Wien-Tourismus-Chef zu 3G: "Drollige Diskussionen in Österreich"

CORONAVIRUS: INTERVIEW MIT WIEN-TOURISMUS-CHEF NORBERT KETTNER
Unter welchen Bedingungen der Tourismus wieder hochgefahren wird, definiert Österreich nur am Rande, sagt Norbert Kettner

Sobald die Grenzen offen und die Flugverbindungen hochgefahren sind, wird der Koffer gepackt. „Das kann man derzeit in Israel beobachten“, sagt Wien-Tourismus-Chef Norbert Kettner. So reisten heuer allein im September 37.000 Gäste aus Israel in die Bundeshauptstadt, ein Plus von knapp 2.500 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres. Klingt viel, ist angesichts der Tourismusflaute 2020 aber relativ.

Doch auch gegenüber dem Vorkrisenniveau 2019 liegen die September-Gästezahlen aus Israel rund 50 Prozent im Plus. Generell gehe es im Städtetourismus wieder bergauf, sagt Kettner. Nämlich schneller als gedacht. Die Auslastung der Wiener Hotels liege bei durchschnittlich 50 Prozent, wobei der Erfolg angesichts der Infektionslage rund um den Erdball fragil und der Handlungsspielraum beschränkt bleibt.

Die österreichischen Diskussionen zum Thema 3-G findet Kettner übrigens „drollig“: „Die Standards im internationalen Tourismus werden doch ganz woanders gesetzt. Sie kommen von den Fluglinien, von Reiseveranstaltern und großen Hotelketten“, sagt er am Rande eines Sypmosiums des Luxusreisenetzwerks Virtuoso in Wien. Nachsatz: „Bei dieser Veranstaltung mit mehr als 300 Teilnehmern gilt 1G – und keiner hier diskutiert mehr darüber.“ Außer Diskussion steht demnach auch, dass jene, die Geld haben, dieses wieder ausgeben – und Nachholbedarf in Sachen Luxusreisen haben.

„Der Städte- und Kreuzfahrttourismus ist zurück“, behauptet Virtuoso-Geschäftsführer Matthew D. Upchurch. „Kreuzschiffpassagiere sind ein sehr treues Klientel. Im Luxussegment sind bereits 90 Prozent der Schiffe besser gebucht als sie es vor der Krise waren.“

Von Schiffstouristen haben selbst Länder ohne Meerzugang profitiert – Österreich zum Beispiel. Die Flusskreuzfahrten auf der Donau waren gut gebucht, allein aus den USA hatten sie 250.000 Passagiere an Bord. Was in den 1960er- und 1970er-Jahren die Busreise war, ist heute die Gruppenreise am Schiff, sagen Experten.

Apropos US-Urlauber. Sie zählten in Österreich vor der Pandemie zu den wichtigsten Überseegästen (2 Mio. Nächtigungen). „Von 2010 bis 2019 ist die Zahl der US-Gästenächtigungen um 65 Prozent gestiegen“, rechnet Lisa Weddig, Chefin der Österreich Werbung, vor. Derzeit liegen die Buchungen zwar noch 50 Prozent unter dem Vorkrisenniveau, es gehe aber nach oben. Zudem werden sich die Sitze in Transatlantik-Maschinen spätestens ab November wieder füllen, wenn auch Europäer wieder in die USA einreisen dürfen.

Mitarbeiter fehlen noch

Luxusreisen
Weltweit liegt der Anteil an Luxusreisenden bei sieben Prozent. Sie sind allerdings für 20 Prozent der Reiseausgaben verantwortlich. Die meisten Luxusreisen führen in Städte (Anteil von 29 Prozent)

US-Touristen
sind mit Tagesausgaben von statistisch 400 Euro überdurchschnittlich spendabel.  Die Nachfrage nach Europa-Reisen nimmt zu, vor allem in den aufstrebenden Regionen in Texas und Florida, die zuletzt von Firmenansiedlungen profitiert haben

Bleibt die Frage, ob Österreich überhaupt auf das Wiederhochfahren des Tourismus vorbereitet ist. Was den Arbeitsmarkt betrifft, nicht wirklich. „Ich kenne Hoteliers in Tirol, die für die kommende Wintersaison 200 Mitarbeiter brauchen, aber erst 17 gefunden haben“, sagt Lisa Weddig. Der Grund: Arbeiter aus Osteuropa bleiben aus. Viele haben in der Pandemie einen Job in ihrem Heimatland gefunden.

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