EU-Digitalgesetze: "Die Konzerne versuchen, Schlupflöcher zu finden"
Ab Samstag tritt auch für kleine Anbieter das EU-Gesetz über digitale Dienste in Kraft, das unter anderem besseren Schutz vor Falschinformationen und mehr Transparenz im Online-Handel bringen soll.. Ab März will die EU mit dem Gesetz über digitale Märkte die Marktmacht großer Technologiekonzerne beschränken.
Der KURIER hat Matthias C. Kettemann, der das Institut für Theorie und Zukunft des Rechts der Universität Innsbruck leitet, zu den EU-Digitalgesetzen befragt. Als Herausgeber und Mitautor eines umfangreichen rechtlichen Kommentars hat er sich ausführlich mit den EU-Digitalgesetzen befasst.
KURIER: Wie wird das Gesetz über die digitalen Dienste das Internet in Europa verändern?
Matthias C. Kettemann: Die neuen Regeln verändern die Art und Weise, wie wir online sprechen und Meinungen äußern. Das ist gerade in einem Jahr, indem viele Wahlen stattfinden, wichtig. Bisher konnten das die Plattformen, von einzelnen Ländern abgesehen, weitgehend selbst entscheiden. Die EU ist zu einer Lösung gekommen, die mehr Rechte für Bürger und mehr Pflichten für die Plattformen bringt.
Für die großen Plattformen gelten die Regeln seit Ende August. Was hat sich bereits geändert?
Die Großen haben einige Verbesserungen durchgeführt. Sie müssen Änderungen und Löschungen, die sie vornehmen in eine Datenbank einspeisen. Das ist ein neue Art von Transparenz, die wir noch nie hatten. Der Wille, die Regeln zu befolgen, ist bei allen Plattformen sehr groß. Außer beim Kurznachrichtendienst X. Es ist wie am Spielplatz. Es sind immer Kinder dabei, die hauen.
Gegen X wurde bereits ein Verfahren eingeleitet.
Bei X hat sich die Situation eindeutig verschlechtert. Es gibt mehr illegale Inhalte auf der Plattform. Mitarbeiter, die sich um die Moderation gekümmert haben, wurden entlassen. X verletzt eindeutig europäisches Recht.
Was ändert sich, wenn ab Samstag alle Dienste und nicht nur die großen betroffen sind?
Die kleinen haben weniger Auflagen. Das ist auch sinnvoll, weil sie keinen so großen Einfluss auf die Willensbildungsprozesse haben. Die Großen sind etwa auch verpflichtet, ihre automatisierten Systemen daraufhin zu untersuchen, inwiefern sie eine Gefahr für demokratische Prozesse darstellen können.
Wie groß ist der Umstellungsbedarf für kleine Dienste?
Ungefähr gleich groß wie bei der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Auch da gab es viele Befürchtungen. Die haben sich aber nicht bewahrheitet. Weil die DSGVO einen Mehrwert bietet, wenn man ihr folgt. Sie führt in der Praxis zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell. Wenn eine Firma nur bestehen kann, in dem sie den Regeln nicht folgt, dann ist das ein Zeichen dafür, das etwas nicht stimmt.
Ab März gilt für große Digitalkonzerne auch das Gesetz für digitale Märkte. Bei der Vorbereitung wird viel getrickst.
Dass es in der Praxis Herausforderungen gibt, war zu erwarten. Die Konzerne versuchen, Schlupflöcher zu finden. Vor allem Apple und Amazon, die den Markt stark monopolisiert haben, sind in einer herausfordernden Rolle. Wir müssen aufpassen, dass es in der Praxis nicht zu Schutzlücken kommt. Ich bin generell Optimist.
Die Regulierung wird greifen?
Keine Regulierung ist so gut wie die entsprechende Medienbildung. Wir müssen auch lernen, wie man sich online verhält und mit digitalen Inhalten umgeht. Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe und gilt für jede Altersstufe. Eine Rechtsregel kann noch so gut sein, es sind immer auch die Menschen gefordert, mitzumachen.
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