Desaster oder Chance? Experten streiten über Aus für Verbrenner
Die Mehrheit des Europaparlaments hat am vergangenen Mittwoch das Aus von Pkw und Transportern mit Benzin- und Dieselmotoren beschlossen, das ab 2035 für alle Neuzulassungen gelten soll. Die Mitgliedstaaten müssen diese Entscheidung aber noch umsetzen. Bei Auto-Experten stoßen diese Pläne auf geteilte Meinung.
"Gute Entscheidung"
„Das ist eine sehr gute Entscheidung, die dem Elektroauto nochmals Rückenwind gibt. Die Autobauer werden schon vor 2035 aus den Verbrennungsmotoren aussteigen. Das haben Stellantis, Mercedes, Volvo und VW bereits angekündigt“, sagt der deutsche Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer zum KURIER.
„Wir gehen auf sicheres Terrain. Wir können die Infrastrukturanbieter mitnehmen, die jetzt Investitionssicherheit kriegen, damit sie Ladesäulen bauen können.“ In den Hauptmärkten Europa, Nordamerika, China und Japan sowie Südkorea werden 90 Prozent der Autos verkauft und dort werde die Elektromobilität schnell umgesetzt.
„Es wäre falsch, wegen der restlichen zehn Prozent den Anschluss zu verpassen“, sagt Dudenhöffer. „Wer rechtzeitig umsteigt wie VW, hat die große Chance der ganz große Gewinner dieser Trendwende zu sein. Das gilt auch für die Zulieferer.“
Preisgünstiger
Die Verbrennungsmotoren werde es noch in ein paar Nischenmärkten, wie Afrika, geben. Elektroautos werden laut Dudenhöffer um 2030 schon preisgünstiger angeboten werden als Benziner. Dass das Europaparlament den Verbrennungsmotoren eine Absage erteilt hat, kommt aber nicht überall gut an.
„Das ist ein Desaster für Europa, eine völlige falsche Entscheidung“, sagt TU-Professor Bernhard Geringer zum KURIER. „Der Weltmarkt vor allem China, Afrika, USA, Indien und Lateinamerika wird weiter Verbrennungsmotoren haben.“ Man habe sich „einseitig ohne Rücksicht auf Verluste festgelegt“.
Geringer rechnet damit, dass die Deadline für Verbrenner in ein paar Jahren verschoben wird und die Regelung aufgeweicht wird wie jetzt schon bei der CO2-Steuer. „Die Botschaft ist für die Industrie und für die Forschung schlecht, weil zum Beispiel nicht in die E-Fuels investiert wird“, sagt der TU Professor, der selbst seit drei Jahren begeistert ein E-Auto fährt. Keine Industrie habe ein Interesse, E-Fuels herzustellen und zu verkaufen, wenn sie keinen Nutzen dadurch habe.
Auch Günther Kerle, der Sprecher der Automobilimporteure, hält die Entscheidung, „eine Technik zu verbieten, für falsch“. Seiner Meinung nach müsste auch künftig ein Verbrenner zugelassen werden, wenn er kein CO2 ausstößt. „Es müsste Technologie-Offenheit gegeben sein. Die Politiker sind keine Ingenieure und wissen nicht, was technisch noch alles kommen kann“, sagt Kerle. „Ohne synthetische Treibstoffe werden die Klimaziele in Europa auch bis 2050 nicht erfüllt werden, weil noch so viele Verbrenner auf der Straße sind. Für die muss man auch etwas machen.“
Mindestens bis 2050
Der Autofahrerclub ARBÖ sieht in der Entscheidung des EU-Parlaments eine „technologische Sackgasse“. Die Konzentration auf E-Mobilität würde die Chancen, die durch synthetische Kraftstoffe entstünden, auslassen und dadurch deren Weiterentwicklung bremsen, meint ARBÖ-Sprecher Sebastian Obrecht. Synthetische Kraftstoffe seien eine noch junge Technologie. Derzeit seien sie nicht in ausreichenden Mengen herstellbar, bis 2035 glaubt Obrecht jedoch schon.
Er glaubt, dass auch noch lange nach 2035 Verbrenner unterwegs sein werden, da die durchschnittliche Behaltedauer von Autos derzeit bei 15 bis 20 Jahren liege. Noch bis mindestens 2050 werden man Verbrenner auf der Straße sehen. Der ARBÖ sei keinesfalls gegen E-Mobilität, sehe sie jedoch nur als einen von mehreren Bestandteilen einer zukünftigen Lösung.
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