Fragwürdige Immobilien-Deals der Stadt Wien

Das Wiener Heumarkt-Areal.
Anwälte gründen Plattform "Pro Gesetz" und zeigen mögliche Verfehlungen auf.

Die Immobilien-Deals der Stadt Wien stoßen laufend auf Kritik – nicht nur seitens der Opposition. Auch Rechnungshof und Experten bemängeln Intransparenz, zu geringe Erlöse und mögliche rechtswidrige Beihilfen. "Man könnte fast von struktureller Korruption sprechen", sagt Gerhard Horak (Bild). "Das System lädt dazu ein."

Dem auf Vergaberecht spezialisierten Anwalt reicht es jetzt. Gemeinsam mit sieben Kollegen hat er die Initiative Pro Gesetz (Link) gegründet. Ziel ist es, diese Deals kritisch zu durchleuchten und rechtliche Empfehlungen abzugeben. Die Initiatoren bezeichnen sich als unabhängig und unparteiisch. "Uns interessieren nicht strafrechtliche Aspekte, sondern wir wollen die Interessen der Steuerzahler wahren und den Selbstbedienungsladen schließen", sagt Mit-Gründerin Vera Sundström (Bild). "Die Verantwortlichen gehören in die Pflicht genommen." Die Plattform will sich zunächst verdächtigen Geschäften der Stadt Wien widmen, in weiterer Folge die Tätigkeit auf ganz Österreich ausbreiten.

Fragwürdige Immobilien-Deals der Stadt Wien

Die ersten Fälle betreffen Immobilienprojekte in Wien.

Heumarkt-Areal

Die jahrelangen Streitigkeiten um die Neugestaltung des Heumarkt-Areals wurden am 1. Juni mit dem Beschluss von Rot/Grün im Gemeinderat zur Umwidmung vorläufig beendet. Ursprünglich wurde das Areal vom Wiener Stadterweiterungsfonds verwaltet. 2007 wurde es um 4,2 Millionen Euro an die Investoren Michael Tojner und Franz Guggenberger verkauft. Schon im April 2013 kritisierte der Rechnungshof, dass das Erlöspotenzial "bei weitem nicht ausgeschöpft" worden sei.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft führt nach wie vor Ermittlungen zu den Vorgängen im inzwischen aufgelösten Stadterweiterungs-Fonds. Sie wirft unter anderen dem Ex-Chef Untreue vor, weil er Immobilien, darunter eben auch den Heumarkt, zu billig verkauft und aus den Erlösen widmungswidrige Schenkungen getätigt habe. Der Beschuldigte (ein ÖVP-Funktionär) bestreitet die Vorwürfe.

Unterstützung erhält er von Innenminister Wolfgang Sobotka. Seinem Ministerium war der Fonds unterstellt. Dass das Erlöspotenzial beim Verkauf des Heumarktes nicht ausgeschöpft wurde, sei darauf zurückzuführen, dass es auf dem Grundstück zum Zeitpunkt des Verkaufs eine Bausperre gab, sagte Sobotka kürzlich im Rechnungshofausschuss im Parlament.

Fragwürdige Immobilien-Deals der Stadt Wien
: Foto MMag. Vera Sundström foto credit: pro-gesetz.at
Die Bausperre ist freilich jetzt aufgehoben. Dadurch hat sicht laut Sundström der Wert der Immobilie auf mindestens 30 Mio. Euro erhöht. "Die früheren Eigentümer, die Wiener Bürger, können davon nicht partizipieren." Im Gegenteil – sie müssten nun eine mögliche Aberkennung des Weltkulturerbe-Status befürchten und damit auch negative Folgen für den Tourismus.

Darüber hinaus könnte die durch den Umwidmungsbeschluss herbeigeführte Wertsteigerung zu Gunsten eines privaten Unternehmens das EU-Beihilfeverbot verletzen. Damit wäre der Gemeinderatsbeschluss rechtswidrig. Sundström fordert, den Beschluss diesbezüglich rechtlich abzuklären.

Semmelweis-Areal

Nicht minder pikant ist der Verkauf des Semmelweis-Areals im 18. Bezirk um 4,6 Mio. Euro an die at home Immobilien GmbH im Jahr 2012. Diese steht im Eigentum zweier Gesellschaften, die von SPÖ-Funktionären, darunter der oberste Baugewerkschafter Josef Muchitsch, kontrolliert werden. "Wohnbaustadtrat Michael Ludwig konnte trotz mehrfacher Anfragen der Opposition nicht begründen, warum at home den Zuschlag bekam", sagt Anwalt Horak.

Fragwürdige Immobilien-Deals der Stadt Wien
ABD0125_20160222 - WIEN - ÖSTERREICH: THEMENBILD - ZU APA0304 VOM 22.2.2016 - Ein Pavillon auf dem Semmelweis-Areal aufgenommen am Montag, 22. Februar 2016, in Wien-Währing. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Auch der Rechnungshof kritisierte das fehlende öffentliche Angebot für die 8000 große Liegenschaft. Zwar zog Ludwig einen externen Gutachter bei, der die Liegenschaft mit 4,66 Millionen Euro bewertete. Dieser hat aber laut Horak auch auf dem Areal eine Liegenschaft erworben. "Er ist somit selbst Begünstigter seiner eigenen Bewertung", sagt Horak. Das werfe Fragen zu dessen Unabhängigkeit auf.

Horak beziffert den durch das fehlende Bieterverfahren entstandenen Schaden auf 8,9 Millionen Euro (Differenz zwischen Gutachter und marktüblichen Preisen). Auch in diesem Fall könnte es sich um eine unionsrechtswidrige Beihilfe handeln. "Eine entsprechende Meldung an die EU könnte jeder Mitbewerber durchführen", sagt Horak.

SPÖ-Zentrale Löwelstraße

Wie in der Vorwoche bekannt wurde, hat die Bundes-SPÖ ihre Büros in der Löwelstraße von der Stadt Wien gemietet, seit Jahren um nur 4,27 Euro je Quadratmeter. Normal liegt der Preis in dieser Lage bei fast 30 Euro. Die Gesamtmiete für das 3181 große Büro beträgt 13.586 Euro im Monat. Auch diesen Fall will sich Pro Gesetz auf mögliche Interessenskonflikte innerhalb der Wiener SPÖ zum Nachteil der Bürger Wiens hin ansehen.

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