Dass sogenannte Plattformunternehmen einen derart starken Einfluss auf ihre Branche nehmen, ist Teil des Plans und betrifft nicht nur Essenslieferungen.
Auch die Dominanz von Uber oder Bolt sowie Amazon und Google in ihren jeweiligen Bereichen fußen auf ein und derselben Idee: Die Plattform vermittelt auf möglichst einfache Weise zwischen Angebot und Nachfrage, meist in Form einer leicht zu bedienenden Webseite oder App.
Die global operierenden Plattformen setzen vor allem zu Beginn alles daran, möglichst schnell eine Vormachtstellung zu erlangen: Sie tätigen früh Rieseninvestitionen, rollen ihre Dienste gleichzeitig in mehreren Ländern aus und kaufen dort auch gerne etwaige Konkurrenten auf.
Dabei agieren sie alles andere als kurzfristig gewinnorientiert. „Die meisten Plattformunternehmen sind am Papier betriebswirtschaftlich gescheitert“, meint die Wirtschaftssoziologin Susanne Pernicka. „Aber haben sie dann erst einmal eine Monopolstellung erreicht, können sie die Preisgestaltung in ihrem Bereich frei kontrollieren und somit langfristig Gewinne einfahren.“
Die Dominanz von einzelnen Plattformunternehmen und die kurze Zeitspanne, in der sie diese erreicht haben, bringt aber arbeitsrechtliche Probleme mit sich. Denn während die Plattform selbst ja nur vermittelt, wird die eigentliche Arbeit von den Lieferanten und Fahrern übernommen.
Was fast alle Plattformarbeiter gemeinsam haben? Der Großteil von ihnen arbeitet als freie Dienstnehmer, ist also nicht fix angestellt. Zudem müssen sie meist ihre eigenen Arbeitsgeräte nutzen: Ihr eigenes Smartphone, ihr eigenes Fahrrad, ihr eigenes Auto.
Bezahlt wird nicht nach Arbeitszeit, sondern pro Auftrag. Bei Mjam ist das etwa eine kleine Provision, bei Uber oder Bolt ist es der Fahrpreis – wobei 25 Prozent davon in die Börse der jeweiligen Plattform wandern.
Bei Lieferando sind dagegen alle Fahrradkuriere regulär angestellt, versichert und erhalten sogar ein 13. und 14. Gehalt. Dazu kämen Pauschalen für die Nutzung ihres eigenen Handys oder Fahrrads, wie das Unternehmen versichert.
Kritik am fehlenden Mitspracherecht der Mitarbeiter gab es in der Vergangenheit trotzdem bei beiden Lieferdiensten: Bei Mjam gibt es inzwischen zwar einen Betriebsrat, der vertritt aber lediglich ein Zehntel aller aktiven Fahrer - nämlich nur jene mit fixem Arbeitsvertrag.
Der deutsche Lieferando-Mutterkonzern dagegen hat Ende 2019 sogar gegen die Gründung eines Betriebsrats in Österreich Klage eingereicht. Die Begründung: Er sei unzulässig, da es hierzulande gar keinen Betrieb im eigentlichen Sinne, sondern nur eine Zweigniederlassung gäbe.
„Gerade angesichts der Corona-Krise und der steigenden Arbeitslosenzahlen sind solche Anstellungsverhältnisse besonders problematisch“ meint der Arbeitsforscher Benjamin Herr. „Für viele sind Plattform-Jobs momentan die einzige Möglichkeit, schnell an Geld zu kommen.“
Die deutsche Bundesregierung hat deshalb Ende November eine Gesetzesvorlage präsentiert, die einige Aspekte der Plattformarbeit regulieren soll. Zum Beispiel sollen Plattformunternehmen künftig alle Mitarbeiter verpflichtend sozialversichern müssen. Außerdem soll Arbeitnehmervertretern mehr Mitspracherecht garantiert werden. Ob es auch hierzulande bald Regulierungen dieser Form geben wird, ist unklar.
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