Warum KTM die 4-Tage-Woche wieder abgeschafft hat

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Die Politik diskutiert das Modell kontrovers – KTM hat es umgesetzt. KTM-Vorstand Sigl über die Gründe, beliebte Schichten und das Aus.

Gewerkschaft, Arbeiterkammer und SPÖ sprechen sich für die 4-Tage-Woche aus, ÖVP und Wirtschaftskammer dagegen. Der börsennotierte Motorrad- und Sportwagenhersteller KTM hat das Modell im Oktober 2022 eingeführt. KTM-Vorstandsmitglied Viktor Sigl über das Aus nach 4 Monaten.

KURIER: Warum hat KTM eine 4-Tage-Woche eingeführt und wieder abgeschafft?

Viktor Sigl: Ich muss vorausschicken, dass eine 4-Tage-Woche in einem Bereich, in dem eine flexible Arbeitseinteilung möglich ist, eine völlig andere Diskussion als eine 4-Tage-Woche in einem Schichtbetrieb darstellt.

Warum hat sich KTM nun dafür entschieden?

Wir arbeiten im 2-Schicht-Betrieb und hatten die Notwendigkeit im Herbst 2022, temporär unsere Produktionskapazitäten zu erhöhen.

Mehrere Möglichkeiten standen zur Debatte: Die eine war, neben der Früh- und Nachmittag- auch eine Nachtschicht einzuführen. Da sich unsere Arbeitsweise nicht für die Nachtarbeit eignet, haben wir uns bewusst dagegen entschieden.

Warum KTM die 4-Tage-Woche wieder abgeschafft hat

KTM-Vorstandsmitglied Viktor Sigl

Welche Option bot sich noch?

Das Schicht-Modell beizubehalten und Samstag sowie Sonntag durchzuarbeiten. Doch diese Variante ist ausgeschieden, weil wir der Meinung sind, dass die Mitarbeiter nicht unbedingt am Wochenende durcharbeiten sollen. Dann ergab sich die Option, das bestehende Modell zu erweitern: Zwei Stunden früher anzufangen, zwei Stunden später aufzuhören.

Wann hat die erste Schicht begonnen?

Die erste Schicht begann um 4 Uhr statt um 6 Uhr. Die Spätschicht endete nicht um 10 Uhr, sondern um Mitternacht. Die Schichten dauerten 10 statt 8 Stunden und führten dazu, dass das Wochenpensum nach 4 Tagen erreicht wurde. Der Freitag war damit als zusätzliche Kapazität gewonnen. Oder anders formuliert: Ich habe täglich 4 zusätzliche Stunden bekommen – gerechnet mal 5 Tage kamen somit 20 Produktionsstunden mehr zusammen.

Konnten sich die Mitarbeiter aussuchen, welche 3 Tage frei sind?

Die 4-Tage-Woche galt nur für einen speziellen Produktionsbereich und war auf freiwilliger Basis. Es hat sich durch das Schichtrad ergeben, dass der freie Tag nicht immer der Freitag, sondern manchmal auch der Montag war.

Wussten Sie, dass sich ausreichend Freiwillige finden werden?

Ich habe damit gerechnet, dass wir ausreichend Mitarbeiter finden, die sich für dieses befristete Modell entscheiden. Viele Mitarbeiter, die aus Ländern des ehemaligen Jugoslawiens stammen, waren froh, dass sie einen Tag lang länger zu Hause bleiben konnten. Mütter mit Betreuungspflichten nahmen das Modell weniger in Anspruch, da es meist mit der Kinderbetreuung nicht vereinbar gewesen wäre.

War die Früh- oder Spätschicht beliebter?

Da hielt sich die Waage. Generell muss man sagen, dass die Frühschicht vor allem von Frauen mit Betreuungspflichten präferiert wird. Auffällig war, dass die Anzahl der Krankenstandstage in dieser Zeit zurückgegangen ist. Krankenstandstage sind immer auch ein Indiz etwas über die Zufriedenheit am Arbeitsplatz auszusagen.

Warum hat KTM die 4-Tage-Woche nach 4 Monaten wieder beendet?

Zum einen gab es keine Kapazitätsengpässe mehr. Zum anderen haben wir gesehen, dass es fordernd ist, über längere Zeit 10 Stunden zu arbeiten. Das Feedback, das wir bekamen, war, dass der Wunsch nach einem Regelbetrieb größer war als die 4-Tage-Woche. Jeden Tag um 4 Uhr früh anzufangen oder erst um Mitternacht aufzuhören hatte vor allem auf die sozialen Kontakte der Mitarbeiter Auswirkung.

Könnten Sie die 4-Tage-Woche jederzeit wieder einführen, wenn die Notwendigkeit besteht?

Ja, weil wir auf das bestehende Modell zurückgreifen können. Wir haben damals zwei Monate geplant, eine Betriebsvereinbarung aufgesetzt und mit leitenden Arbeitern gesprochen, wie die Rahmenbedingungen aussehen können und müssen. Jetzt könnten wir eine 4-Tage-Woche relativ rasch wieder hochfahren.

Gibt es Unternehmen, die an Ihrem Modell Anleihe genommen haben?

Wir stehen natürlich mit anderen Firmen im Austausch, aber in der gesamten Diskussion wird oft und gerne vieles über einen Kamm geschoren, wie ich finde. Die Realität, insbesondere die individuelle Realität jedes Einzelnen lassen Einheitsmodelle und Rückschlüsse von anderen Firmen auf die eigene selten zu. Man muss immer auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen und gleichzeitig die Produktionserfordernisse im Auge behalten.

Die Arbeitsmarktdaten sind stabil, mehr als 300.000 Menschen sind arbeitslos, gleichzeitig werden Arbeitskräfte gesucht. Wird sich die Diskrepanz wieder wandeln?

Als Arbeitgeber muss man sich attraktiv präsentieren – das wird bleiben. Wir merken, dass der Stellenwert eines Anstellungsverhältnisses in Relation zur Freizeitgestaltung – Stichwort Work-Life-Balance - gesehen wird. Die unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle werden uns wohl ebenso erhalten bleiben wie die diversen Ansprüche. Es gibt Menschen, die mit 25 Stunden pro Wochen zufrieden sind und ihr Auskommen haben und solche, die auch an Samstagen arbeiten und mehr Geld verdienen wollen. Gleichzeitig ist es für uns fast nicht möglich, jemanden aus dem städtischen Bereich zu rekrutieren, weil wir gar keine Möglichkeit haben, eine Unterkunft in Mattighofen zu bieten, da die Wohnsituation in der gesamten Region ausgereizt ist.

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