusammenfassung
- Frauen in Österreich verdienen 18% weniger als Männer und sind in Führungspositionen unterrepräsentiert.
- Stärkung von Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt; Unternehmen sollten Chancengleichheit und Unterstützungsprogramme bieten.
- Familienfreundliche Strukturen und Netzwerke sind entscheidend, um Frauen beruflich zu fördern und Selbstzweifel zu überwinden.
In Österreich verdienen Frauen im Schnitt um 18 Prozent weniger als Männer. Mit der Gleichstellung der Geschlechter im Land sieht es trist aus, mit der Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit ebenso. Bei der Erwerbstätigkeit von Frauen gibt es allerdings viel ungenutztes Potenzial. Viele arbeiten in Teilzeit, in Führungsetagen sind Frauen immer noch sehr unterrepräsentiert. Wie man diesen Zustand verbessern und damit den Wirtschaftsstandort stärken könnte, darum drehte sich am Freitag eine Veranstaltung im Palais Niederösterreich in Wien.
Aufgabe für beide Geschlechter
"Starke Frauen, starke Männer", lautete das Motto zweier Diskussionsrunden, zu der Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und WK-NÖ-Präsident Wolfgang Ecker einluden. Es sollte betonen, dass die Stärkung von Frauen ein gesamtgesellschaftliches Projekt ist, von dem am Ende alle profitieren. Die erste Gesprächsrunde bestand aus zwei Frauen und vier Männern. "Das ist ein Abbild der Realität, wenn wir an Vorstandspositionen denken", sagt Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Es zeige aber auch, welche Rolle Männern zukomme, um den Status quo zu ändern.
Gute Manager fördern Frauen
"Ein guter Manager zeichnet sich dadurch aus, dass er Frauen fördert", sagt Mikl-Leitner. "Unternehmen, die Frauen in Führungsfunktionen haben, sind innovativer und erfolgreicher. Das lässt sich gut nachweisen." Oftmals seien Frauen zaghafter, Führungspositionen zu ergreifen. Was zählen sollte, sei aber Kompetenz, und nicht das Geschlecht. Als Unternehmen müsse man einen "Nährboden schaffen, sodass eine Quote überhaupt kein Thema mehr ist", sagt Michael Höllerer, Generaldirektor der Raiffeisen Holding Niederösterreich-Wien. Man müsse Chancengleichheit schaffen und dafür Unternehmenskulturen verändern.
Dazu zählt für Höllerer, Frauen gezielt zu unterstützen, etwa in Form von Mentoring-Programmen. Außerdem müsse man Strukturen schaffen, die spezielle Umstände berücksichtigen. "Wenn eine qualifizierte Mitarbeiterin sagt, einen Job mit Führungsverantwortung schaffe ich alleine nicht, wenn ich daheim zwei kleine Kinder habe, dann kann man einfach eine Doppelspitze einführen." In Niederösterreich gebe es den höchsten Anteil von Frauen als Bürgermeisterinnen, sagt Mikl-Leitner. "Auch die können in Karenz gehen und die Chance bekommen, sich ein paar Monate auf die Familie zu konzentrieren."

Maria Großbauer (Stadttheater Wr. Neustadt) und Wolfgang Ecker (Wirtschaftskammer NÖ Präsident) bei der Veranstaltung Starke Frauen, Starke Männer
Kinder und Karriere unter einen Hut bringen
Die Vereinbarkeit von Karriere und Familie ist stets ein großer Punkt, wenn es um Frauen und Arbeit geht. In der Steuersektion des Finanzministeriums arbeiten 59 Prozent Frauen, erzählt Gunter Mayr, seit wenigen Tagen Ex-Finanzminister. "Viele davon haben eine Steuerberaterprüfung absolviert und sind von Großkanzleien zu uns gewechselt, obwohl sie dadurch beim Einkommen Nachteile erlitten. In einer Großkanzlei ist es allerdings viel schwieriger, Stunden zu reduzieren. Da sehe ich großes Verbesserungspotenzial."
"Kinderbetreuung ist nicht Frauensache", merkt die Unternehmerin Karin Meier-Martetschläger an. "Und Kinder dürfen kein Ausschlusskriterium für die Karriere sein." Mikl-Leitner nimmt hier auch Medien in die Pflicht. "Ich habe zwei Töchter und werde ständig gefragt, wie ich es schaffe, Familie und Karriere zu vereinbaren. Über diese Frage hab ich mich immer geärgert. Wer käme auf die Idee, das einen Mann zu fragen? Etwa einen Wolfgang Sobotka mit acht Kindern."
