Wovor haben Sie Angst?
Ich habe keine Angst, aber ich habe im Baltikum hautnah erlebt, was hybride Kriegsführung heißt. Jedes Mal, wenn ein baltischer Politiker eine Aussage gegen Russland getroffen hat, gab es kurz darauf eine DDoS-Attacke, die die IT-Systeme angriffen. Und wenn ich um die nächsten Ecken denke, dann glaube, ich, dass wir uns in Österreich technologisch dafür besser rüsten müssen.
Apropos Veränderung: Sie sind der Vater von George – ist Ihr Online-Banking in die Jahre gekommen?
Au weh. Da muss ich hart widersprechen. Es ist allemal State of the Art, wir sind in unserer Region die Benchmark. Aber ja, wir müssen den nächsten Schritt machen. Wir werden künstliche Intelligenz reinbringen und den Kunden digitale Beratung bieten. Wir brauchen nicht das tausendste Feature, wir brauchen noch mehr Service und Intelligenz, die unseren Kunden im Alltag einen konkreten Nutzen bringen.
Umsetzung nächstes Jahr?
Das heißt aber umgekehrt nicht, dass wir keine persönliche Beratung mehr haben wollen, im Gegenteil. Dass Menschen in die Bank gehen, passiert tendenziell einfach weniger. Also müssen wir in die Lebensrealität der Menschen. Wir freuen uns aber immer über jeden persönlichen Kontakt mit unseren Kunden. Das heißt aber umgekehrt nicht, dass wir keine persönliche Beratung mehr haben wollen, im Gegenteil. Dass Menschen in die Bank gehen, passiert tendenziell einfach weniger. Also müssen wir in die Lebensrealität der Menschen. Wir freuen uns aber immer über jeden persönlichen Kontakt mit unseren Kunden. Wir pilotieren nächstes Jahr einige Anwendungsfälle und ich bin sicher, dass wir in den nächsten 18 bis 24 Monaten was sehr smartes am Markt haben.
Wie viele Filialen gibt es in Österreich überhaupt noch?
Gut 750. Ich erinnere mich an das 50-Jahr-Jubiläum einer Supermarktkette vor über 10 Jahren. Da bin ich draufgekommen, dass wir damals gleich viele Filialen hatten wie die. Das fand ich interessant, weil Lebensmittel braucht man doch vielleicht öfters als eine Bank. Die Anpassung der Filialen in Österreich ist aber aus meiner Sicht weitgehend abgeschlossen.
Was halten Sie von der Diskussion, dass jede Gemeinde einen Bankomat braucht?
Das ist ein politisches Thema. Das sollte man aber nicht leichtfertig wegdrücken. Da geht es um den Zugang zu Bargeld. Es liegt an uns, in den kleinen Orten nicht das Gefühl des Zurückgelassenseins zu verstärken. Ich verstehe, dass Menschen nicht zwanzig Minuten mit dem Auto fahren wollen, um an Geld zu kommen. Aber da gibt es ja bereits eine gute Übereinkunft zwischen Gemeindebund und den Banken.
Ist Peter Bosek eigentlich ein Bargeldmensch?
Überhaupt nicht. Ich habe nichts dabei, nicht einmal meine Bankomatkarte. Ich bezahle nur mehr mit dem Handy.
Da können Sie nicht mal mehr Trinkgeld geben.
Doch, das geht. Und dann ist es sogar versteuert.
Und Bargeld in der Verfassung, wie sehen Sie das?
Das halte ich als Ex-Verfassungsrechtler für völlig übertrieben. Aber ich will der Politik nicht erklären, was sie für wichtig erachten soll. Ich sehe es einfach als übertrieben an, denn Bargeld ist stark in unserem Land. Es ist auch nicht meine Aufgabe, Kunden zu erziehen. Wir ändern kein Kundenverhalten, sondern richten uns nach dem Kundenverhalten.
Banken sind, seit der Lehman-Krise, stark reguliert. Wie empfinden Sie diese Auflagen?
Da habe ich zwei Seelen in mir. Einerseits ist die Regulierung nach der Bankenkrise klar und hat die Banken in eine viel bessere Position gebracht. Haben wir alle Entscheidungen gemocht? Nein. Aber grosso modo hat das zu einem viel stabileren Finanzsystem in Europa geführt. Deutlich kritischer bin ich beim digitalen Euro. Das ist eine Lösung ohne Problem. Wenn man Geld überweist, passiert das ohnehin digital. Da braucht man keine Pferdekutsche mehr. Es ist ein Produkt, das niemand braucht und das enorme Kosten verursachen wird.
