Deswegen wird versucht, das Handwerk und vor allem die Meisterprüfung aufzuwerten, um mehr junge Menschen für eine Lehre zu gewinnen. Beispielsweise wurde die Meisterprüfungsgebühr abgeschafft und ihre Absolventen dürfen den Titel „Meister“ nach dem Vorbild des akademischen Magisters vor ihrem Namen tragen (als Mst. oder Mst.in).
„Schnellsiedekurse“
Doch während Lehren hierzulande immer mehr an universitäre Ausbildungen angeglichen werden, gibt es auf EU-Ebene immer wieder Vorstöße hin zu niederschwelligen Handwerksausbildungen, um den Fachkräftemangel einzudämmen und die Klimawende zu beschleunigen: „Wir sehen Tendenzen, dass immer wieder empfohlen wird, Kurzausbildungen, quasi Schnellsiedekurse, zu schaffen, die einzelne Ausbildungsteile zusammenwürfeln, um dann in wenigen Wochen Personen zu Pseudofachkräften auszubilden“, so Reinhard Kainz, Geschäftsführer der WKÖ-Bundessparte Gewerbe und Handwerk.
Auch in Österreich gibt es solche Kurse, zum Beispiel die Ausbildungsschiene des Elektropraktikers. Hier werden geeignete Arbeitssuchende innerhalb von zwei Monaten für Hilfstätigkeiten als Photovoltaik-Monteure oder im Bereich der Elektromobilität ausgebildet. Absolventen des Kurses gelten hierzulande als angelernte Hilfskräfte und sind nicht mit gelernten Fachkräften gleichzusetzen, erklärt Kainz. Er hat Sorge, dass die EU Österreich durch einen Rechtsakt künftig zwingen könnte, diese kürzer ausgebildeten Arbeiter mit Lehrabsolventen auf eine Stufe zu stellen.
Duales System
„Was wir befürchten ist, dass unser vorbildliches duales System untergraben wird“, so Kainz und meint damit die mehrjährige Lehre, die sich aus der Praxisausbildung im Betrieb und der theoretischen Ausbildung in der Berufsschule zusammensetzt. Auch Scheichelbauer-Schuster betont: „Wir sind deswegen im internationalen Vergleich so gut, weil wir das duale System haben.“
Doch Kainz sieht noch weitere Probleme. Junge Menschen, die sich für die Kurzausbildung zur angelernten Hilfskraft entscheiden, würden wiederum für die Lehre fehlen. Weil ihre Ausbildungen sehr spezialisiert sind und weder in die Breite noch in die Tiefe gehe, könnten sie außerdem niemals ein vollwertiger Ersatz für gelernte Fachkräfte sein, sagt Kainz. Aus demselben Grund seien sie stärker von Berufsunsicherheit betroffen und müssten wieder umgeschult werden, wenn sich die Situation am Arbeitsmarkt ändert.
Thomas Modaschl, Lehrlingsexperte der Arbeiterkammer Wien, kann die Bedenken nicht nachvollziehen. „Solche niederschwelligen Aus- und Weiterbildungsangebote sehe ich als eine sinnvolle Ergänzung zur Lehre. Vor allem Personen mit Pflichtschulabschluss können ihre Situation am Arbeitsmarkt durch jede Ausbildung erhöhen und das Risiko der Arbeitslosigkeit senken“, sagt Modaschl dem KURIER.
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