Grund zu jammern hat Hartwig Kirner mit Blick auf das zurückliegende Geschäftsjahr keinen. Im Gegenteil. Der Fairtrade-Österreich-Geschäftsführer weist für 2021 ein Umsatzplus von 24 Prozent auf 485 Millionen Euro aus. Auch, weil die Gastronomie über Wochen hinweg geschlossen war und die Österreicher mehr im Supermarkt eingekauft haben. Also dort, wo Fairtrade den Großteil seines Geschäfts macht.
Bleibt die Frage, ob dieser Erfolg nur geliehen ist – und mit den steigenden Inflationsraten und der Ebbe in vielen Haushaltskassen ein jähes Ende findet. „Es gibt eine gewisse Gefahr, dass die Leute wegen der Inflationsangst irrational handeln und bei der Lebensmittelqualität sparen“, gesteht selbst Hartwig Kirner ein. „Irrational“, weil Lebensmittel nur zehn Prozent der durchschnittlichen österreichischen Haushaltsausgaben ausmachen, die großen Ausgabeposten also wo anders liegen, so sein Standpunkt.
Künstliche Tiefstpreise
Er sieht jetzt sogar die Chance auf eine Trendwende im Einkaufsverhalten – hin zu mehr Nachhaltigkeit im Einkaufswagen. „Viele Preise wurden ja nur künstlich tief gehalten, weil die Folgen der Umweltverschmutzung von der Allgemeinheit getragen wurden.“ Eine Tatsache, die lange Zeit ignoriert wurde, nun aber immer mehr ins Bewusstsein der Konsumenten vordringt.
Ob aus Imagegründen oder aus echter Überzeugung – immer mehr Unternehmen setzen auf das Thema Nachhaltigkeit. Dazu gehören neben den Anbaumethoden auch faire Arbeitsbedingungen in den Produzentenländern, für die Fairtrade steht. So haben Fairtrade-zertifizierte Schokoladen in österreichischen Supermärkten mittlerweile einen Marktanteil von neun Prozent. Unter anderem hat Manner, der größte Süßwarenhersteller Österreichs, auf das Fairtrade-Kakao-Siegel umgestellt. Genauso wie der Vorarlberger Großbäcker Ölz oder die oberösterreichische Berglandmilch bei ihren Kakao-Getränken.
70 Prozent des weltweit gehandelten Kakaos kommen übrigens von der westafrikanischen Elfenbeinküste. Reich geworden sind mit den Bohnen nicht die Bauern vor Ort, sondern Großkonzerne, die sich Verarbeitung und Verkauf von Kakao und Schokolade untereinander aufteilen. Im Vorjahr ist der Weltmarktpreis für konventionellen Kakao regelmäßig unter dem Fairtrade-Mindestpreis gelegen – Fairtradebauern haben also besonders von ihrer Mitgliedschaft in einer Fairtrade-Kooperative profitiert.
Kaffeepreis hebt ab
Während die Fairtrade-Kakao-Umsätze in Österreich im Vorjahr um 33 Prozent gestiegen sind, zeigt die Erlös-Kurve bei Kaffee in die andere Richtung. Auch, weil das Niveau nach den coronabedingten Zuwächsen infolge der geschlossenen Kaffeehäuser sehr hoch war. Die Weltmarktpreise von Kaffeebohnen erreichen währenddessen neue Höchststände. „Die Preise pro Quintal sind binnen eines Jahres von 150 auf 300 Dollar gestiegen, davon profitieren aber vor allem die Rohstoffhändler und nicht die Bauern“, erläutert Kirner. Die Erntemengen seien zuletzt gesunken, die Produktionskosten parallel dazu gestiegen.
Missernten
Der größte Kaffeelieferant der Welt ist Brasilien. Schätzungen zufolge steht jede vierte Kaffeepflanze auf der Welt auf brasilianischem Boden. Doch die Ernte fiel zuletzt enttäuschend aus. Das Wetter hat nicht mitgespielt und obendrein gab es coronabedingte Arbeitsausfälle auf den Plantagen. Kurzfristige Probleme also, die aber nicht über die langfristigen Sorgen in puncto Klimawandel hinwegtäuschen können.
Der Klimawandel könnte einen guten Teil der hoch gelegenen Arabica-Anbauflächen ausradieren, warnt Kirner: „Wenn die Entwicklung so weiter geht, riskieren wir die Hälfte der Flächen in den nächsten 30 Jahren zu verlieren.“ Besonders betroffen wären demnach Bauern in Nicaragua, Honduras oder Kolumbien.
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