Das Bargeld, das keiner braucht
Nehmen Sie sich kurz die Zeit und greifen Sie nach ihrer Geldbörse. Schwer? Vermutlich liegt das nicht an den violetten 500-Euro-Scheinen, die sich dort angesammelt haben. Vermutlich liegt das an den kleinen Kupfermünzen. Der 500er ist Geschichte. Die europäische Zentralbank hat erst letzte Woche angekündigt, dass er abgeschafft werden soll – weil er Korruption begünstigt. Aber abseits jener, die in dunklen Hinterzimmern hohe Geldbeträge überreichen, haben wohl nur die wenigsten Menschen jemals einen zu Gesicht bekommen, geschweige denn damit gezahlt.
Mehrheit will die Abschaffung
Im Gegensatz zu den Cent-Münzen. Die sind in fast allen Geldbörsen und oft nicht mal mehr dort, weil sie eben vor allem eines sind: lästig. In Deutschland fristen 75 Prozent der Centmünzen ihr Dasein in einem Einmachglas und sind gar nicht erst in Umlauf. Das sagte kürzlich Carl-Ludwig Thiele, Vorstandschef der deutschen Bundesbank. Kein Wunder, sie sind es für viele buchstäblich nicht wert, in der Geldbörse herumgetragen zu werden. Die Menge an kleinem Schotter, der in Österreich im Umlauf ist, ist enorm: Die Österreichische Nationalbank (OeNB) schätzt die Zahl der Kleinstmünzen auf rund 3,7 Milliarden Stück.
90 Prozent der Österreicher wollen die 1-Cent-Münze auch abschaffen, 85 Prozent die 2-Cent-Münze. Das besagt eine Eurobarometer-Umfrage aus dem Oktober des Vorjahres.
Es sprechen also viele Argumente für die Abschaffung der Kupfermünzen. Zum Beispiel auch das hier: Die Herstellung einer Centmünze kostet – einen ganzen Cent. Heißt es aus der Österreichischen Nationalbank (OeNB). Jeder Cent, der nicht geprägt wird, erspart uns einen Cent an Kosten.
Angst vor einer Teuerung
Dennoch glauben Experten nicht an eine Abschaffung der Kupfermünzen. Der Grund ist ein psychologischer: Die Österreicher haben Angst vor einer Teuerung. Denn mit einer Abschaffung ginge die Einführung einer so genannten "Rundungsregel" einher: Zweistellige Cent-Beträge müssten entweder auf- beziehungsweise abgerundet werden. Diese Rundungsregel lehnen die Österreicher aber ab: Laut einer Umfrage der OeNB spricht sich weniger als ein Drittel der Befragten dafür aus. Der Gedanke ist nachvollziehbar: Dann wird ja alles teurer! Im Supermarkt endet jeder Preis mit ,99 Cent – da wird nur auf-, nicht abgerundet. Stimmt aber nicht: (Fast) niemand kauft nur ein Produkt, auf- und abgerundet wird nicht bei den Preisen, sondern erst an der Kassa. Wer um 13,33 einkauft, würde 13,35 zahlen; wer um 13,32 einkauft, 13,30.
WKO: "So eine Regelung wäre kein Preistreiber"
"So eine Regelung wäre kein Preistreiber", sagt Roman Seeliger, stellvertretender Geschäftsführer der Bundessparte Handel der Österreichischen Wirtschaftskammer (WKO). Insgesamt würden sich die Auf- und Abrundungen aber statistisch gleichmäßig verteilen, sagt er. Trotzdem wird sich die WKO nicht für eine Abschaffung der Kleinstmünzen einsetzen: "Wir werden sicher nicht gegen den Willen des Konsumenten handeln". Als einzige Möglichkeit sehe er lediglich eine einheitliche Regelung für die gesamt Eurozone. Den letzten Vorstoß der EU-Kommission zum Thema Abschaffung gab es im Jahr 2013. Die Pläne sind allerdings wieder in der Schublade verschwunden. Hier schließt sich der Kreis: Die Kommission kann nichts ohne den Willen der Euro-Länder unternehmen.
In den Niederlanden etwa sind die Kleinstmünzen bereits abgeschafft, in Finnland wurden sie erst gar nicht eingeführt. Die Menschen in den beiden Ländern scheinen keine Angst vor höheren Preisen zu haben. Das zeigt ebenfalls der Eurobarometer: In beiden Ländern sprechen sich drei von vier Personen gegen die Münzen und für Rundungsregeln aus. An erster Stelle in dieser Umfrage liegt übrigens Irland. Dort gibt es offiziell seit Ende Oktober 2015 keine der kleinen Cent-Münzen mehr.
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