Die Schuldenberge der Welt – und die Party geht weiter
Macau, Hongkong, Brunei. Die beiden chinesischen Sonderverwaltungszonen und das erdölreiche Sultanat haben eines gemeinsam: Sie sind de facto schuldenfrei.
Das sucht man im Rest der Welt vergeblich. Sogar die steinreiche Schweiz sitzt auf einem Schuldenberg, der 27 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung entspricht.
Corona-Folgen, Kriegskosten und die flaue Weltkonjunktur treiben den globalen Schuldenstand weiter in die Höhe. Schätzungen gehen von der unvorstellbaren Summe von 226.000 Milliarden US-Dollar aus.
Daran hatten die USA 2021 mit rund 30.000 Milliarden Dollar den größten Anteil. Die größte Volkswirtschaft der Welt sitzt damit in absoluten Zahlen auf dem höchsten Schuldenberg.
An den Finanzmärkten kommt deshalb noch lange keine Nervosität auf. Und die Party an der Wall Street, in London oder Frankfurt geht nach Energiekrise und Ukraine-Krieg in diesem Jahr munter weiter.
Ewiger Kreislauf
Der Grund liegt auf der Hand: Der Kapitalismus moderner Ausprägung funktioniert wie eine Art Perpetuum mobile. Anders als Private können sich Staaten wie die USA de facto ewig verschulden. Alte Schulden werden durch die Aufnahme immer neuer Schulden abgelöst. Und die hohe Inflation hilft sogar, Altschulden zu entwerten und Steuereinnahmen in lichte Höhen zu treiben.
Am anderen Ende der Bandbreite von Macau, Hongkong und Brunei finden sich nicht etwa in bitterer Armut verharrende Entwicklungsländer, sondern Japan, Venezuela und Griechenland.
Das sind jene drei Länder, die im Verhältnis zu ihrer Wirtschaftskraft auf den weltweit meisten Schulden sitzen. Und die ganz unterschiedlich mit der enormen Last umgehen.
Venezuela (240 % Schulden) befindet sich in einer Staats- und Wirtschaftskrise, ist isoliert und mit US-Sanktionen belegt. Sieben Millionen Venezolaner haben das Land verlassen. Sie fliehen vor Armut, Gewalt und Rekordinflation. Eine Einnahmequelle ist der Ölexport.
Japan ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und hat in Relation zum BIP sogar den höchsten Schuldenstand – 264 Prozent (!). Eine schwere Krise wie in Venezuela gibt es nicht.
Zur Finanzierung seiner Schulden hat Tokio schon vor Jahren einen Pakt mit der Bank of Japan geschlossen. Die Notenbank kauft seither die Schulden des Landes auf, hält damit die Zinsen niedrig und das Werk am Laufen.
Gefährliches Experiment
Sparbemühungen und Reformen wurden dank der heiß laufenden Notenpresse immer weiter in die Zukunft verschoben bzw. der nächsten Generation aufgebürdet. Bei einer derart überalterten Gesellschaft wie der japanischen klingt das nach einem gefährlichen Experiment.
Die gigantischen Anleiheaufkaufprogramme der EZB, mit denen den Sorgenkindern in der Euro-Schuldenkrise Luft verschafft wurde, waren dem japanischen Weg aber nicht unähnlich.
Griechenland – mit 171 Prozent Schulden vom BIP noch immer am höchsten verschuldete Land der Eurozone – hat das zweifelsfrei geholfen. Athen kämpfte sich aber auch aus eigener Kraft, ständig begleitet von Protesten gegen die Sparauflagen, zurück. In Summe hatten die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds dem Land zur Abwendung des Bankrotts mehr als 260 Milliarden Euro geliehen. So retteten sie auch den Euro. Im April 2022 konnte Athen IWF-Gelder in Höhe von 28 Milliarden zwei Jahre früher als geplant zurückzahlen.
In Summe kannte die Schuldenentwicklung in der Eurozone freilich nur eine Richtung. Im Jahr 2007, vor Beginn der Finanzkrise, betrug die durchschnittliche Staatsverschuldung in der Eurozone rund 65 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Bis zum Höhepunkt im Jahr 2014 stieg die durchschnittliche Staatsschuldenquote auf rund 92 Prozent.
Versuche, der Entwicklung mit Schuldenbremsen oder verpflichtenden Obergrenzen entgegenzuwirken, waren bisher selten von Erfolg gekrönt. In den USA wird derzeit wieder einmal heftig über die Anhebung der Schuldenobergrenze von bisher 31.400 Milliarden Dollar gestritten. Einigen sich Demokraten und Republikaner nicht, droht die Zahlungsunfähigkeit. Ein Zahlungsausfall der USA kann eine neue globale Finanzkrise auslösen, daher wird es nicht dazu kommen. Aber: 2011 wurde die Anhebung der Schuldengrenze lange hinaus gezögert. Dadurch war die Kreditwürdigkeit der USA zum bisher einzigen Mal in der Geschichte herabgestuft worden.
Wieder unter 80 Prozent
Hierzulande ist das alles unspektakulärer. Sicherheitshalber hat Österreich gar keine in der Verfassung festgeschriebene Schuldenobergrenze, so kann das Schuldenmachen ohne allzu viel Streit weiter gehen.
Dank der Top-Bonität der Republik Österreich ist die Schuldenaufnahme trotz gestiegener Zinsen weiterhin relativ günstig. Heuer dürfte der Schuldenstand der Republik wieder unter 80 Prozent vom BIP sinken. Die Schuldenobergrenze laut Maastricht-Vertrag von 60 Prozent ist zwar meilenweit entfernt, wird aber ohnehin nicht mehr ernst genommen. Immerhin sechs Länder der Eurozone haben Schulden von mehr als 100 Prozent des BIP: Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, Italien und Griechenland.
Factbox
Die Staatengemeinschaft hat nach vielen Krisen, Kriegen und anderen Katastrophen enorme Schulden angehäuft
247 Prozent globale Schuldenquote
Nur 2021 ging die globale Schuldenquote in der Aufholjagd nach der Corona-Krise 2020 von 257 auf 247 Prozent zurück. In Industrieländern sanken die Schulden, in Entwicklungsländern nahmen sie weiter zu. 2022 dürfte der Schuldenstand 226.000 Milliarden Dollar betragen
171 Prozent Schulden hat Griechenland im Verhältnis zur (geringen) Wirtschaftsleistung und damit nach dieser Messzahl die höchste Verschuldung in der Eurozone. In absoluten Zahlen bedeutet das aber „nur“ Schulden von 357 Mrd. Euro
123 Prozent Schulden haben die USA in Relation zum BIP. In absoluten Zahlen sind das ca. 30.000 Milliarden Dollar. Das ist die höchste Verschuldung weltweit
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