Das lange Warten auf Küchen, Polstermöbel und Haushaltsgeräte
Zugegeben, es ist ein Wohlstandsproblem. Doch in manchen Familien spielen sich größere und kleinere Dramen ab, wenn der Geschirrspüler oder die Waschmaschine den Geist aufgeben und das Ersatzgerät Wochen oder gar Monate auf sich warten lässt. Der Grund: Lieferprobleme.
„Halbleiter sind das große Thema in der Branche“, sagt Wolfgang Krejcik, Elektronikhändler in Wien und Branchensprecher. Seit Waschmaschinen die Wäsche wiegen und dementsprechend das Wasser und Waschmittel dosieren, kommen sie quasi mit einem eingebautem Computer daher. Und das ist jetzt das Problem: Computerchips sind weltweit Mangelware.
Da sich das schnell herumgesprochen hat, haben viele Händler längst reagiert. Und Ware eingelagert. Was die Engpässe am Markt weiter verschärft hat. Krejcik: „Auch wir haben jetzt doppelt so viel auf Lager wie noch vor einem Jahr.“
Entspannung ist keine in Sicht. Im Gegenteil. Der Marktforscher Gartner rechnet bis ins nächste Jahr hinein mit Lieferengpässen bei Halbleitern. „Aktuell ist die Nachfrage höher als das Angebot. Es wird sechs bis neun Monate oder noch länger dauern, bis sich das ausgleicht“, sagt Chip-Analyst Alan Priestley. Laut Priestley lassen sich neue Kapazitäten nicht einfach hinzufügen, „weil die Fabriken in der Regel sowieso mit einer Auslastung von 95 Prozent arbeiten.“ Zudem sei die Fertigung von Halbleitern „sehr komplex und teuer“ und es dauere bis zu drei Jahre, eine Fabrik hochzuziehen. Die derzeitige Knappheit habe aber vielen Industrieländern die Abhängigkeit von den drei großen Halbleiter-Herstellern Intel, TSMC und Samsung Electronics vor Augen gehalten.
Auch Michael Dell, Chef und Gründer des weltweit drittgrößten Computerherstellers Dell, geht davon aus, dass die Versorgungsprobleme bei Chips noch länger andauern werden. „Die Knappheit wird wahrscheinlich ein paar Jahre anhalten“, sagte Dell diese Woche in einem Interview mit dem Handelsblatt.
Zu wenige Container
Dazu kommt, dass sich rund um den Globus seit Monaten ein Container-Problem zuspitzt. Reeder haben in der Corona-Krise Kapazitäten vom Markt genommen, die jetzt nicht so einfach wieder in den Kreislauf zurückgebracht werden können. Man kann nicht einfach eine Schleuse wieder aufmachen, und die Kapazitäten sind zurück. Das bekommt auch der österreichische Getränkehersteller und Exporteur Egger zu spüren: „Vor 14 Monaten hat es ungefähr 1.000 Euro gekostet, einen Container von Schanghai nach Hamburg zu verschiffen, heute sind die Preise fünf bis sechs Mal so hoch.“ In die entgegengesetzte Richtung würden die Preisausschläge noch moderater ausfallen. Unter dem Strich werden sich die steigenden Transportkosten aber irgendwann in den Produktpreisen niederschlagen, sind sich alle Experten einig.
Apropos Importware: Elektrogeräte – von der Waschmaschine bis zum Stereogerät – kommen meist aus dem Fernen Osten, sagt Krejcik. „Viele Firmen haben in Europa ja gar kein Montagewerk mehr und stehen jetzt vor dem Containerproblem.“
Wer gerade seine Wohnung neu einrichtet oder renoviert, wird schnell merken, dass er nicht nur auf Elektronikteile ungewohnt lange warten muss. Die Lieferzeit für eine neue Küche hat sich seit Beginn der Krise von sechs auf zwölf Wochen verdoppelt, gestehen Händler ein. Nicht nur, weil sie zu wenig Monteure, also Fachkräfte, finden, die die Küchen aufbauen. „Es fehlt einfach an Materialien entlang der Lieferkette“, bestätigt Christian Wimmer, Geschäftsführer von Service&More, einer Vereinigung von rund 150 Möbelfachhändlern und 130 Raumausstattern. Oft sind es gerade die kleineren Hersteller, die bei ihren Bestellungen leer ausgehen. „Bedient werden ja als erstes jene mit den engen Lieferverträgen und den großen Mengen“, sagt Wimmer. Spanplatten sind Mangelware, viele Firmen können eine Lieferung schon länger nicht mehr zusichern. Doch diese Platten werden quasi für alle Möbel gebraucht, seit Vollholzmöbel eher zum Nischenprogramm geworden sind.
Dazu kommen Verknappungen bei diversen anderen Teilen, etwa Beschlägen oder bei Schaumstoff, der für Polstermöbel benötigt wird. „Hier gibt es auf Produzentenseite weltweit ein Oligopol, die Hersteller argumentieren, dass ihnen Vormaterialien fehlen“, erzählt Wimmer aus der Praxis. Auch hier wird die Preiskurve also als Ergebnis des Spiels von Angebot und Nachfrage letztlich nach oben zeigen. Denn die Nachfrage in den Einrichtungshäusern nimmt weiter zu. Wimmer: „In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres haben wir ein Umsatzplus von 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr gehabt. Gegenüber 2019, das ein absolutes Rekordjahr war, liegt die Wachstumsrate immerhin noch bei 28 Prozent.“
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