Mythos Vier-Tage-Woche: Was wirklich dahintersteckt

Mythos Vier-Tage-Woche: Was wirklich dahintersteckt
Um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, werben immer mehr Unternehmen mit weniger Arbeitstagen. Das bedeutet noch lange nicht, dass weniger gearbeitet werden muss

Vier Tage arbeiten, Donnerstag ab 17 Uhr Feierabend und dann drei Tage frei: Was für viele, besonders junge Arbeitskräfte äußerst verlockend klingt, wird in immer mehr heimischen Unternehmen zur Realität. Attraktive Arbeitszeiten sind ein Muss, um in Zeiten akuten Fachkräftemangels überhaupt BewerberInnen anzusprechen.

Aktuell kündigen die Wiener Linien für Herbst Pilotprojekte über eine Neuaufteilung der 37,5-Stunden-Woche auf vier Tage an. Und auch die heimische Post lässt einer Ankündigung von 2018 endlich Taten folgen und startet demnächst mit der Vier-Tage-Woche in der Paketzustellung.

Begonnen wird mit der Zustellbasis Hagenbrunn (Niederösterreich), wo sich drei Zusteller im Vier-Tage-Dienst zwei Rayone teilen können. „Wir wollen mit dieser Maßnahme gezielt neue Postlerinnen und Postler für das Unternehmen gewinnen und sind schon gespannt, wie dieses Modell angenommen wird“, sagt Post-Sprecher Markus Leitgeb zum KURIER.

Zwei Beispiele, die einem Trend folgen, den es genauer zu beleuchten gilt.

Die Hälfte dafür

Zusammenhängende Freizeittage liegen voll im Trend, bestätigen Studien: Die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher würde eine gesetzlich verankerte Wahlmöglichkeit zwischen Vier- und Fünf-Tage-Woche bei gleicher Wochenarbeitszeit (40 Stunden) begrüßen, geht aus einer Umfrage des Spectra-Instituts hervor (siehe Grafik). Je nach Altersgruppe zeigen sich große Unterschiede. Unter den 15- bis 29-Jährigen sind zu 68 Prozent dafür, bei den Über-50-Jährigen sind es nur 40 Prozent. Mehr Freizeit wird von den Befürwortern als Hauptgrund angegeben.

Gleiche Arbeitszeit

Mehr Freizeit? Da wird gerne etwas übersehen. Wenn Betriebe mit einer „Vier-Tage-Woche“ werben, handelt es sich in der Regel um keine Arbeitszeitverkürzung, sondern um eine Aufteilung der Wochenarbeitszeit auf vier statt fünf Tage. Aus dem 8-Stunden-Arbeitstag wird also ein 10-Stunden-Arbeitstag. Rechtlich möglich ist dieses flexible Arbeiten schon seit 1998, seit der Reform 2018 kann sogar bis zu 12 Stunden täglich gearbeitet werden.

In einigen Kollektivverträgen, etwa im Handel, gibt es inzwischen einen Rechtsanspruch auf Vier-Tage-Woche. Bisher waren die Betriebe jedoch zurückhaltend, auch weil sich über Teilzeit, Gleitzeit oder Schichtdienste bereits viele Arbeitszeitmodelle etabliert haben. Die Einführung der Vier-Tage-Woche ist alles andere als einfach und daher häufig nur als Pilotprojekt, in einzelnen Abteilungen oder in Start-ups, üblich.

„Es wird dann schwierig, wenn man dieses Modell überfallsartig anbietet, um schnell mehr Mitarbeiter zu gewinnen und nicht in die Unternehmensprozesse integriert und man die gleiche Produktivität erwartet. Das wird mittelfristig zu Problemen führen“, sagt Bettina Stadler von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA).

Voller Lohnausgleich

Gewerkschaft und Arbeiterkammer warnen, dass bei hohem Arbeitsaufwand in der Praxis aus der Vier-Tage-Woche rasch eine heimliche Fünf-Tage-Woche werden kann. Sie fordern eine „echte“ Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich, also Arbeitszeitverkürzung. Um die Umstellung zu erleichtern, soll ein Betrieb bei einer Arbeitszeitreduktion von 20 Prozent nur ein Drittel der Kosten tragen, ein weiteres Drittel soll das AMS und den Rest der Beschäftigte selbst schultern.

Die Wirtschaftskammer will die Entscheidung den Betrieben überlassen. Und wie geht es weiter? „Während der Pandemie haben viele Menschen die Wertigkeit von Arbeit anders definiert“, meint Stadler. „Aber die Teuerung, die für viele Menschen immer spürbarer ist, wirkt sich möglicherweise wieder auf die Arbeitszeitwünsche aus.“

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