Ein Deckel, der allen passt – das war in Europa die seit Langem mühsamste Suche nach einem Kompromiss. Ein Dutzend Mal haben sich die EU-Energieminister seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine getroffen – ohne Ergebnis. Und auch am Montag zog sich der Streit zwischen den Anhängern eines europaweiten Gaspreisdeckels und seinen Gegnern zunächst quälend in die Länge.
Dabei hatten schon die EU-Staats- und Regierungschefs vergangene Woche den Auftrag gegeben: Eine Einigung muss endlich her, wie die viel zu hohen Gaspreise in der EU gesenkt werden können.
Letztlich kam es dann aber doch zu einem Kompromiss – auch wenn Deutschland lange mit aller Kraft dagegen bremste, schließlich aber doch seine Zustimmung gab. Eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten genügte für den Beschluss.
Österreich enthielt sich ebenso wie die Niederlande der Stimme – die beiden Regierungen sehen einen Gaspreisdeckel weiter skeptisch.
Ein Deckel bei 180 Euro
Demnach wird nun ein Preisdeckel für Pipelinegas (wie etwa aus Norwegen oder Russland) eingezogen, wenn der Preis drei Tage lang über 180 Euro je Megawattstunde und zusätzlich 35 Euro über dem Weltmarktpreis für Flüssiggas (LNG) liegt.
Ankauf-Verbot
Die vehementesten Befürworter eines Gaspreisdeckels - wie etwa Spanien oder Griechenland – hatten eine Obergrenze bei 160 Euro gefordert. Das aber ließ sich nicht durchsetzen. Am Montag lag der Preis für eine Megawattstunde an der niederländischen Gasbörse TTF bei rund 110 Euro.
Wird der Preisdeckel aktiviert, darf kein europäisches Unternehmen mehr Gas über diesem Preisniveau kaufen. Ausnahmen gäbe es nur, wenn in einem Land akute Versorgungsnot auftritt.
Auf die heimischen Haushalte hat der EU-Preisdeckel zunächst keine Auswirkung, die Energierechnungen werden so bald nicht günstiger werden. Erst jetzt, bei den kommenden Abrechnungen, werden die Energiepreisexzesse des vergangenen Sommers zu Buche schlagen.
Da war der Preis im August einmal auf 340 Euro hinauf geschnalzt. Solch eine Preisrallye soll künftig der nun gefundene Deckel verhindern.
Beschleunigte Verfahren
Wichtiger sind aber noch weitere Maßnahmen, die erst jetzt mit der Einigung auf den Gaspreisdeckel möglich werden: Dazu zählt vor allem die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energieträger. Wer etwa künftig ein Windrad errichten will, soll längstens sechs Monate auf die Bewilligung warten müssen.
Gemeinsamer Einkauf
Und grünes Licht gab es gestern somit auch für den in der EU geplanten gemeinsamen Einkauf von Gas. Erstmals werden demnach alle EU-Staaten über eine gemeinsame Plattform riesige Mengen Gas erwerben. So soll verhindert werden, dass wie bisher die einzelnen Staaten beim Einkauf jeweils gegenseitig die Preise hochtreiben.
Zumindest die ersten 15 Prozent der europäischen Gasspeicher sollen im nächsten Jahr auf diesem Weg gemeinsam befüllt werden. Wobei die Zeit bereits drängt: Mit der Wiederbefüllung der Speicher wird schon im März begonnen.
Bis zuletzt hatte sich Deutschlands Energieminister Robert Habeck (Grüne) am Montag noch mit Händen und Füßen gegen den Gas-Preisdeckel gewehrt. Berlin befürchtete, dass dadurch nicht genug Gas nach Europa käme – Deutschlands gasintensive Industrie würde bei Gasmangel besonders leiden. Ungarn hat den Gaspreisdeckel bei der finalen Abstimmung am Montagnachmittag abgelehnt.
Der Kreml bezeichnete die Regelung als „inakzeptabel“. Dies sei eine „Verletzung des Prozesses der Preisbildung auf dem Markt“, so Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.
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