Finanz-Start-ups: "Bis zum Aha-Moment dauert es Jahre"
Die hohe Inflation, die Zinswende und geopolitische Unsicherheiten sind auch an Finanz-Start-ups nicht spurlos vorübergegangen. Viele der sogenannten Fintechs mussten massive Abwertungen hinnehmen und fuhren, wie zuletzt das Wiener Kryptowährungs-Vorzeigeunternehmen Bitpanda, Verluste in dreistelliger Millionenhöhe ein. Im Moment sei das Marktumfeld schwierig, sagt Andreas Spengel, Senior Vice President bei Mastercard Deutschland und Schweiz und Experte für den Fintech-Markt. Von Ernüchterung in Bezug auf die jungen Finanzunternehmen will er aber nicht sprechen.
Zum einen gebe es mit Künstlicher Intelligenz eine vielversprechende Technologie, die Geschäftsmodelle in der Branche verändere. „Heute gibt es kaum ein Fintech-Unternehmen, das KI nicht in die Strategie aufgenommen hat“, sagt Spengel. Zum anderen gebe es vor allem im Business-to-Business-Bereich eine hohe Dynamik. „Das Firmengeschäft ist ein Wachstumsmotor.“ Vergangene Woche veranstaltete Mastercard in Wien ein Fintech-Forum, bei dem heimische Finanz-Start-ups ihre Lösungen präsentierten.
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Der Zahlungsdienstleister arbeitet seit Jahren weltweit mit jungen Unternehmen zusammen. Unterstützt werden sie bereits in der Frühphase. Sie können das Know-how und die Services von Mastercard nutzen, auch Beteiligungen sind möglich. Start-up-Programme des Zahlungsdienstleisters haben etwa heutige Branchengrößen wie Revolut, Razorpay oder Divido durchlaufen.
„Fintechs sind ein Katalysator und helfen uns, neue Technologien in den Markt zu bekommen“, sagt Spengel. Dass etwa mobiles Banking oder mobiles Bezahlen bei der breiten Masse angekommen sind, sei auch den Fintechs zu verdanken, die das Thema als erstes aufgegriffen haben, bevor etablierte Banken nachzogen.
Seit erste Fintechs vor mehr als zehn Jahren die Finanzwelt aufrüttelten, habe sich allerdings einiges verändert. Es gehe nicht mehr darum, etablierten Finanzunternehmen das Geschäft streitig zu machen, sondern um Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette.
Bei Investitionen in neue Technologien brauche es einen langen Atem, sagt Spengel. Es dauere oft sehr lange bis strukturelle Veränderungen auch Verhaltensänderungen bei Konsumenten bewirken. Als Beispiel führt er das kontaktlose Bezahlen an, das heute ein Gros der Kartentransaktionen im Handel ausmacht. In Europa sei dies bereits vor 20 Jahren möglich gewesen, auch die Infrastruktur dafür gebe es schon lange. Es sei auch weit einfacher, die Karte hinzuhalten, als sie in den Schlitz eines Bezahlterminals zu schieben. Das müsse aber erst gelernt werden: „Bis zum Aha-Moment dauert es Jahre.“
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Wie sieht es mit österreichischen Fintechs aus? In Österreich gebe es viele Innovatoren und sehr starke Ideen. Das Land sei ein guter Start- und Testmarkt für junge Unternehmen, erzählt Spengel. Weil sie bereits zu Beginn die strengen Hürden der europäischen Regulatorik nehmen müssten, hätten sie später auch am Weltmarkt gute Chancen, sagt Mastercard-Österreich-Chef Michael Brönner.
Bei dem Fintech-Forum in Wien konnte sich das Start-up Commitly aus Perchtoldsdorf durchsetzen, das Firmen bei der Liquiditätsplanung hilft. Ob es in das Fintech-Programm Start Path von Mastercard aufgenommen wird, soll sich demnächst bei einem weiteren Event in Berlin entscheiden.
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