Finanzminister Brunner: „Hohe Lohnabschlüsse treiben Inflation an“
Im Rahmen der 100. Folge des Finanzpodcasts „Ziemlich gut veranlagt“ von KURIER und kronehit nahm Finanzminister Magnus Brunner Stellung zu Inflation, Konjunktur und Kreditzinsen.
KURIER: In Österreich liegt die Inflation bei 5,4 Prozent, in der Eurozone bei 2,9 Prozent. Womit ist das zu erklären?
Magnus Brunner: Wir hatten in den letzten Jahren eine niedrige Inflation und diese gilt als Basiswert. Im Vorjahr lag Österreichs Inflation unter dem EU-Schnitt – aber ja, aktuell liegen wir zu hoch. Und das zweite ist, dass unser Warenkorb eine andere Zusammensetzung hat als andere europäische Staaten. Hätten wir den deutschen Warenkorb, wäre die Inflation in Österreich bis zu einen Prozentpunkt niedriger.
Warum ist das so?
Unsere Wirtschaft ist sehr stark dienstleistungsgetrieben, weil wir eine Tourismusnation sind und der Tourismus Gott sei Dank gut läuft. Aber das treibt die Inflation. Und zweitens haben wir sehr hohe Lohnabschlüsse, mit Belgien gemeinsam die höchsten in ganz Europa. Das ist gut für die Kaufkraft und wir haben auch die höchste Kaufkraft in Europa. Beides zusammen treibt die Inflation an.
Aber wie lange geht das gut? Da Österreich in einem gemeinsamen Währungsraum mit anderen Staaten ist und bei uns die Lohnkosten ganz massiv steigen, sind wir weniger kompetitiv als andere Volkswirtschaften.
Klar müssen wir die Inflation weiter hinunter bringen – hier ist vor allem die EZB gefragt. Wir sind aktuell bei 5,4 Prozent. Das ist zumindest im Vergleich zum Jahresbeginn, als es über elf Prozent waren, ein deutlicher Rückgang. Aber ganz ehrlich gesagt ist es durchaus möglich, dass wir aufgrund des Basiswertes vom letzten Jahr sogar in dem einen oder anderen Monat vielleicht eine leichte Erhöhung haben. Aber die Prognose ist klar, dass wir im Laufe der nächsten Monate weiter nach unten kommen. Bis vier Prozent wird das relativ gut gehen. Die letzten paar Prozentpunkte werden dann sicher schwieriger.
Liegt die hohe Inflation nicht auch an den vielen Förderungen, die schon in der Pandemie begonnen haben?
Der Ruf nach schnellen und intensiven Hilfen war damals enorm, nicht nur von der breiten Öffentlichkeit, sondern auch von Experten. Wir haben jede Maßnahme immer mit den Wirtschaftswissenschaftern abgestimmt, auch dann im Kampf gegen hohe Preise. Man kann bei jeder Maßnahme darüber diskutieren, ob sie treffsicher genug war. Aber das Problem in Österreich und ganz Europa ist jetzt auch das Anspruchsdenken, und zwar in allen gesellschaftlichen Gruppen und auch in der Wirtschaft. Von diesem Anspruchsdenken müssen wir wegkommen. Der Staat kann nicht alle Krisen dieser Welt immer zu 100 Prozent kompensieren.
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Mit Jahresbeginn wird die CO2-Steuer nochmals um 10 bis 12 Cent je Liter steigen. Das wird die Inflation ja nicht gerade bremsen. Wieso macht man das ausgerechnet jetzt?
Weil wir eine ökosoziale Steuerreform beschlossen haben und das ist ein Teil davon. Sie wird auf der anderen Seite mit dem Klimabonus kompensiert. Ein Einstieg in eine CO2-Bepreisung, wie es andere Staaten ja auch schon gemacht haben, ist wichtig, um die Transformation zu schaffen. 2024 haben wir übrigens einen identen CO2-Preis wie in Deutschland.
Aber der Steueranteil ist jetzt schon relativ hoch. Und auch die Wirtschaftskammer hat gefordert, das zumindest für ein Jahr auszusetzen.
Ja, das kann man fordern und darüber diskutieren, nur dann machen wir alles wieder auf. Bei der ökosozialen Steuerreform wird übrigens auch die Wirtschaft massiv entlastet, wie zum Beispiel mit der Senkung der Körperschaftssteuer um 2 Prozentpunkte.
Wie wird sich das auf die Inflation auswirken? Gibt es da Erfahrungswerte?
Andere Staaten hatten die CO2-Bepreisung in der Vergangenheit bereits früher, das heißt, dort lag die Inflation aufgrund dieser Maßnahmen höher. Und wir ziehen jetzt nach. Und das ist auch einer der Gründe, warum wir bei der Inflation leicht über dem europäischen Schnitt liegen.
Aktuell ist nicht nur die Inflation hoch, sondern es stagniert auch die Wirtschaft. Wie kommt Österreich da wieder heraus?
