Die Tücken des Weißwaschens

Die Tücken des Weißwaschens
Steuerexperte Rainer Brandl berichtet vom großen Reinemachen in Zürich.

In Zürich gibt es derzeit viel zu holen. Nicht nur für die heimische Finanz, sondern auch für Anwälte und Steuerberater. Die Wiener Kanzlei LeitnerLeitner hat mitten im Bankenzentrum einen eigenen „Austrian-Desk“ für verunsicherte Anleger eingerichtet. Geleitet wird das Büro von Rainer Brandl (36), einem Experten für Steuerrecht und Finanzstrafrecht. Im KURIER-Interview erzählt Brandl, mit wem er es zu tun hat, wo die Tücken des Steuerdeals lauern und was er Betroffenen empfiehlt.

KURIER: Warum haben Sie eigens ein Büro in Zürich eröffnet?
Rainer Brandl: Derzeit finden hier viele Gespräche zwischen Schweizer Banken, Vermögensverwaltern und den betroffenen Kunden statt. Die Banken dürfen aber keine Steuerberatung anbieten. Wir sind daher direkt vor Ort mit unserem Service präsent.

Mit welchen Fällen haben Sie es da vorwiegend zu tun?
Es sind überwiegend Fälle, bei denen das Geld schon mindestens 20 oder 30 Jahre in der Schweiz liegt und sich jetzt die zweite oder dritte Generation darum kümmert. Der Gedanke der eisernen Reserve in einem sicheren Land spielte eine große Rolle für die Geldtransfers. Fälle, bei denen planmäßig über Jahre Steuern hinterzogen wurden, spielen hingegen eine untergeordnete Rolle.

Stimmt es, dass die meisten Konteninhaber wegen der regionalen Nähe aus Westösterreich stammen?
Zahlenmäßig wahrscheinlich. So soll es allein 20.000 Grenzgänger aus Vorarlberg geben. Das sagt aber nichts über die Höhe der veranlagten Gelder aus.

Die Tücken des Weißwaschens

Mit welchen Problemen sind die Betroffenen konfrontiert?
Das Steuerabkommen klingt trivial, ist es aber nicht. Da gibt es vor allem zwei Tücken: Erstens kann es passieren, dass man die Steuer zu hoch berechnet und dann mehr nachzahlt als durch die exakte Ermittlung herauskommt. Zweitens ist es möglich, dass durch die Abgeltungssteuer nicht alles abgegolten wurde und es trotzdem zu Nachforderungen der Finanz kommt. Solche Sanierungslücken führen dazu, dass es im Falle der Aufdeckung wegen unvollständiger Einmalzahlung zur Steuernacherhebung kommt und Strafen verhängt werden.

Was empfehlen Sie: Selbstanzeige oder anonyme Abgeltungssteuer?
Jeder Fall ist einzeln zu prüfen, aber es gibt Tendenzen. Bei einem normal veranlagten Vermögen ab 500.000 Euro wird eine Selbstanzeige inklusive Beratungsleistung günstiger sein. Aber auch bei den Vermögen darunter muss ich mir die Frage stellen, ob ich mit der Einmalzahlung einen vollumfassenden Schutz erreichen kann. Ist das nicht der Fall, kann nur eine Selbstanzeige eine vollständige Vergangenheitsbereinigung erwirken.

Es heißt, die maximale Höhe der Abgeltungssteuer von 38 Prozent ist rein theoretisch. Stimmt das?
Die 38 Prozent werden so gut wie nie zur Anwendung kommen, das war eher ein Verhandlungstrick. Im Schnitt werden es 15 bis 20 Prozent sein.

Grund für die Selbstanzeigen soll weniger das Steuerabkommen als die Angst vor Entlarvung durch die Steuer-CD in Deutschland sein ...
Für die bisherigen Selbstanzeigen spielte die Steuer-CD sicher eine Rolle, weil sie ein nicht kalkulierbares Entdeckungsrisiko darstellt. Jetzt gibt es aber vor allem den Druck, dass die Banken bis Jahresende eine Entscheidung haben wollen und künftig eine Kontoführung in der Schweiz ohne korrekte Versteuerung nicht mehr möglich sein wird.

Kritiker bemängeln, dass das Abkommen viele Schlupflöcher hat und durch die Gründung von Stiftungen oder Trusts leicht umschifft werden kann?
Solche Verschleierungskonstruktionen vergrößern das Problem nur, weil der Rucksack der Vergangenheit weiter mitgeschleppt wird. Durch die Verschärfung der Strafen für Abgabenbetrug, drohen bei Auffliegen sogar Haftstrafen von bis zu zehn Jahren.

„Wir beteiligen uns nicht an Hehlerei“, sagt Finanzministerin Maria Fekter. Sie will auch in Zukunft keine Steuer-CDs aus der Schweiz oder anderen Ländern wie Liechtenstein ankaufen. Für illegal erworbene Bankkundendaten werde kein Steuergeld ausgegeben. So seien auch immer nur Daten über heimische Steuersünder auf dem Wege der Amtshilfe von Deutschland nach Österreich gelangt, aber „nie angekauft worden“. Dass hier Geld geflossen sei, sei bloß ein Mythos, der sich hartnäckig unter Journalisten halte.

Im Steuerabkommen mit der Schweiz, das im Mai 2013 in Kraft tritt, ist übrigens explizit festgehalten, dass Österreich keine gestohlenen Daten von österreichischen Kunden von Schweizer Banken kauft. Fekter erhofft sich durch die Steueramnestie bekanntlich eine Milliarde Euro an Kapitalrückflüssen. Ab 2014 sollen dann jährlich rund 50 Millionen Euro aus der laufenden Besteuerung der Kapitalerträge fließen.

Laut Ministerium steigt die Zahl der Selbstanzeigen in Zusammenhang mit Schweizer Konten kräftig, weil das die Steuerberater auch so empfehlen. Heuer trudelten bereits 210 Selbstanzeigen ein und bescherten Mehreinnahmen von 59 Millionen Euro. Seit 2008 gab es 433 Selbstanzeigen. Laut Schätzungen liegen 12 Milliarden Euro an unversteuertem Vermögen aus Österreich auf Schweizer Konten.

Die Globalisierungskritiker von Attac sagen, dass es viele Schlupflöcher im Abkommen gebe und keine Stiftungen erfasst würden. Auch EU-Steuerkommissar Algirdas Ŝemeta wirft Österreich vor, Steuerhinterzieher zu begünstigen. Wien sollte lieber am automatischen Informationsaustausch teilnehmen.

Amnestie Mit einer Einmalzahlung sind alle früheren Steuersünden abgegolten. Das Geld kann weiter anonym auf einem Schweizer Konto bleiben. Ab 2013 werden aber alle Erträge mit 25 Prozent KEst besteuert.

Abgeltungssteuer Das Altvermögen wird einmalig mit einem Steuersatz von 15 bis 38 Prozent besteuert (in der Regel 15 bis 25 Prozent) und von der Bank anonym an die österreichische Finanz abgeführt.

Selbstanzeige Eine Offenlegung des Vermögens gegenüber der Finanz (gleicht einer Selbstanzeige) kommt in der Regel günstiger, dafür geht aber die Anonymität verloren.

Kommentare