Millionenpleite des FFP2-Maskenherstellers Hygiene Austria

Millionenpleite des FFP2-Maskenherstellers Hygiene Austria
Der skandalumwitterte Mund-Nasen- und FFP2-Schutzmasken-Produzent Hygiene Austria mit Sitz in Wiener Neudorf hat Insolvenz angemeldet.

"Ob Krankenhaus oder Kindergarten, alle verdienen den bestmöglichen Schutz. Dabei machen wir garantiert keine Abstriche. Darüber hinaus bringen unsere Masken mehr Lebensfreude in den Alltag. Sie setzen bunte Akzente und unterstreichen Ihren individuellen Stil. Zusätzlicher Eltern-Bonus: Gefällt dem Kind die Maskenfarbe, reduziert sich die Trage-Diskussion damit (fast) auf null", heißt es auf der Firmenhomepage. "Alle FFP2-Masken entsprechen natürlich der CE-Zertifizierung und sind darüber hinaus, mit dem OEKO-TEX® Zertifikat ausgezeichnet. Den Unterschied spüren Sie bei jedem Atemzug. Tragekomfort trifft maximale Filterleistung. Im Idealfall bemerken Sie die Maske überhaupt nicht und bleiben trotzdem sicher beschützt. Unser 5-lagiges Filter-Vlies ist besonders atmungsaktiv, natürlich schadstoffgeprüft und erfüllt damit höchste Ansprüche. Ein flexibler Nasenbügel und farblich abgestimmte Bänder sorgen für den optimalen Sitz auch bei langen Einsätzen."

Die Rede ist von der Hygiene Austria LP GmbH, der Mund-Nasen- und FFP2-Schutzmasken-Produzentin. Sie ist insolvent. Die Firma hat ihren Sitz in Wiener Neudorf. Über die 100-Prozent-Tochter des Wäscheherstellers Palmers Textil AG wurde am Landesgericht Wiener Neustadt ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet, wie der Gläubigerschutzverbände KSV1870 und Creditreform am Montag dem KURIER bestätigten

Der entsprechend Gerichtsbeschluss sei am Freitag gefasst worden. Die Schuldnerfirma Hygiene Austria LP GmbH wurde gleich zum Start der Covid-19-Pandemie im März 2020 gegründet. Alleineigentümerin ist die Palmers Textil AG. "Im Jahr 2021 und 2022 stand das Unternehmen im Blickpunkt medialer Berichterstattung", so der KSV1870. Der FFP2-Maskenskandal rund um Hygiene Austria und Palmers erregte großes Aufsehen.

Der FFP2-Maskenskandal 

Ursprünglich war das Unternehmen zur Masken-Produktion in Österreich als Joint Venture von Lenzing und Palmers gegründet worden. Nach außen präsentierte sich die Hygiene Austria als Unternehmen mit Produkten "made in Austria", empfing Betriebsbesuche von hochkarätig besetzten Politikerdelegationen und erhielt umfangreiche Staatsaufträge. Später wurde bekannt, dass Masken aus China verkauft wurden. Gegen Ende der Pandemie erschütterte das Unternehmen zudem ein Finanzskandal - im Sommer 2022 berichtete die Tageszeitung "Der Standard" über bis dahin "öffentlich nicht bekannte, schwere Vorwürfe" betreffend "fortgesetzter Steuerhinterziehung in großem Ausmaß unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege". Mindestens 693.000 Euro an Zoll und Einfuhrumsatzsteuer soll Palmers demnach beim Import von Schutzmasken aus China via Palmers Deutschland hinterzogen haben. Palmers und Hygiene Austria wiesen die Vorwürfe zurück.

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Das Insolvenzverfahren

Im Insolvenzverfahren biete die Hygiene Austria nun allen unbesicherten Insolvenzgläubigern eine Zahlungsquote von 20 Prozent, zahlbar binnen zwei Jahren ab Annahme des Sanierungsplanes, so der KSV. Dabei handle es sich vorerst um das gesetzliche Mindestanbot.

"Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Sanierungsbestrebungen tatsächlich aufrechterhalten werden können", betonte die Gläubigerschützerin Brigitte Dostal vom KSV1870. "Auch wird das Sanierungsplanangebot einer strengen Überprüfung standhalten müssen, damit der vorgelegte Zahlungsvorschlag die Akzeptanz der Gläubiger finden wird", fügte sie hinzu.

Die Schulden

Laut KSV1870 und Creditreform betragen die Verbindlichkeiten rund 5,18 Millionen Euro, davon entfallen 4,69 Millionen Euro auf verbundene Unternehmen und 385.800 Euro auf Lieferungen und Leistungen. "Laut Schuldnerangaben hat der Umsatzeinbruch um 95 Prozent aufgrund des Auslaufens der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen, erheblichen Rückgang bei der Abnahme von Gesichtsmasken sowie diverse anhängige Gerichtsprozesse zur nunmehrigen Insolvenz geführt. So hat das Unternehmen einen Millionenprozess gegen ein früheren Kunden verloren.

Die Aktiva (Buchwert) bestehen aus dem Warenlager (3,99 Millionen Euro) und einem Maschinenpark samt Betriebsausstattung in Höhe von 1,47 Millionen Euro.

Die Schuldnerfirma beabsichtigt, das Unternehmen in reduziertem Umfang fortzuführen und hat bekanntlich einen Sanierungsplanantrag, lautend auf Zahlung einer Quote in Höhe von 20 Prozent binnen zwei Jahren eingebracht", so der KSV1870.

 

Der Hintergrund

Derzeit liegt noch kein Insolvenzstatus mit den Verbindlichkeiten vor, aber ein Jahresabschluss zum Geschäftsjahr 2022: "Die Gesellschaft weist zum 31.12.2022 ein negatives Eigenkapital in Höhe von -3,156 Millionen Euro auf. Auf Grund der Durchführung eines Forderungsverzichts durch den Eigentümer Palmers Textil AG am 18.10.2023 in Höhe von 3,972 Millionen Euro liegt keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor. Die Eigenkapitalquote zum Bilanzstichtag nach dem Forderungsverzicht liegt bei rd. 11,6 Prozent", heißt es im Bilanzlagebricht 2022. "Mit dem Auslaufen aller gesetzlichen Covid Maßnahmen sank beginnend mit April 2023 die Nachfrage massiv. Durch strukturelle Veränderungen im Bestellwesen bei Kliniken wurde auch hier längere Zeit die Nachlieferung gestoppt. Ein erneuter, massiver Preisdruck entstand am Markt. Diverse Großhändler versuchten ihre Lagebestände weit unterhalb des üblichen Marktpreises abzuverkaufen; die Herstellkosten und die damit verbundenen Personalkosten bei gleichzeitigem Einbruch des Absatzes sind vorrangig für den Verlust im Geschäftsjahr 2023 verantwortlich."

Der Jahresverlust 2022 betrug 3,334 Millionen Euro bei einem Umsatz in Höhe von 796.000 Euro. Detail am Rande: Im Jahr 2021 wurden noch 21,67 Millionen Euro umgesetzt. Die Verbindlichkeiten 2022 werden mit 8,93 Millionen Euro beziffert, davon entfallen 213.700 Euro auf das Finanzamt, 1,32 Millionen Euro auf Rückstellungen, 684.000 Euro auf Lieferungen und Leistungen und 6,2 Millionen Euro entfallen auf Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen. Interessant ist dabei, dass  2 Millionen Euro der Verbinbdlichkeiten auf einen "beschlossene Gewinnausschüttung gegenüber der Palmers Textil AG" entfallen.

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