Elvira Nabiullina: Russlands Trumpf im Wirtschaftskrieg
Wenn es darum geht, mit Kleidungsstücken subtile versteckte Botschaften zu senden, kann es Elvira Nabiullina locker mit der britischen Queen aufnehmen. Als sie Ende Februar die westlichen Sanktionen gegen die russische Zentralbank öffentlich kommentierte, war sie ganz in Schwarz gehüllt. Beobachter deuteten dies als Hiobs-Botschaft für die russische Wirtschaft.
Schon einmal, zu Beginn der Corona-Pandemie, stellte sie ihre Landsleute auf harte Zeiten ein, indem sie im TV demonstrativ eine Brosche in Hausform trug. Botschaft: Bleibt lieber daheim! Für Zinssenkungen steckt sie sich gerne eine Brosche in Form einer Taube an die Bluse.
Bisher nur in Finanzkreisen bekannt, rückte Russlands mächtige Notenbankchefin durch den Ukraine-Krieg ins internationale Rampenlicht. Und verblüffte viele Experten. Denn als Krisenmanagerin im Wirtschafts- und Währungskrieg macht sie bisher einen – aus Sicht des Westens – zu guten Job. Mit unerwarteten, aber klug durchdachten fiskalpolitischen Schachzügen versucht sie, den Daumenschrauben der Finanzsanktionen zu entkommen und die Wirtschaft ihres Landes vor dem Crash zu bewahren.
Der überraschende Währungscoup, Gaslieferungen nur noch in Rubel zu akzeptieren, war ebenso ihre Idee wie die Rückzahlung von Dollar-Anleihen in der eigenen Währung. Mit beiden Maßnahmen stützt sie den Rubel. Der Kurs ist fast wieder auf Vorkriegsniveau. Am Freitag wurde der Leitzins von 20 auf 17 Prozent gesenkt. Das verschafft Zeit und Luft. Und Vertrauen in der Bevölkerung. Denn ein Bank-Run blieb bisher ebenso aus wie Bankpleiten.
Aber wer ist diese Frau, die scheinbar mit der Größe der Herausforderungen wächst? Die 58-Jährige, gebürtige Tatarin, stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Ihr Vater war Berufskraftfahrer, die Mutter Arbeiterin. Die begabte Tochter fiel als Klassenbeste in der Schule auf und absolvierte die Moskauer Universität für Wirtschaftswissenschaften mit Bravour. Ihr Professor beschrieb sie als „hoch qualifizierte, gebildete und sehr hartnäckige Person“. Nabiullina ist mit einem Ökonomen verheiratet, ihr Sohn Wassili hat eine Zeit lang in Manchester Ökonomie studiert und lehrt heute an der Wirtschaftsuni in Moskau.
Erste Frau an der Spitze
Mit Nabiullinas Karriere ging es steil bergauf, was für eine Frau in der Männerdomäne Finanz besonders in Russland Seltenheitswert hat. 2013 übernahm sie als erste Frau in einem G-8-Staat, die Zügel der Notenbank. Natürlich mit dem Segen von Präsident Wladimir Putin, für den sie zuvor als Beraterin tätig war. Auch im Wirtschafts- und Handelsministerium hatte sie wichtige Funktionen inne. Wer Nabiullina aber als bloße Marionette des Kremls sieht, schätzt sie falsch ein: „Sie hat sich auf dem Posten der Zentralbankchefin als stärker entpuppt als erwartet“, sagt etwa Ökonom Anders Aslund vom Peterson Institute for International Economics in Washington.
Putin kenne sich in Fiskalpolitik nicht aus und lasse der Expertin, die er respektiere, große Freiheiten. Im März wurde die Ökonomin für eine weitere, dritte und wohl schwierigste Amtszeit verlängert. Allerdings wollen Beobachter wissen, dass Nabiullina wegen des Angriffs auf die Ukraine ihren Posten hinwerfen wollte und das Verhältnis zu Putin seither angespannt ist.
Wirtschaftsliberale
Bei vielen ausländischen Ökonomen ist die Bankerin , die als wirtschaftsliberal eingeschätzt wird, hoch angesehen. Selbst WIFO-Chef Gabriel Felbermayr streute ihr zuletzt Rosen. Sie hat die russische Notenbank modernisiert und ihr Land schon einmal durch schwierige Zeiten gesteuert. 2014, als der Westen auf die Annexion der Krim mit harten Wirtschaftssanktionen reagierte, stützte sie den Rubel und erhöhte die Zinssätze auf 17,5 Prozent.
Trotz wirtschaftlichem Einbruch hielt sie eisern an ihrer Geldpolitik fest – mit Erfolg. Die Inflation sank und die russische Wirtschaft nahm wieder Fahrt auf. Das Magazin Euromoney wählte sie vor sieben Jahren zur besten Notenbankerin, das Magazin Forbes setzte sie sogar auf die Liste der einflussreichsten Frauen der Welt.
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