Am Dienstagnachmittag gab die Mehrheit der EU-Abgeordneten im Plenum in Straßburg grünes Licht für die reformierten Vorgaben, nach denen die Milliarden künftig fließen dürfen. 270 Milliarden Euro stehen für die Jahre 2023 bis 2027 für den EU-Agrarsektor zur Verfügung.
Doch der Streit darüber, was die christdemokratischen, konservativen und liberalen Befürworter als „größte Agrarreform seit 30 Jahre“ bezeichnen, war heftig. Als eine „Sammlung verlorener Chancen“ beurteilte SP-EU-Abgeordneter Günther Sidl die Reform. Und eine „verpasste Chance, die auf uns zurückfallen wird“, sieht auch der grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz.
EU-Sozialdemokraten und Grüne stimmten denn auch gestern geschlossen gegen die jahrelang mit den EU-Regierungen unter großen Mühen verhandelte Reform der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ (GAP).
Direktzahlungen
Schwerwiegendster Vorwurf an die Reform: Die Subventionen an die Bauern seien noch immer nicht ausreichend an Klima- und Umweltauflagen geknüpft, kritisieren Umweltverbände. Zwar werden künftig 25 Prozent der sogenannten Direktzahlungen an die rund sechs Millionen Bauern in der EU an konkrete Umweltbedingungen gebunden.
Und Bauern, die sich an Umweltprogrammen beteiligen – sie heißen „Öko-Regeln“ – sollen mehr finanzielle Unterstützung erhalten: Wer etwa keine Schädlingsbekämpfungsmittel einsetzt, bekommt mehr Geld aus Brüssel. Doch eine Verpflichtung, den Einsatz von Herbiziden zu halbieren, wie es die Grünen fordern, gibt es nicht.
Das Problem bei den Umwelt-Auflagen für die milliardenschweren Direktzahlungen aus Brüssel: Es gibt sehr viele Ausnahmeregelungen. Und diese waren laut EU-Rechnungshof schon bisher dafür verantwortlich, dass der Ausstoß klimaschädlicher Gase in der Landwirtschaft trotz Milliardensubventionen nicht gesenkt werden konnten. Derzeit emittiert die EU-Landwirtschaft noch immer so viele Treibhausgase wie vor zehn Jahren.
Keine Obergrenze
Eine grundsätzliche Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik bleibt aus. Und das auch in anderer Hinsicht: Denn auch eine Obergrenze von 100.000 Euro je Agrarbetrieb wird es weiterhin nicht geben.
Was dazu führt, dass vier Fünftel der EU-Agrarförderungen an nur ein Fünftel der landwirtschaftlichen Betriebe gehen. Davon profitieren riesige Landwirtschaftsunternehmen – viele davon in Osteuropa im Besitz von Oligarchen mit großer Nähe zur politischen Macht.
Zu den wichtigsten Neuerungen der GAP gehört aber, dass die 27 Regierungen der EU nun jeweils eigene Strategiepläne vorlegen müssen, wie sie die Ziele der Agrarpolitik umsetzen wollen.
„Das bringt mehr Flexibilität, aber auch mehr Verantwortung für die Staaten“, versichert ÖVP-Mandatarin Simone Schmiedtbauer.
Österreichs Bauern erhalten Geld aus Brüssel aus zwei Töpfen: Aus jenem für die ländliche Entwicklung kamen 2020 rund 580 Mio. Euro. Die Direktzahlungen machten zuletzt rund 690 Mio. aus.
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