Wesentlich ist es, im Budget die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Also die Konjunktur anzukurbeln, beispielsweise in der Bauwirtschaft, indem wir Bauprojekte der Bundesimmobiliengesellschaft vorgezogen haben, oder die Kinderbetreuung zu verstärken. Und dann die Energiewende weiter voranzutreiben. Allein in den nächsten drei Jahren werden wir 14 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Etwa für Sanierungsmaßnahmen, die nachhaltige Mobilität oder für die Forschung. Jedenfalls ist für 2024 wieder ein Aufschwung der Wirtschaft prognostiziert.
Viele machen die Erfahrung, dass bei Förderungen die Lieferantenpreise in etwa um den Betrag der Förderung steigen. Gibt es da Kontrollen, etwa bei Photovoltaikanlagen?
Die Kontrollen müssen unbedingt intensiviert werden. Es kann nicht sein, dass man die Mehrwertsteuer senkt und dann wird es nicht weitergegeben. Wir müssen uns unbedingt die Preissituation dieses Jahr anschauen, damit wir im nächsten Jahr Vergleichsmöglichkeiten haben und damit die Bundeswettbewerbsbehörde entsprechend eingreifen kann. Das gilt auch für andere Bereiche wie Tankstellen oder Supermärkte.
Wie sparen eigentlich Sie persönlich?
Bei mir ist es relativ einfach, weil ich vor einigen Jahren mit meiner Frau entschieden habe, in ein Haus unser Geld anzulegen und es zu sanieren. Das heißt, mein Geld, meine Schulden sind eben im Haus.
Haben Sie sich für eine fixe oder variable Verzinsung entschieden?
Eine gute Mischung aus variablen und fixen Zinsen. Wobei ich natürlich zugeben muss, dass ich von den variablen Zinsen die letzten 13 Jahre auch relativ profitiert habe. Man muss nur im Vorfeld wissen, was das eine und das andere bedeutet.
Was sagen Sie zur Initiative Ihres Koalitionspartners, variablen Kreditnehmern zu ermöglichen, auf Kosten der Bank auf einen Fixzins zu den günstigen Konditionen des Jahres 2016 umzusteigen?
Der Vorschlag wirft verfassungsrechtliche Fragen auf. In der jetzigen Zinslage würde das auch keine Erleichterung für die Menschen bringen, ist also der falsche Ansatz. Auch Wirtschaftsforscher wie Felbermayr sprechen sich deutlich gegen den Grünen-Vorschlag aus.
Haben Sie auch Fremdwährungskredite probiert? Das ist ja in Vorarlberg mit dem Schweizer Franken sehr beliebt gewesen.
Nein, habe ich nicht probiert, Gott sei Dank. Das war früher natürlich sehr attraktiv. Wir waren ja das Land auf der ganzen Welt, glaube ich, das im Verhältnis zur Einwohnerzahl am meisten jene Kredite gehabt hat. Es ist interessant, dass die Österreicher relativ risikoavers sind, wenn es um den Kapitalmarkt geht, aber absolut enorm risikoreich, wenn es in der Vergangenheit um eben Fremdwährungskredite oder variable Verzinsung gegangen ist.
Wie halten Sie es mit der privaten Altersvorsorge? Vertrauen Sie da dem Staat?
Dem Staat kann man vertrauen, was die Pensionen betrifft. Aber es macht natürlich Sinn, privat vorzusorgen. Und das müssen wir attraktiver gestalten. Über mein Modell des Vorsorgedepots zum Beispiel. Das versuche ich seit Monaten unserem Koalitionspartner näher zu bringen. Leider habe ich es noch nicht ganz geschafft. Das wäre ein Zugang, der sowohl für die Vorsorge wichtig, aber auch den Kapitalmarkt entsprechend attraktivieren würde.
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Wie soll dieses Depot konkret aussehen?
Darin sind Wertpapiere, die erst nach einer gewissen Behaltefrist von beispielsweise zehn Jahren steuerfrei verkauft werden können. Der Fokus könnte auf Unternehmen, die an der Wiener Börse oder EU-Börsen gelistet sind, gelegt werden. Oder auf grüne Aktien, wobei man hinterfragen muss, was alles grün ist. Das sieht man etwa auch in der Taxonomieverordnung der EU, die Kernkraft als grün definiert.
Müsste man für das Vorsorgedepot dann bestehende Wertpapiere dorthin umschichten oder kann man auch das bestehende Depot als Vorsorgedepot definieren?
Das Vorsorgedepot müsste neu geschaffen werden. Aber die Umschichtung ist nicht so dramatisch und schwierig.
Für die Banken bedeutet das einen Mehraufwand und höhere Kosten...
Es wird einen gewissen Zusatzaufwand für die Banken geben, man muss schauen, dass er so gering wie möglich ausfällt. Aber indirekt hilft die Vorsorge den Banken und vor allem dem Kapitalmarkt und dem Börseplatz insgesamt.
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