Dauerbaustelle Zukunftsvorsorge

Dauerbaustelle Zukunftsvorsorge
Nach der jüngsten Reform geizen Banken und Versicherungen mit Informationen. Kritik auch am Pensionskonto.

Leserin Angelika Z. war von Anfang an dabei. Schon 2003, bei Start der vom damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser erfundenen Zukunftsvorsorge (ZV), unterzeichnete sie einen Vertrag für die prämiengeförderte Zusatzpension. Vor Ablauf der zehnjährigen Mindestbindefrist erhielt sie ein Schreiben der Versicherung. Darin aufgelistet: Die weiteren Möglichkeiten, was sie mit ihrem Vertrag und dem angesparten Geld nun machen kann. "Ich kenne mich mit Versicherungen ganz gut aus", erzählt Angelika Z. "Aber mit dem Schreiben konnte ich nur wenig anfangen." Auf eine Mail an die Versicherung wurde zwar mit einem Rückruf reagiert, doch dieser sei ebenso wenig erhellend geblieben.

Das dürfte kein Einzelfall sein, wie Christian Prantner, Finanzexperte der Arbeiterkammer, zu berichten weiß. "Es gibt eine Menge Fragen zu bestehenden Verträgen." Insbesondere mit dem sukzessiven Auslaufen der Verträge (bis Jahresende rund eine halbe Million von insgesamt 1,6 Millionen), gepaart mit der neuerlichen Reform der ZV im Vorjahr.

Die Gesetzesänderung ermöglicht mehr Flexibilität bei der Veranlagung mit dem Ziel, Verluste bei Aktien abzufedern. Schließlich gab es in Folge der Finanzkrise bei Hunderttausenden Verträgen so hohe Verluste, dass mehr oder weniger nur noch dank Kapitalgarantie die bereits eingezahlten Gelder übrig sind. Andere können immerhin auf jährliche Renditen von zwischen drei und vier Prozent verweisen – dank der staatlichen Prämien.

Mehr als 400.000 Kunden sind mit dem Produkt so unzufrieden, dass sie den Vertrag ruhend gestellt haben. Sie zahlen also nicht weiter ein und warten auf das Ende der Mindestlaufzeit. Auch einige Banken empfehlen das. Unabhängig davon können bestehende Kunden nach zehn Jahren Laufzeit zwischen folgenden Optionen wählen:

Veranlagen im alten System Die Versicherungen garantieren, nicht automatisch in die neue Veranlagungsform umzustellen.

Umstieg ins neue System Wegen der niedrigeren Mindestaktienquote sowie des erweiterten Veranlagungsspektrums sei der Wechsel von Vorteil, heißt es seitens der Generali. Der Umstieg ist laut der Wiener Städtischen gratis, die jährlichen Kosten in etwa gleich. Prognosen über die zu erwartende Rendite will aber keine Versicherung geben.

Auszahlung Der Kunde erhält die gesamte angesparten Summe. Hier ist die Hälfte der staatlichen Prämie zurückzuzahlen. Außerdem werden die Kapitalerträge mit 25 Prozent nachversteuert.

Lebenslange Rente Ab dem 40. Lebensjahr kann eine lebenslange Pensionszahlung in Anspruch genommen werden (siehe Abschnitt unten). Prantner empfiehlt dabei eine Hinterbliebenenvorsorge zu vereinbaren, damit Ehepartner bzw. Kinder (bis 27 Jahre) im Todesfall in die Ansprüche eintreten können. Andernfalls verfallen diese.

Gebühren

Sauer stößt Prantner auf, dass einige Anbieter Abschluss- und Verwaltungskosten bei Auszahlung oder gar Verrentung verlangen. "Bei einer klassischen Rentenversicherung geschieht dies ja auch nicht." Ebenso ärgerlich: Ein Anbieter hat einen Kunden von sich aus nach zehn Jahren gekündigt. Dieser muss nun schuldlos nachversteuern. Prantner prüft den Gang vor Gericht.

Erst kürzlich scheiterte in Sachen ZV ein Wertpapierdienstleister vor dem Obersten Gericht. Er wollte einen frühzeitigen Ausstieg wegen der Halbierung der staatlichen Förderung 2012 erreichen. Die Begründung (Entfall der Geschäftsgrundlage) ließen die Richter nicht gelten. Und: Schon 2015 wird die Prämie erneut um 0,25 auf 4,0 Prozent reduziert.

Der Verein für Konsumenteninformation will es mit einem anderen Zugang erneut versuchen. Grund sei, so Juristin Petra Leupold, dass man zwar den Vertrag ruhend stellen, aber dennoch jahrelang nicht kündigen kann. "Die lange Bindung ist sittenwidrig."

Was viele nicht wissen: Eine Zusatzpension ist auch im staatlichen Pensionssystem möglich. Durch eine freiwillige Höherversicherung zur Sozialversicherung kann der künftige Pensionsanspruch aufgebessert werden. Die Höhe der jährlichen Beiträge kann selbst gewählt werden, sie dürfen aber nicht die jeweilige Jahreshöchstgrenze (9060 Euro für 2014) überschreiten. Vorteil: Im Unterschied zu den Leistungen aus der privaten Pensionsversicherung wird 14-mal pro Jahr ausbezahlt und die Inflation abgegolten. Die Beiträge sind bis zu einem Viertel als Sonderausgaben steuerlich absetzbar. Im Todesfall geht ein Teil der Leistungen auf die Hinterbliebenen über. Nachteil gegenüber der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge: Die Leistungen sind nicht zur Gänze, sondern nur zu 75 Prozent steuerfrei, die restlichen 25 Prozent werden wie die Pension versteuert.

