Pranger oder Transparenz: Konzerne müssen angeben, wo sie wie viel Steuern zahlen
Nach fünf Jahren Streit haben sich die Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments am Dienstagabend auf die Regeln des sogenannten Country-by-Country-Reporting geeingt. Die Beteiligten sprachen von einem "Meilenstein für mehr Steuergerechtigkeit".
Einige große Unternehmen nutzen Ableger und komplizierte Firmengeflechte, um Gewinne in Länder mit möglichst niedrigen Steuersätzen zu verschieben und so Steuern zu vermeiden.
Oder aber, wie im Fall Amazon: Der Konzern erzielte im Coronajahr 2020 einen um ein Drittel höheren Umsatz. Dank legaler Steuertricks aber zahlte das Unternehmen an seinem europäischen Firmensitz im Vorjahr keine Steuern.
Legt das Unternehmen nun ab 2023 seine Steuererklärung offen, so hofft man im EU-Parlament, werde der öffentliche Druck auf den Konzern massiv steigen. Keine oder fast keine Abgaben abzuliefern käme also in Zeiten, wo der Ruf nach Steuerfairness immer lauter wird, fast einem auf dem Pranger-Stehen gleich.
Steuerverschiebungen und dadurch Steuerflucht geschieht innerhalb der EU, aber auch weltweit. Schätzungen zufolge verlieren die EU-Staaten durch Steuervermeidung großer Firmen jährlich mehr als 50 Milliarden Euro, sagte der portugiesische Wirtschaftsminister Pedro Siza Vieira. Sein Land hat derzeit den Vorsitz der EU-Staaten und vermittelte den Kompromiss.
Die Country-by-Country-Regeln sollen für multinationale Unternehmen mit weltweit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz gelten. In einem länderbezogenen Bericht sollen sie unter anderem die Nettoumsätze, Gewinn oder Verlust vor Steuern und die tatsächlich gezahlten Ertragssteuern veröffentlichen. Auch Mitarbeiterzahl und Tochterfirmen sollen transparent werden.
Evelyn Regner, SPÖ-Steuerexpertin und Verhandlungsführerin für das EU-Parlament beim Public Country-by-Country Reporting, fordert: „Gerade jetzt, wo Unternehmen Steuergeld erhalten, haben die BürgerInnen noch mehr Anrecht darauf zu erfahren, wo und wie viel Abgaben ein Unternehmen tatsächlich leistet oder wo eben nicht. In die europäische Steuerpolitik kommt endlich Bewegung."
Die Daten sollen für alle EU-Staaten aufgeschlüsselt werden. Die Pflicht gilt zudem für Länder auf der sogenannten Schwarzen Liste der Steueroasen sowie für Staaten, die mindestens zwei Jahre hintereinander auf der sogenannten Grauen Liste stehen, derzeit zum Beispiel die Türkei.
Die Organisation Transparency reagierte enttäuscht. Der jetzt vereinbarte Gesetzestext lasse große Schlupflöcher für die Unternehmen. Hauptkritikpunkt: Die Pflicht zur Offenlegung gilt nur in EU-Staaten und den Ländern auf den Listen der Steueroasen, aber eben nicht weltweit. Transparency forderte die EU-Staaten und das Parlament auf, dem Kompromiss die Zustimmung zu verweigern. Denn beide Institutionen müssen noch endgültig über die Vereinbarung abstimmen. Eigentlich gilt das als Formsache.
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