Mehr Anreize für längere Arbeitszeiten schaffen
Der Unterschied beim Beschäftigungsanteil von Frauen und Männern sei in Österreich gar nicht so groß, sagt der ehemalige Wirtschaftsminister und zukünftige Nationalbank-Gouverneur Martin Kocher. Bei der Teilzeitarbeit hätte man aber noch einen großen Hebel. Die Teilzeitquote könne verringert werden, das sei aber nicht immer so einfach. "Es muss genug Betreuungsplätze geben", benennt Kocher eine Baustelle. Es gehe auch nicht nur darum, Frauen in Vollzeit arbeiten zu lassen. Auch bei Teilzeit gebe es viel Spielraum. "Es gibt viele Frauen, die nur 10 oder 15 Stunden pro Woche arbeiten."
Im Steuersystem gebe es erhebliches Verbesserungspotenzial, um Leistungsanreize zu schaffen, sagt Mayr. Bei bestimmten Einkommensschwellenwerten gebe es große steuerliche Progressionen. Sie machen eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitsstunden oft unattraktiv.
Mit neuen Rollen vertraut machen
Um Männer stärker an der Familienarbeit zu beteiligen, brauche es eine Änderung des Rollenbildes. Mikl-Leitner erzählt etwa von großer Aufregung in ihrem Büro, als bekannt wurde, dass der Landespolizeidirektor in Karenz gehen wollte. "Ich hab gesagt, dass ich das großartig finde. Jeder kann in Karenz gehen, Mann oder Frau. Und wenn Männer gehen, muss man sie vor den Vorhang holen."
Die klischeehafte Einteilung von Jobs in Männer- und Frauenberufe sei zu überdenken, sagt Hans Ebner, Präsident des Roten Kreuzes Niederösterreich. "Auch Männer können gute Pflegekräfte sein." Mikl-Leitner macht hier aber eine Einschränkung. In bestimmten Bereichen werde man nie Halbe-Halbe erreichen, etwa im Bundesheer oder in der Elementarpädagogik. "Es ist immer kritisch, wenn man Männer im Kindergarten hat. Das wollen Mama und Papa gar nicht."
In bestimmten Branchen sei der Frauenanteil notorisch gering, sagt Wolfgang Ecker, Präsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Beispiele seien der Bausektor, Industrie oder Verkehr. Jede Branche hätte andere Voraussetzungen, aber prinzipiell gebe es noch viel zu tun, um männerdominierte Bereiche attraktiver für Frauen zu machen.

Johanna Mikl-Leitner und ihre Mitdiskutanten bei der Veranstaltung Starke Frauen, Starke Männer
Erfolgsgeschichten gegen Selbstzweifel
Frauen jedoch müsse man Mut zusprechen. Mangelndes Selbstvertrauen sei oft der "Endgegner", meint Corinna Hintenberger, Jungunternehmerin und Frauen-Coach in Niederösterreich. "Oft stellt man sich die Fragen: Bin ich gut genug? Wer soll mir das abkaufen? Was berechtigt mich, hier zu sprechen? Selbstzweifel sind nicht gut. Mein Auftrag lautet, Frauen zu vermitteln, an sich zu glauben."
Hier sei es auch wichtig, Erfolgsgeschichten zu erzählen und Rollenmodelle zu kreieren. Ein Vorbild für ihn sei seine eigene Ehefrau, die es trotz zwei Kindern geschafft habe, eine wissenschaftliche Karriere hinzulegen. Durch einen Wohnort weit weg von Großeltern sei dies "irre komplex" gewesen. "Es hat uns als Familie einiges abverlangt." Doch nun sei sie Uni-Professorin.
Netzwerke und gegenseitige Hilfe
Ganz wichtig sei auch der Zusammenhalt von Frauen untereinander, sagt Maria Großbauer, die Geschäftsführerin des neuen Stadttheaters Wiener Neustadt, die auch viele negative Erfahrungen gemacht hat: "Ich habe schon die unglaublichsten Situationen erlebt, wie man von Frauen angefeindet wird." Männer hätten Frauen beim Bilden von Netzwerken "Jahrzehnte bis Jahrhunderte" voraus. Mikl-Leitner bestätigt das: "Männer können das viel besser. Ihre Netzwerke sind dichter und stärker. Da müssen wir besser werden, liebe Damen!"
Am Ende, sagt die Landeshauptfrau, käme es auf drei wesentliche Punkte an: Mehr Selbstvertrauen, Unterstützung durch die Wirtschaft und Unterstützung durch die Politik. Hintenberger bringt es folgendermaßen auf den Punkt: "Wir Frauen sollten uns weniger anscheißen, sondern einfach machen. Go for it!"
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