Laut Berechnungsbeispielen der Arbeiterkammer Oberösterreich kann eine freiwillige Höherversicherung den jeweiligen Beitragszahlern mehr bringen als eine private Pensionsvorsorge. Voraussetzung dafür ist aber eine längerfristige kontinuierliche Einzahlung. Bei einer erwartbaren niedrigen Pension (mit Ausgleichszulage) ist die Höherversicherung nicht empfehlenswert.

Knapp über 40 und schon in Pension. In Zusatzpension. Mit leicht zynischem Unterton gratulierte der Bankberater zum "erfolgreichen Pensionsantritt" und händigte mir nach langem Hin und Her den "Pensionsvertrag" mit der Versicherung aus. Dabei konnte er seine Enttäuschung über den gescheiterten Verkauf eines Nachfolgeproduktes nicht ganz verbergen. Natürlich wollte er, dass ich trotz miserabler Performance meines staatlich geförderten Zukunftsvorsorgefonds nach zehn Jahren weiter vorsorge und brav einzahle. Stattdessen erlaubte ich mir, einfach auszusteigen und noch dazu den eigentlichen Sinn und Zweck des Ansparens mit Nachdruck einzufordern. Wie hieß es doch so schön im bunten Fondsprospekt: "Machen Sie Ihre Träume wahr!" Endlich Geld zu bekommen erschien mir angesichts der Zinskrise weit logischer als mit dem Sparen für später Geld zu verlieren.

Ab 58?

Doch so einfach war das nicht. Obwohl die Verrentung, also steuerfreies Zusatzeinkommen ein Leben lang, schon ab 40 möglich ist, verschweigen die Banken diese Möglichkeit oder raten ab. Eine Verrentung mache erst ab etwa 58 Jahren Sinn, meinte mein Berater. Auf meine Gegenfrage: "Wer sagt das?" wusste er keine Antwort. Tatsächlich begannen seine Berechnungstabellen erst ab 55. Dass schon Jüngere verrenten, ist wohl nicht im Sinne des Erfinders. Wo kämen wir da hin? Die könnten ihre Rente ja 40 Jahre lang oder noch länger beziehen ...

Es brauchte zwei Anläufe, bis die Versicherung meine Monatsprämie richtig errechnete. Mit 76 Euro steuerfreier Zusatzrente kann ich zwar noch nicht meine Pensionslücke, aber meine Gehaltslücke aufbessern, und das Geld beizeiten in ein sinnvolleres Vorsorgeprodukt investieren.

Das Pensionskonto, über das die Sozialversicherung in diesen Wochen an die Österreicher schriftlich informiert, stiftet viel Verwirrung. Vor allem Junge, die erst wenige Jahre arbeiten, können mit der Information nichts anfangen.

"Tatsächlich hat das Pensionskonto für Junge keine Aussagekraft", meint auch Markus Kastrun, Pensionsexperte und Unternehmensberater bei einer Präsentation beim Finanzdienstleister SwissLife Select. Bis zum Pensionsantritt könne sich gesetzlich noch so viel ändern, dass die spätere Pensionshöhe nicht abschätzbar sei. Allerdings: Die Kontoerstgutschrift, die im Pensionskonto aufscheint, sei ein erworbener Anspruch, der auch durch neue Gesetze nicht mehr reduziert werden könne. "Das Pensionskonto hat Bescheid-Charakter", betont Kastrun. Jeder Bürger habe das Recht, diesen Bescheid auch zu verlangen.

Die Kontoerstgutschrift dividiert durch 14 ergibt die bis zum Ende des Vorjahres erlangte Pension.

Teilzeit-Problem

Erschreckend wird der Blick ins Pensionskonto für Menschen mit kleinen Einkommen, vor allem die Teilzeitbeschäftigten. "Für 1000 Euro Bruttolohn pro Monat gibt es 18 Euro Pension, für 500 Euro also nur neun Euro", betont Kastrun. Die Kleinstverdiener müssten demnach zehn Jahre arbeiten, um monatlich 90 Euro Pension mehr zu bekommen. "Solche Härtefälle wird es häufig geben", ist der Experte überzeugt.

Zähe Reformen

Dass der Staatszuschuss zu den Pensionen, der im Vorjahr 7,2 Milliarden Euro betrug, weniger werden könnte, glaubt Kastrun nicht. Denn die Reformen kämen nicht voran. Das Pensionsantrittsalter steige kaum. Zwar würden die Berufsunfähigkeitspensionen eingeschränkt. Die Menschen würden statt in Pension in Rehabilitation geschickt. "Damit scheinen sie nicht als Pensionisten in der Statistik auf, bezahlt wird aber auch das Rehabilitationsgeld von der Pensionsversicherung. Eine Entlastung fürs Budget ist das daher nicht", erklärt der Spezialist.

Der Haupttreiber für die steigende Pensionslast für den Staat sei daher auch nicht die Hacklerregelung, sondern die Reha-Zahlung für Kranke. "Arbeiter müssen 45 Jahre ins Pensionssystem einzahlen, um die Hacklerregelung nutzen zu können. So lange zahlt kein Akademiker ins System", unterstreicht Kastrun. Lange Studienzeiten seien Gift für die Pension. Denn dafür bekomme man später nichts.

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