Wie stehen Sie zur umstrittenen KIM-Verordnung, die die Vergabe von Wohnbaudarlehen erschwert?
Der Rückgang im Wohnbaugeschäft ist nicht in einem so großen Ausmaß der KIM-Verordnung zuzuschreiben. Das war eine Kombination aus sehr rasch gestiegenen Zinsen und eine Folge von Covid, als die Preise für Baumaterialien infolge von Lieferkettenproblemen angestiegen sind und dadurch auch die Gehälter am Bau. Viele Projekte sind dann zu hohen Preisen auf den Markt gekommen. In den vergangenen sechs Monaten sind diese Preise wieder etwas heruntergegangen, so wie auch die Zinsen. Ende des zweiten Quartals hat dann das Wohnbaugeschäft wieder begonnen, etwas stärker zu werden. Es ist kein Boom, aber es zieht wieder an.
Österreichs Wirtschaft befindet sich in der Rezession. Die Sparquote ist hoch, der Konsum relativ niedrig. Warum?
Ich glaube, es ist vor allem ein Stimmungsthema. Wir haben alles, was wir brauchen. Das Vermögen der privaten Haushalte ist am Höhepunkt, trotzdem ist die Stimmung schlecht. Der Gini-Koeffizient (misst Ungleichheit der Vermögensverteilung, Anm.) hat sich auch nicht maßgeblich verändert in den vergangenen zehn Jahren. Es ist aber nicht überraschend, dass Menschen nach Covid und anderen Dingen, die passiert sind, nicht supergut gelaunt sind. Das wirkt sich natürlich wirtschaftlich aus. Jede Investition ist eine Wette auf eine positive Zukunft. Die Stimmung dafür ist aber gerade nicht da.
Wie kann sie besser werden?
In Österreich wird das Glas immer als halbleer empfunden und ich höre, es sei alles schrecklich. Das ist es aber nicht. Wir müssen selbst Verantwortung wahrnehmen. Man kann sein Leben nicht von der Politik abhängig machen. Die Bevölkerung inklusive mir wirft der Politik vor, dass sie in den letzten Jahren zu viele Geschenke verteilt hat. Es gibt für alles einen Gutschein. Das ist ein bissl absurd, mir aus der einen Tasche zehn Euro zu nehmen und mir davon 5 Euro in die andere Tasche zu stecken. Und dafür muss ich auch noch danke sagen. Irgendwann muss das ein Ende haben. Das hat ein bisschen dazu geführt, dass sich Menschen in gewissen Bereichen selbst entmündigt haben.
Was müssten die Österreicher jetzt also tun?
Es geht darum, uns selbst am Schopf zu packen. Wir haben Themen wie Energietransformation, die hohe Investitionen bedürfen. Ich wäre extrem happy, wenn wir das als Wachstumsprogramm begreifen. Das Problem in Europa ist, dass das ESG-Thema kommunikativ vergeigt worden ist, weil es immer mit Verzicht verbunden wird. Ich soll keinen Burger essen und nur noch zu Fuß gehen. Das wird von den Menschen als Belastung empfunden.
Was wären Ihre Wünsche an die nächste Bundesregierung, um wieder Wachstum zu schaffen?
Die nächste Regierung muss dringend ein Reformpaket für den Wirtschaftsstandort machen, viele Themen liegen seit Jahren am Tisch, man muss es nur endlich angehen. Es muss auch dringend etwas zum Thema Hochwasserschutz überlegt werden, solche Naturkatastrophen werden wir künftig leider regelmäßig sehen. Und ich wünsche mir eine Art Cyberkobra zur Bekämpfung von Cyberkriminalität bei kritischer Infrastruktur. Ich habe in Estland gesehen, wie ernst die dort dieses Thema nehmen. Wir wollen nicht, dass jemand das Land lahmgelegt wird. Als Verfassungsrechtler sehe ich das als Schutzpflicht des Staates. Weil geopolitische Spannungen erhöhen sich.
Andreas Treichl war immer nah, auch bei der Luminor Bank als Aufsichtsrat. Welche Bedeutung hat er für Sie?
Ich habe immer sehr gerne mit ihm gearbeitet und wir verstehen uns gut. Er hat auch, als er noch operativ in der Erste tätig war, mir nicht jeden Tag gesagt, was ich tun soll und jetzt tut er es schon gar nicht. Es ist eine sehr entspannte Situation.
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