Gusel: Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Das Geld steht gar nicht so sehr im Fokus. Viel mehr ein Arbeitsklima, wo sich jeder wohlfühlt und man gerne ins Büro geht. Sicherheit spielt meiner Meinung nach auch zunehmend eine große Rolle.
Herr: Ich sehe nicht so einen wahnsinnigen Unterschied zu anderen Jahrgängen. Sicherheit ist grundsätzlich ein menschliches Bedürfnis. Der Arbeitszufriedenheitsindex zeigt seit 1997 sehr schön, wie die Arbeitszufriedenheit in der Gesamtbevölkerung steigt. Interessant ist: Leute, die als höchsten Schulabschluss die Pflichtschule haben, liegen im Vergleich zu denen, die die Matura haben, weit unter der durchschnittlichen Zufriedenheitsgrenze.
Frau Gusel, Sie sind 22 Jahre jung und studieren Politikwissenschaft. Wie stellen Sie sich ihr zukünftiges Arbeitsleben vor?
Gusel: Ich weiß noch gar nicht in welche Richtung ich gehen möchte. Ich finde, das muss ich auch noch nicht. Ich bin aber nicht nur die Studentin, die in ihrer Blase lebt. Ich habe bereits in der Gastronomie gearbeitet, war eine Zeit lang selbstständig, bin geprüfte Versicherungsagentin, war schon in großen Unternehmen als Ferialpraktikantin. Was mir wichtig ist für die Zukunft: Ich möchte das Narrativ aufbrechen. Auch die Arbeitswelt unterliegt einem Wandel.
Was möchten Sie konkret verändern und tun?
Gusel: Ich bin für eine Vier-Tage-Woche. Damit meine ich: Vier Tage arbeiten, drei Tage frei. Es ist mir bewusst, dass das nicht in jeder Berufsgruppe so einfach ist. Man muss sich das natürlich in der Praxis genauer anschauen. Es geht mir aber darum, dass es keine Arbeitszeitverkürzung ist, sondern vier Tage die Woche produktiv arbeiten – dafür hat man dann drei Tage frei.
Herr: Jeder Mensch will wenig arbeiten und viel Freizeit haben. Zumindest selbstgestaltete Zeit haben. Ich glaube, wenn es um das Thema Arbeitszeitverkürzung geht, muss das ein internationales, oder zumindest ein europäisches Projekt sein.
Gusel: Wir können uns nicht erwarten, dass das Thema von der EU übernommen wird. Ich bin für eine gestärkte EU, trotzdem finde ich, dass das nationale Themen sein müssen.
Herr: Ich meine ja auch nicht, dass man das Thema an die EU delegiert. Man kann sehr wohl auch national über das Thema diskutieren, muss man wahrscheinlich auch. Gleichzeitig gibt es dann aber systemische Grenzen. Eine Arbeitszeitverkürzung heißt ja de facto, dass die Arbeitszeit teurer wird für Unternehmen.
Gusel: Eben nicht, wenn man die Arbeitskraft weniger besteuern würde. Und die ist in Österreich einfach sehr hoch. Für eine Maschine zahle ich nichts!
Die Zahl der Burnout-Erkrankungen steigt kontinuierlich. Dennoch herrscht in vielen Unternehmen noch immer ein Anwesenheitsdruck – also zu erscheinen, auch wenn man krank ist oder abends mindestens so lange zu bleiben wie der Chef...
Herr: Das „Right to disconnect“ sollte man auf EU Ebene einfordern. Es braucht klare Regeln, wann man auf die Arbeitsserver nicht mehr von zu Hause aus zugreifen kann. Das Arbeitshandy, das im Büro bleiben muss. Schlichtweg, weil es ja auch einen gewissen Reiz hat, ständig erreichbar zu sein. Ich habe das Gefühl, dass es noch vor einigen Jahren total hip war, gestresst und „busy“ zu sein. Vielleicht ändert sich das jetzt gerade.
Gusel: Ich merke, dass Menschen in meinem Alter immer mehr „Selfcare“ praktizieren. Also sich ausreichend Zeit für sich selbst nehmen. Junge Leute wollen wieder weg von einem stressigen Lebensstil.
Der Gen Z wird oft vorgeworfen, dass sie nicht mehr „schuften“ wollen. Was ist an diesem Vorwurf dran?
Gusel: Ich glaube, dass die ältere Generation das vermutlich immer der jüngeren Generation vorwirft. Ich denke aber nicht, dass das wahr ist. So viele junge Menschen gehen auf die Straße, gehen demonstrieren, sind politisch aktiv und setzen sich für Klimagerechtigkeit ein. Ich finde nicht, dass man ihnen vorwerfen kann, dass sie sich nicht mehr die Hände schmutzig machen wollen.
