Familien Porsche und Piech wollen VW an die kurze Leine nehmen

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Die Gründer-Familien mischen wieder tatkräftig mit und setzen mit Wunschkandidat Interessen bei Führungswechsel durch. 3,2 Mrd. Euro Gewinn nach sechs Monaten (plus 31 Prozent).

Die Ablösung von Konzernchef Herbert Diess bringt die Machtverhältnisse bei Volkswagen in Bewegung: Die österreichischen Familien Porsche und Piech, die über die Porsche Automobil Holding SE das Sagen bei Europas größtem Autobauer haben, wollen sich bei Entscheidungen stärker einmischen als bisher, wie aus dem Umfeld des Aufsichtsrats zu hören ist.

"Sie wollen die Umsetzung der strategischen Vorgaben stärker im Blick haben", sagte eine Person mit Kenntnis der Vorgänge der Nachrichtenagentur Reuters. Der künftige Konzernchef Oliver Blume - Wunschkandidat des Porsche-Piech-Clans - solle mehr Augenmerk auf das operative Geschäft legen als sein Vorgänger. 

Blume wird den deutschen Mehrmarken-Konzern ab 1. September neben seinen Aufgaben als Porsche-Chef führen. Investoren-Kritik an der Doppelrolle perlt an den Großaktionären ab. Sie sehen dadurch auch nicht den Erfolg des geplanten Börsengangs der Porsche AG gefährdet. Blume soll vielmehr dafür sorgen, dass der Gang aufs Börsenparkett trotz der Bedenken umgesetzt wird. Denn das ist ein wichtiges Projekt für den Porsche-Piech-Clan.

"Die Struktur des Börsengangs erfüllt vor allem das Interesse der Familien, ihre Kontrolle über Porsche weiter zu zementieren. Von diesem Plan werden sie sich nicht abbringen lassen", sagte Hendrik Schmidt, Experte für Unternehmensführung bei der Fondsgesellschaft DWS, die sowohl bei Volkswagen als auch bei der Porsche Holding investiert ist. Geplant ist, dass die Familien eine Sperrminorität bei dem Sportwagenbauer erhalten, den Ferdinand Porsche 1931 gründete. 

"Die Familien mischen tatkräftig mit - etwas, das ihnen lange abgesprochen wurde", konstatierte eine weitere Person aus dem Unternehmensumfeld. Das sei bei der Neubesetzung der Konzernspitze deutlich geworden, die Familien hätten hier ihren Einfluss geltend gemacht. Sie hätten schließlich erkannt, dass man Diess zu lange habe gewähren lassen.

Management-Etage

Der impulsive, oft unberechenbare Volkswagen-Chef war in den vergangenen zwei Jahren mehrfach vor der Entlassung gestanden, weil er mit dem Betriebsrat über Kreuz lag und das Management nicht in Entscheidungen einband. Auch das an Volkswagen beteiligte Land Niedersachsen war von Diess abgerückt. Der 63-Jährige konnte sich lange nur halten, weil die Familien ihre Hand schützend über ihn hielten. Zuletzt mehrten sich Insidern zufolge jedoch auch bei ihnen die Zweifel, ob er noch der Richtige sei, um die von ihm angestoßenen zahlreichen Veränderungen auch umzusetzen. Daraufhin senkte der Aufsichtsrat den Daumen.

Blume soll den von Diess angestoßenen Wandel zu einem führenden Mobilitätsdienstleister nun in ruhigeres Fahrwasser führen, so der Wunsch der Familien. "Es gibt Unternehmen, in denen die Transformation ruhiger verläuft", sagte einer der Insider. Bei Volkswagen mit seinen widerstreitenden Interessengruppen wurden Konflikte unter Diess öffentlich ausgetragen. Auch das soll sich mit Blume ändern. Investoren und Branchenexperten stoßen sich jedoch daran, dass der Porsche-Chef künftig zwei Hüte tragen soll. Auch intern gibt es in dem mit seinem Haupteigner eng verflochtenen Unternehmen Zweifler: "Reicht ein Chef für zwei börsennotierte Unternehmen?" fragte ein Manager.   

