Felbermayr: „Der Binnenmarkt ist das Kronjuwel. Wir haben sonst nichts“

Felbermayr: „Der Binnenmarkt ist das Kronjuwel. Wir haben sonst nichts“
Der WIFO-Chef plädiert für Stärkung des EU-Binnenmarkts. Ex-SPD-Vizekanzler Gabriel spricht sich aktuell gegen Vier-Tage-Woche aus.

Inmitten einer globalisierten Welt, die vor großen Veränderungen in der Weltordnung steht, hat Europa ein großes Potenzial, das es zu beschützen gibt. Diese These stellte der ehemalige deutsche SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel im Rahmen der Kommunalen Sommergespräche, der jährlichen kommunalen Denkfabrik von Gemeindebund und Kommunalkredit, in den Raum. Den Binnenmarkt weiterzuentwickeln sei der Schlüssel für Einfluss und Erfolg der EU.

Innovationskraft

Unter dem Binnenmarkt versteht man den einheitlichen Markt der EU, in dem freier Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr gewährleistet ist. „Die Innovationskraft der Europäischen Union, dieser große Markt, ist interessant für die Welt. Und wenn der funktioniert und einig handelt, dann werden wir auch Einfluss haben.“ Dabei gelte es, auch mit möglichst vielen Partnern zurechtzukommen.

Nur, weil Lateinamerika nicht die gleichen Umweltstandards hat, könne man nicht weiter ein Freihandelspakt hinausschieben. Man werde auch China als Partner brauchen. Denn ohne China werde die Klimawende nicht funktionieren.

„Der Binnenmarkt ist das Kronjuwel. Wir haben sonst nichts“, pflichtete ihm Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, bei. Dabei sei der Binnenmarkt zweigeteilt. Während Österreich, Deutschland und die Niederlande schwächeln, ist die Situation „anderswo in der EU besser“. Gerade dieser Umstand zeige aber, dass Europa uns insgesamt „resilienter“ mache.

Der Schutz der Außengrenzen spiele bei der Stärkung des Binnenmarkts eine wichtige Rolle, ist Gabriel überzeugt. Bekomme man dieses Problem nicht in den Griff, hätte man zwar „eine liberale Außengrenze“, aber im Inneren das Problem, dass „der Binnenmarkt schwächer wird“, weil die einzelnen Staaten wieder Grenzen aufziehen.

Interessante Töne

Er verwies auf den Umstand, dass die Attraktivität etwa Deutschlands für die energieintensive Industrie massiv gesunken ist. Und die sei nicht zwangsweise sehr weit weg abgewandert, sondern auch nur nach Frankreich. Interessante Töne schlug Gabriel in diesem Zusammenhang zum Dauerthema Arbeitszeit an. „Ich glaube nicht, dass es die richtige Zeit ist, um dem Affen Zucker zu geben und über die Vier-Tage-Woche und drei Tage Homeoffice zu reden. Das Bürgergeld lockt eher auch zum Nicht-Arbeiten“, so der ehemalige SPD-Vizekanzler.

Und: Ohne Schulden werde man den „gigantischen Stau“, den zumindest Deutschland bei Themen wie Infrastruktur und Bildung hat, nicht abarbeiten können. Auch Felbermayr ist sicher, dass es Investitionen braucht. „Es gibt klare Themen, auch für Gemeinden, wo Investitionen wichtig sind“, so der Wifo-Chef und verwies auf die Sanierung von Altbauten. Hier gelte es, öffentliche Investitionen vorzuziehen. Die Wirtschaftszeichen stünden laut aktuellem Wifo-Konjunkturtest, einer monatlichen Unternehmensbefragung, auf Rezession.

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