Herr: Ich kann Frau Gusel hier nur zustimmen.
Wie wichtig ist Karriere für Sie?
Gusel: Gerade Frauen werden hier immer zu einer Entscheidung gedrängt. Möchte ich Kinder haben oder eine Karriere? Ich finde den Begriff der Karriere unpassend und fehl am Platz. Karriere ist kapitalistisch veranlagt: Es geht immer noch weiter nach oben, ich muss immer noch mehr machen und noch besser sein. Das gibt es aber gar nicht in jedem Berufsfeld.
Herr: Ich habe zwei Kinder, dementsprechend hat Karriere für mich nicht die oberste Priorität. Ich mache meine Tätigkeit gerne und solange ich sie machen kann.
Wie muss die viel zitierte Work-Life-Balance Ihrer Meinung nach aussehen?
Gusel: Ich glaube, das ist sehr individuell. Ich zum Beispiel reise sehr gerne. Ich fliege dieses Jahr für vier Wochen nach Mexiko. Ich kann das machen, weil ich noch Studentin bin. Für viele ist das aber nicht möglich. Mehrere Wochen Urlaub hintereinander sind in vielen Betrieben ein absolutes No-Go.
Herr: Im Grunde geht es darum: Wie lassen sich die Bereiche Arbeit und Privatleben miteinander vereinbaren? Meistens leidet der Bereich, der in der Privatsphäre angesiedelt ist. Wahrscheinlich auch deswegen, weil es wenige Berufe gibt, wo es eine ausreichende Personalentfaltung gibt.
Homeoffice, Remote-Work, flexible Arbeitszeiten: Dass sich zahlreiche Jobs auch gut von zu Hause aus erledigen lassen, hat uns die Pandemie gezeigt. Nun wollen viele Unternehmen ihre Mitarbeiter wieder zurück ins Büro bringen. Was wollen die Mitarbeiter?
Gusel: Ich habe am Anfang der Pandemie gehofft, dass es zu einem Umdenken führt – dass man eben nicht immer im Büro sitzen muss. Ich habe aber immer das Gefühl, dass Arbeitgeber das nicht wollen, weil es einen Kontrollverlust darstellt. Wenn mein Mitarbeiter zu Hause sitzt, kann ich ihn nicht beobachten. Aber, ob man jetzt im Büro immer so viel Kontrolle hat und man wirklich effizienter arbeitet, glaube ich nicht.
Herr: Mit Pandemiebeginn sind die Verkaufszahlen für Überwachungssoftwares sprunghaft gestiegen. Gleichzeitig gehen auch im Büro viele Arbeitsstunden durch Unterbrechung oder Plaudereien mit den Kollegen drauf. Aber der Kontakt mit den Kollegen ist wichtig! Fix ist: Die meisten Leute würden gerne hybrid arbeiten. Also drei Tage Büro, zwei Tage zu Hause. Ich finde, das macht Sinn. Man kann die Vorteile vom Homeoffice genießen, hat aber auch den sozialen Kontakt zu den Kollegen.
Welche Rolle spielt das Thema Gehalt für Sie?
Gusel: Ich reise sehr gerne, das bedeutet, ich brauch das nötige Kleingeld. Ich bin aber definitiv kein Mensch, der von Geld gelenkt ist. Ich bin der Meinung, dass die meisten Menschen im Job bleiben, wenn sie zufrieden mit ihrer Arbeit sind und nicht, wenn sie 100 Euro mehr Gehalt bekommen.
Herr: Ich glaube, es gibt solche und solche Menschen. Es steht auf jeden Fall fest, dass sich im Gehalt gesellschaftliche Wertschätzung manifestiert. Wenn wir uns Arbeitskämpfe der Vergangenheit anschauen: Es geht immer um den Lohn. Und wenn es nur ein paar Euro sind. Wertschätzung, Arbeitssicherheit das sind natürlich auch relevante Aspekte. Die Bedeutung von Gehalt ist aber definitiv groß.
Wenn es um die neue Arbeitswelt geht, ist die Selbstverwirklichung ein zentraler Begriff: Welche Rolle spielt sie?
Gusel: Ich würde mir wünschen, dass sich das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber verschiebt, und dass Arbeitnehmerinnen als selbstbewusste Mitarbeiterinnen auftreten und ihre Ideen einbringen können. Da beginnt die Selbstverwirklichung schon. Und wenn man sich sicher fühlt, kann man sich auch mehr verwirklichen.
Herr: Selbstverwirklichung ist leider meist ein utopisches Prinzip.
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