Experten für Corporate Governance formulieren zum Teil deutliche Kritik: Die Regeln guter Unternehmensführung würden bei dem familiendominierten Volkswagen-Konzern seit Jahrzehnten ignoriert, sagte Manuel Theisen, emeritierter BWL-Professor an der Universität in München, der auf solche Fragen spezialisiert ist. "Die Ernennung von Blume ist eine Bankrotterklärung an die Personalpolitik des Aufsichtsrats. Es erfolgt keine Abstimmung. Es folgt einfach der nächste Schüler der Familien Porsche und Piech, der in eine unmögliche Situation reingepflanzt wird." Einen globalen Autokonzern zu führen wie in einem Nebenjob, und parallel einen Börsengang vorzubereiten, sei kaum möglich.

Großaktionäre

Die Porsche SE hält Vorwürfe mangelnder Transparenz für unbegründet. Sowohl Volkswagen als auch die börsennotierte Holding, über die die Familien 53,3 Prozent der Stimmen an dem Konzern halten, hätten schon vor Jahren Regeln eingeführt, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden, sagt ein Sprecher. An wichtigen Entscheidungen seien dutzende Juristen beteiligt, die dafür sorgten, dass betroffene Manager mit Doppelfunktionen bei Sitzungen den Raum verließen. Von Volkswagens Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch, der auch den Vorstand der Porsche SE leitet, ist bekannt, dass er bei Abstimmungen den Raum verlässt, bei denen er befangen sein könnte.

Doch das hat die Kritik nicht verstummen lassen. "Wir haben den größten europäischen Autokonzern und eine Reihe von Großaktionären, die ihrer Verantwortung nicht nachkommen", fasst Theisen zusammen. Die Familien ordneten dem Börsengang von Porsche alles andere unter. Ihnen sei auch egal, ob das Unternehmen 60 oder 80 Milliarden Euro wert sei. "Das zentrale Motiv ist Macht."

Porsche SE bekräftigte Gewinnprognose

VW-Haupteigner Porsche SE hält heuer wegen der Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg weiter sowohl einen Rückgang als auch einen deutlichen Anstieg des Gewinns für möglich. Die Holding, über die die Familien Porsche und Piech die Stimmrechtsmehrheit an dem Autokonzern halten, bestätigte am Montag ihre Prognose eines Nettogewinns vor Steuern zwischen 4,1 und 6,1 Mrd. Euro. 2021 hatte die Porsche SE den Gewinn auf 4,6 (Vorjahr 2,6) Mrd. Euro fast verdoppelt.

In den ersten sechs Monaten stieg der Reingewinn, der sich im Wesentlichen aus der Beteiligung an Volkswagen speist, um 31 Prozent auf 3,2 Mrd. Euro. Davon flossen 3,1 Mrd. Euro von Volkswagen an die Holding. Die Nettoliquidität der Porsche SE sank zur Jahresmitte auf 504 (Vorjahr 641) Mio. Euro, vor allem wegen der Anteilsaufstockung bei Volkswagen. Die Holding hatte im Mai für rund 400 Mio. Euro Vorzugsaktien erworben. Der Anteil am gezeichneten Kapital von Europas größtem Autokonzern erhöhte sich dadurch auf 31,9 (31,4) Prozent.

Im Gesamtjahr erwartet die Porsche SE eine Nettoliquidität zwischen 200 und 700 Mio. Euro. Darin seien keine Effekte aus einem möglichen Börsengang des zu Volkswagen gehörenden Sportwagen-Bauers Porsche AG und einem etwaigen Erwerb von Stammaktien enthalten. Die Porsche Holding will im Zuge des geplanten Börsengangs 25 Prozent plus eine Aktie der Stammaktien an der Porsche AG erwerben. Damit erhielte sie eine Sperrminorität.

Am Kapitalmarkt platziert werden sollen bis zu 25 Prozent der stimmrechtslosen Vorzüge und damit 12,5 Prozent des Gesamtkapitals. Etwa die Hälfte des Erlöses aus dem Börsengang soll als Sonderdividende an die Aktionäre fließen. Zum Zeitplan für den Börsengang, der im Schlussquartal geplant ist, äußerte sich die Porsche SE nicht.

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